Freundeskreis Klassische Yachten

Diskussionsbeiträge: Die klassische Yacht
  
"Die klassische Yacht"

von Edzard C. Wucherpfennig

Ausgangslage

Wir resümieren: In den 60'iger Jahren hielten Kunststoffe Einzug in den Yachtbau. Eigner hölzerner Yachten wurden abfällig als "Komodensegler" tituliert. In den 80'iger Jahren wiederum kamen moderne Werkstoffe wie z.B. Kohlefaser und Ver-bundtechniken wie z.B. Sandwichbauweisen auf. Yachten aus simplen Glasgelegen wurden als "Hostalenschüsseln" abgewertet.

Wir machen den Versuch, uns ins Jahr 2020 zu versetzen. Welche Baumaterialien up-to-date sein werden, liegt im Bereich des Spekulativen. Mit nahezu sicherer Wahrscheinlichkeit kann jedoch angenommen werden, daß die Werkstoffe, welche wir derzeit als "modern" bezeichnen, es dann nicht mehr sein werden. Ebensolches gilt für Konstruktion und Design. Innovation und Entwicklung darf somit beruhigt als Konstante angesehen werden. Ebenso der Begriff "traditionell", verdeutlicht er doch, daß die Kennzeichen des betreffendes Produktes bereits bekannten Entwicklungskriterien folgen. Im Gegensatz dazu muß der Begriff "modern", also dem derzeitigen Stand der Entwicklung entsprechend, als zeitlich veränderlich verstanden werden.

Auffällig erscheint jedoch, daB sich gewisse "traditionelle" Geschmacksmodelle oder doch zumindest bekannte stilistische Elemente, im Laufe der Zeit immer mal wieder als "modern" erweisen. Beispiele hierfür finden sich in der Bekleidungsbranche, in der Architektur, im Automobilbau usw. und, wie z.B. derzeit die "klassischen Yachten" und die sogenannten "Modern Classics", auch im Yachtbau.

Grundlegende Definitionen

Bevor es um die Begriffsbestimmung der "klassischen Yacht" bzw. des "Klassikers" geht, sind einige grundlegende Definitionen notwendig, welche sich zunächst vorrangig auf Segelyachten, d.h. Yachten mit zumeist festem, tiefgehenden Außenballastanteil erstrecken. Dinghi's, Jollen, Jollenkreuzer und Schiffe, deren Vortrieb ausschließlich durch Motorkraft bewerkstelligt wird, bleiben außen vor.

Wie bereits des öfteren, vermutlich aufgrund der besonderen Trefflichkeit ausgeführt, ist eine Yacht von ihrem Bestimmungszweck her ein Wasserfahrzeug der Lustsegelei.

Entwurfsmerkmale der "modernen" Segelyacht
* Kurzkiel, d.h. Ballastkiel und Ruder, erscheinen im Lateralplan als geteilte Flächen
* Hauptspant bevorzugt als U-Spant (X-Yachts..), oder auch Multi-Knickspant (Waarschip..)

Entwurfsmerkmale der "traditionellen" Segelyacht
* Langkiel, d.h. im Lateralplan ergeben Ballastkiel und Ruder eine zusammenhängende Fläche
* Hauptspant bevorzugt als S-Spant (Thames Tonnage Yachten, m-R Yachten, Seefahrtkreuzer, KR-Yachten, "freie" Entwürfe..), seltener U- bzw. V-Spant (Knarr. Hai..) oder Knickspant (Wal)

Entwurfsmerkmale der "klassischen" Segelyacht
* alle Merkmale der "traditionellen" Yacht und desweiteren:
* lange Überhange
* großes Längen-Breitenverhältnis

Daraus geht hervor, daß eine "klassische" Yacht zwangsläufig eine "traditionelle" Yacht ist, nicht aber umgekehrt.

Überlegungen zum Begriff "der Klassiker" / "die klassische Yacht"

Diese beiden Begriffe bedürfen, obwohl sie sich dem Verständnis nach sehr nahe stehen, einer expliziten "maritimen" Einzelbetrachtung. Kennzeichnend für einen "echten Klassiker" ist sicherlich seine allgemein anerkannte Beliebtheit. Woher rührt diese Beliebtheit? Nachfolgend aufgeführte Anhaltspunkte sind im konkreten Einzelfall in veränderlichen Anteilen unterschiedlich gewichtet, im Ide-alfall sind alle Einzelpunkte zutreffend und maximiert:

* hohe Fertigungs- und Materialqualität
* technische Ausgereiftheit des Gesamtproduktes und der Einzelkomponenten
* Zweckmäßigkeit und Tauglichkeit des Entwurfes in Bezug auf Einsatzrevier: See, Küste, Hochsee
* Zweckmäßigkeit der Ausrüstung hinsichtlich Sinn und Benutzerfreundlichkeit
* hervorstechende optische Ausgewogenheit, so daß alle Einzelkomponenten als harmonisches Gesamtbild erscheinen

Ein Produkt wird, wenn auch selten, bereits kurz nach Produktionsbeginn, meist aber in der Retrospektive, als "Klassiker" eingestuft. Wurden die gestellten Anforderungen auf gänzlich neuartige Weise erfüllt, so ist es möglich, daß allein dieser Umstand zur Einstufung als "Klassiker" berechtigt.

Im Yachtbau kann eine neu eingeführte Vermessungsformel, neuartige Werkstoffe, aber auch die Vorstellung eines mutigen Querdenkers, den Anstoß dazu liefern. Typische Baumerkmale, welche aus den Ver- u. Bearbeitungsmöglichkei-ten des Baustoffes resultieren, sollten jedoch unverkennbar sein (Abzeichnen von Schwundfugen der Plankennähte bei traditioneller Karweelbauweise, Biegeradien bei der Verarbeitung von Glasfasermatten..). Der vorrangig verwendete Baustoff (Holz..) ist daher ebenso wenig ein allentscheidendes Kriterium für einen "Klassiker", wie bestimmte Konstruktionsmerkmale (Langkiel..).

