KULTURELLES

Edelstein unter Perlen - das dänische Museum für Yachtsport

von Jens Burmester

Die Dänen werden mir verzeihen: Das Land ist ja nicht ganz so groß - da ist es kein Wunder, wenn direkt neben der Südsee die Riviera liegt. Mikrokosmos halt.
Die dänische „Südsee“ ist weit bekannt, und die „Riviera“ wird gebildet durch das wohl schönste Fahrwasser, das das Inselreich zu bieten hat: Den lieblichen Svendborg Sund, die Inseln Tåsinge und Thurø, die geschützten Gewässer zwischen Svendborg und Troense. Kleinod reiht sich an Kleinod. Waldufer laden zum Ankern im Sonnenschein, Häfen und Buchten zum verweilen. Gar nicht ganz zufällig wohl ist diese Gegend eine der dänischen Wiegen des Segelsports. Neben dem Sund (bei Kopenhagen) und dem Limfjord bei Aalborg gab es hier schon früh ein Zentrum segelsportlicher Innovation, lebte und wirkte hier eine der wichtigsten Triebfedern des nordischen Yachtbaus: Der berühmte Sophus Weber. Noch heute ist die zentrale Segelveranstaltung für klassische Yachten nach ihm benannt, das „Sophus Weber Race“ als Bestandteil der Svendborg Classic Regatta im August.

Nicht von ungefähr begegnen dem Segler, der mit offenen Augen den Svendborg Sund passiert, immer wieder schöne, klassische Fahrzeuge, sieht man hier und da schöne Spitzgatter vor Anker liegen, freut sich daran, dass im Svendborger Hafen auf der Ring-Andersen-Werft alte Schiffe gerettet werden, bestaunt die rassigen Yachten, die kundige Hände im Thurø-Bund restaurieren, und ahnt Meile um Meile die Nähe zweier bedeutender Institutionen der Seefahrtsgeschichte - des Schiffahrtsmuseums im Dorf Troense direkt über dem Yachthafen und „Danmarks Museum for Lystsejlads“, des Museums für den dänischen Yachtsport, das im Valdemars Slot bei Troense seinen Sitz hat.


“Gill”, “Runa” und “Bette Ole” warten auf den Sommer

Der Hauptflügel mit Kapelle wurde bereits 1639 bis 1644, zu Zeiten also, als halb Europa im Dreißigjährigen Krieg erstickte, auf Veranlassung König Christian des Vierten gegründet und unter Hans van Steenwinckel im Stil der niederländischen Renaissance errichtet. Der König wusste offenbar nicht nur, wo es in seinem Reich besonders schön war, er hatte auch viel architektonischen Sachverstand und Geschmack. Sein Sohn, für den das Schloss eigentlich gedacht war, wohnte dort nie, und nach den Schwedenkriegen war es der Seeheld Niels Iuel, der das Schloss nach den Zerstörungen mit Barockelementen wieder aufbauen ließ, um es dann selbst zu bewohnen. Unter seinem Enkel wurden die seitlichen Torhäuser, die einen rechteckigen Teich flankierenden Remisen und das hübsche Teehäuschen mit idealem Blick auf das herrliche Segelrevier der Lunkebugt hinzugefügt.

Für Segler hat das Schloss heute eine große Anziehungskraft - beherbergt es doch neben einem Spielzeugmuseum, einem Jagdmuseum und dem Schlossmuseum selbst eben das Museum für den dänischen Yachtsport, Danmarks Museum for Lystsejlads.

Was hier in zwanzig Jahren zusammengetragen wurde und seit 1996 auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, sucht seinesgleichen in Europa. Hier haben die Aktiven, allen voran der Stifter und Nachkomme Niels Iuels, Niels Lensbaron Iuel-Brockdorff, zusammen mit einem harten Kern von Mitarbeitern eine Sammlung geschaffen, die einen großzügigen Überblick über die Entwicklung des Yachtsports in Dänemark gestattet.

Natürlich ist ein großer Teil der Sammlung in den Räumen des östlichen Remisengebäudes zu sehen, aber viele Exponate und vor allem auch Yachten, Boote, Jollen und Gigs sind noch dabei, für die öffentliche Präsentation präpariert zu werden. Erfreulicherweise hat man darauf verzichtet, sämtliche Schaustücke in einen Zustand der Restaurierung bis zur Unkenntlichkeit zu versetzen, vieles atmet auf diese Weise eine Authentizität, die nachahmenswert ist. Der Umgang mit der Geschichte, die erzählt werden soll, wird hier so verstanden, dass ein Ausstellungsgegenstand auch in einem Zustand gezeigt werden kann, der von seinem Gebrauch und seinem Leiden unter der Verwendung erzählt. Die Bedeutung der einzelnen gezeigten Bootsformen für die Entwicklung des Yachtsports ist dadurch durchaus nicht geschmälert, dass die Objekte zum Teil nicht im perfekten Zustand ausgestellt sind. Trotzdem kommt keineswegs der Eindruck auf, es mit einer Rumpelkammer zu tun zu haben, viel mehr zeigen die Exponate mit ihrer erspürbaren Nutzungsgeschichte sehr viel von ihrer Bedeutung. Man ist sogar geneigt, dafür dankbar zu sein, dass Segelsportgeschichte hier so hautnah präsentiert wird.

