KULTURELLES

Lecker Kunst - Corinna Kraus-Naujeck


Nordlicht mit Dorsch

Ein Interview.
Die Fragen stellte Hella Peperkorn ("Klassiker!" 1/2012)

An was arbeitest Du gerade?
Gerade habe ich einen interessanten Auftrag fertiggestellt - Aquarell und Zeichnung auf einer Seekarte von der Atlantik-Küste Frankreichs.
Immer habe ich schon neue Ideen während des Arbeitens, ich sammle sie in mir, bis etwas Konkretes aus mir heraus will. Das kann manchmal Jahre dauern und viele andere Ideen „dazwischen“ kommen.
Ein neuer Bildanfang ist dann etwas Besonderes und auch eine Illusion. Fast immer entsteht zur Hälfte etwas ganz anderes, als das, was ich geplant hatte.
Also plane ich im Moment ein Bild auf einer längshalbierten Seekarte, zwei lange Streifen, auf denen menschliche Figuren in einer Anordnung wie die Striche auf einem barcode zu sehen sind.
Wir werden sehen, was am Ende entstanden ist!

Was liebst Du persönlich am Meer besonders - oder: wo ist das Meer für Dich am schönsten?
Das Meer ist für mich so faszinierend, weil es überall schön ist, ungebändigt, friedlich und wild, nicht festgelegt, immer in Bewegung - und in Korrespondenz mit der Küste, dem Himmel, dem Wetter. Diese Komponenten geben dem Meer seine Veränderlichkeit, die Farbe, den Geruch, sein Geräusch.
Ich reise sehr gerne, verändere meinen Betrachtungswinkel. Aber immer lande ich am Wasser, am Meer. Bestimmt ist das anziehende Moment für mich die Weite, die Linie zwischen Himmel und Meer, das „Nicht-Anstoßen“ des Blickes. Dies weitet meinen eigenen Horizont und erfüllt mich mit dem Gedanken, dass alles möglich ist.

Warum ist es ausgerechnet dieses Element, dass Dich als Künstlerin so besonders inspirieren kann?
Eigentlich war es eher Zufall, an den ich nicht glaube, dass ich seit Jahren schon auf historischen Seekarten arbeite. Auf einer schwedischen Schäre sitzend, eine Bildidee im Kopf, suchte ich dafür geeignetes Papier und hatte nur sehr grobes Aquarellpapier mitgenommen. Aber im Schwedenhäuschen lag ein ganzer Stapel ausgedienter Seekarten aus dem Schärengarten...


Soederarm

Du arbeitest bevorzugt auf historischen Seekarten. -
Was macht den Reiz für Dich aus?

Aus zwei Gründen kann ich nun nicht mehr davon lassen: Zum einen gibt es schon vor dem ersten Pinselstrich eine große Dimension, eine Geschichte - diese Karte, die in dem dargestellten Seegebiet gefahren ist, sie ist „gebraucht“, durch viele Hände und Situationen gegangen. Manch Kaffeefleck, Notizen, eingezeichnete Kursänderungen und Ölgeruch zeugen davon. Das macht es mir dringend, eine andere Geschichte darauf sichtbar zu machen, Zeit zu überlagern, eine neue Dimension hinzuzufügen.

Der zweite Aspekt der Faszination Seekarte ist meine Technik, schon immer angewandt, aber auf alten Seekarten noch viel einleuchtender:
Das Kartenmaterial wird im ersten Arbeitsgang mit einer Mischung aus Meerwasser und Aquarell grundiert. Der natürliche Salzgehalt schafft spannende Strukturen. Durch das Einarbeiten von diesem Salz und auch Sand, das Drucken mit Flechten, Blättern, Algen und Fundstücken kommt persönliches Material aus der Auseinandersetzung mit real oder imaginativ besuchten Orten als Dimension hinzu.
Gut erkennbar ist die z.B. auf der Karte „1894“. Hier bin ich lange mit einem Zollstock am Ufer einer dänischen Küste gelaufen, um genau diese Blattgröße zu finden, die in den Store Baelt eingepasst werden kann, ohne Namen oder Zeichen zu überdecken, die noch vom Betrachter gefunden werden wollen. Dies zeigt den großen Respekt vor dem Historischen in diesen Karten, die teilweise sogar noch auf Leinen aufgezogen sind.

Entstehen Geschichten zwischen der historischen Vorlage und Deinem Arbeitsprozess?
Während dieses langen Zeichen- und Malprozesses entsteht natürlich eine Geschichte, mehrere Geschichten, in mir und zwischen mir und dieser Karte.
Gerne behalte ich dies für mich, denn entscheidend ist, was ich durch ein Bild im Anderen auslösen kann, welche Geschichte dort zwischen Bild und Betrachter entsteht. Im glücklichen Fall ist es eine Berührung.

Deine Bilder erscheinen atmosphärisch eindeutig, gleichzeitig sehr transparent, feinsinnig und für einen zweiten und dritten Blick inspirierend - verrätst Du das Geheimnis dieser Tiefe?
Immer spiele ich mit Doppeldeutigkeit, Entfremdung und Umkehr der Größenordnung in den Themen meiner Arbeiten, also technischer und metaphorischer Vielschichtigkeit. Der Betrachter wird angezogen durch eine vordergründige, intuitive und doch programmatische Ästhetik. Aber weitergedacht und empfunden ist „das Schöne nichts anderes als des Schrecklichen Anfang, den wir grade noch ertragen“, wie R. M. Rilke in seiner ersten Duineser Elegie beschreibt. Schönheit ist Bedürfnis, wie ich finde, und auch als Medium, Themen großer Tragweite und Problematik zu transportieren, geeignet.

Oft tauchen scheinbar fremde Symbole, Tiere, Früchte etc unvermittelt auf und nehmen einen exponierten Raum ein - Irritationsmomente?
In diese Theorie einzuordnen sind auch die Symbole, die Zeichen, wie z.B. die roten Früchte in den Bildern „Kaliningrad“ oder „Nynäsham“. Dort finden sich überdimensionierte Äpfel unter einem Vorhang des Nordlichtes. Die Elemente sollen den Betrachter tatsächlich festhalten, haben eine Funktion als eye-catcher, um dann in eine andere Welt zu entführen, anzuregen und den Horizont zu erweitern!


Kaliningrad

Dein Atelier heißt leckerkunst - und aus der intensiven Zusammenarbeit mit Kerstin Mempel, die wir an dieser Stelle ebenfalls schon einmal portraitiert haben, hast Du die Künstlergruppe Blauschimmer gegründet - was sind Eure Pläne?
Die Künstlergruppe BLAUSCHIMMER besteht nun schon seit vier Jahren. Der Name steht u.a. für das Leben und Arbeiten am Meer. Seitdem haben wir an zahlreichen Ausstellungen teilgenommen, u.a. an einem Symposium auf den Lofoten (dort ist „Ofotfjorden“ und „Stamsund“ entstanden). Wunsch war und ist Vernetzung, Unterstützung und Austausch. Inzwischen existieren sogar gemeinsame Arbeiten.
Auf dem Plan stehen weitere Malreisen, sowohl in den Norden als auch in den Süden - bestimmt aber immer ans Meer!


Ofotfjorden 1913


Stamsund

Corinna Kraus-Naujeck
Heiligendammer Strasse 15
24106 Kiel
Tel. 0431 7055584
leckerkunst@t-online.de
www.leckerkunst.de


Svolvær


Værøy



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