Der Begriff "der Klassiker" ist demnach ein zentraler Sammelbegriff für diverse markante Yachttypen und Entwürfe, von denen die "klassischen" Yachten lediglich einen, wenn auch bis zum jetzigen Entwicklungsstand des Yachtbaues, umfangreichen Teil einnehmen. Der Begriff "klassische" Yacht umschreibt, wie alle Adjektive, wie etwas geartet ist. Sicherlich zurecht verbindet man mit dem Gütesiegel "klassisch" etwas von zeitloser Beschaffenheit und/oder Schönheit.

Ausarbeitung eines Klassifikationsschemas für "Klassiker"

Das bestehende Yachtregister hat sich zur Aufgabe gemacht, den Bestand an "klassischen" Yachten zu erfassen, und mit wichtigen Angaben wie Bauwerft, Baujahr, Name bzw. ehemalige Namen, etc. in tabellarischer Weise zu ergänzen. Eine Klassifikation für "Klassiker" muß sich darüber hinaus daran messen lassen, ob es ihr gelingt, sämtliche "Klassiker", also u.a. auch die "klassischen" Yachten, in klar definierte Sparten einzuordnen.

Der eingangs verwendete Begriff "Modern Classics" kann in dieser Form keine dauerhaft haltbare Beschreibung einer Entwicklungsepoche bzw. Konstruktion sein, läßt sich von ihr doch in keiner Weise ein Rückschluß auf die technische Beschaffenheit ableiten. Zwecks Einteilung und Untergliederung sind diverse technische Zusatzinforma-tionen unumgänglich. Diese werden nachfolgend exemplarisch aufgezeigt und ausgeführt.

Klassifikationsschema für "Klassiker" in 6 Stufen:
1. an erstzunennender Stelle die Gestaltung des Lateralplanes seitliche Ansicht des Unterwasserschiffes)
* T für"traditional" = Langkiel
* M für "modern" = Kurzkiel
2. nachfolgend der zum Bau des Rumpfes vorwiegend verwendete Baustoff
3. danach die Einstufung "classic" (C), deren Vergabe von werkstoffspezifischen Gremien vollzogen wird. Dabei ist diese vom Hersteller ggf. bereits vergebene Titulierung nichtig!
* "traditional-wooden-classic"(TWC) - "modern-wooden-classic"(MWC)
* "traditional-steel-classic"(TSQ - "modern-steel-classic"(MSQ
* "traditional-aluminium-classic"(TAC) - "modern-aluminium-classic"(MAC)
* "traditional-plastics-classic"(TPC) - "modern-plasitics-classic"(MPC)
4. der Grad der Erhaltung/Originalität könnte, ermittelt von demselben Fachgremium, in einem festzulegenden Wertungschema, durch Kürzel l, II, III.. dargestellt werden (C-I.C-11..).,
5. desweiteren wird die Bauweise angehängt:
* geklinkert (TWC-clinker) - karweel (TWC-carvel)
* genietet (TSC-riveted) - geschweißt (TSC-welded) usw.
6. die Angabe der Antriebsart ist ein weiterer sinnbringender Zusatzpunkt. Sie steht leicht erkennbar am Ende der Kürzel.
*M für motor yacht / Motoryacht
*S für sailing yacht /Segelyacht
im weiteren
* OC für open centreboarder/ Jolle
* CC für crusing centreboarder/Jollenkreuzer
*D für dinghy/Dinghi

Ausführung des Klassifikationsschemas am Beispiel einer vollholzgeklinkerten Segelyacht mit Langkiel, welche als "original" erhaltener "Klassiker" eingestuft wurde, und folglich mit dem Kürzel TWC-1-clinker-S gekennzeichnet werden kann.
TWC-1-clinker-S =

    T = Lateralplan = Langkiel (traditional)
    W = Baustoff = Holz (wood)
    C = Einstufung = "Klassiker" (classic)
    I = Wertung = "original" (I)
    clinker = Bauweise = geklinkert (clinker)
    S = Antriebsart = Segelyacht (S)

Ein in dieser Art gestaltetes Klassifikationsschema für 'Klassiker könnte sowohl für den Bootsbauer, als auch für den Sachverständigen, den Ausrichter von Regatten, den Vermesser, den Makler, den Segler, aber auch für den Eigner ein hilfreiches Instrumentarium sein, läßt es doch bereits aus der Distanz eine ungefähre Einschätzung der Yacht zu. Der englische Wortt'ebrauch erscheint, angesichts des zunehmenden internationalen Informationsaustausches und des ebensolchen Wunsches der Vergleichbarkeit, sinnvoll. Ob darüber hinaus ein in dieser Art erstelltes Schema auch für die Zertifizierung von Fachbetrieben wünschenswert oder zukunftig als notwendig betrachtet wird, kann diskutiert werden.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang der Wille der Europäischen Union zur flächendeckenden Vereinheitlichung der Gewerbetreiheit. Dieser Absicht steht die bis dato ausschließlich in Dem schland geltende Voraussetzung des Vorweises des Meistertitels zur Ausübung eines Vollhandwerkes wie z.B. dem Bootsbau, entgegen. Für den Verbraucher bzw. Interessierten ist eine in diese Richtung weisende Bewertung in jedem Fall hilfreich, ähnlich wie die DIN ISO 2000 etc. für Gewerbetreibende.





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