Angefangen mit dem offenen, spitzgattigen Ausbildungsboot „Freja“ von 1914 findet man über einen noch unrestaurierten Int.5,5m- Rumpf („Web“), den winzigen Doppelender „Fru Madsen“ zu schönen, mittlerweile klassischen Jollen wie einem uralten Piraten, einem der ersten Finn Dinghies oder einem Segelkajak. Die Sammlung ist durchaus umfassend, auch nicht-hölzerne Boote von historischer Bedeutung sind vereinzelt darunter.

Geleitet von mehrsprachigen, sehr informativen Erklärungen in Schrift und Bild gelangt man schließlich zum Weltumsegelungsboot „Stormy II“ des dänischen Segelpioniers Svend Billesbølle, der insgesamt 2 ½ mal die Welt umrundete - mit Booten nicht länger als 18 Fuß.

Aber man muss hier etwas umfassender denken – die Dänen beschäftigen sich auf Valdemars Slot nicht nur mit der Segelei, hier kommen alle Formen des Bootssports zur Geltung. Das Museum zeigt längst nicht nur Segelfahrzeuge aus 9 Jahrzehnten im Original, auch Kanus, Ruderjollen, Rennruderboote, Eissegelschlitten und Motorrennboote bis zum Riva-Boot sind ausgestellt und anschaulich präsentiert, insgesamt zur Zeit ca.?35 Schiffe.
Sicher nicht weniger reizvoll sind die ausgestellten Bootsmotoren gerade auch aus der Anfangszeit, denn auch die sind ein nicht aus dem Yachtsport wegzudenkender Bestandteil.
Ein wichtiges und reizvolles Element sind die vielen kleinen Gegenstände, die keineswegs nur zur Garnierung der Ausstellung dienen: Ausrüstung für Yachten von Navigationsmitteln bis zur Bordtoilette, alles handgreiflich und anschaulich dargeboten.

Der Besucher wandelt auf Dünensand durch das wunderbar offene Gebäude, das einmal Pferdestall war, durch einen großen dachfirsthohen Raum, dessen fehlende Zwischendecke das Zeigen komplett aufgeriggter Schiffe ermöglicht. Jeder Quadratzentimeter scheint genutzt, ohne zu erdrücken, an den Seiten- und zahlreichen Stellwänden Schautafeln, Risse, Gemälde und Vitrinen mit Büchern und Modellen, Halbmodellen, h?e?r?r?l?i?c?h?e?n? Segelyachtmodellen!
Wirklich schade ist, dass nur ein Teil der Sammlung überhaupt gezeigt werden kann. Die Sammlung speist sich inzwischen aus unzähligen Quellen, großenteils Schenkungen von Eignern oder Familien, die Generationen später Vergessenes wiederentdeckten. Auch gibt es Firmen, die über Sach- und Geldspenden bei der Finanzierung und Sammlung helfen, aber davon kann es ja nie zu viel geben! Das Museum trägt sich auf diese Weise allein aus Mitgliedsbeiträgen von privater und institutioneller Seite, aber für größere Projekte muss man sich auch hier sehr anstrengen.

Das wird deutlich, wenn man auf die Zukunftsprojekte des Museums zu sprechen kommt. Die Raumnot ist erdrückend, längst hat die schöne Remise aufgehört, groß genug zu sein. Zwar gibt es hier auch eine Werkstatt, in der Restaurierungsarbeiten an eigenen Objekten ausgeführt werden können, aber die Sammlung von kompletten oder teilweise erhaltenen Rümpfen und Riggs lagert verstreut auf mehrere Orte und Hallen.

Man möchte, wirft man einen Blick auf die dort verborgenen Schätze, ins Träumen geraten, wahre Schönheiten liegen, stehen und leiden dort vor sich hin. Schiffe und Boote von namhaften Konstrukteuren und unbekannten Bootsbaugenies, wunderhübsche Jollen, so viel unglaublich reizvolles, wertvolles, trauriges Holz! Wer nicht zwei linke Hände mit zehn Daumen hat, kann nur sofort die Ärmeln hochkrempeln wollen! So viel geballte, sogstarke Morbidität! Wo ist der nächste Jackpot?!

Ein zweites Zentrum könnte in den kommenden Jahren unmittelbar neben dem bekannten Yachthafen in Troense, keine drei Kilometer entfernt, am Ufer des Svendborg Sundes hinzukommen: Hier hat das Museum die Chance, auf dem Gelände von Jacobsens Plads die notwendige Brücke zum aktiven Segeln selbst zu schlagen. Der Hof mit den zwei baufälligen Schuppen, die historisches Werkzeug in Hülle und Fülle bergen, könnte wieder zu dem werden, was er einmal jahrzehntelang war: Eine Schmiede, eine Wieder-Geburtsstätte für wertvolle Stücke der dänischen, der europäischen Yachtsportgeschichte. Schon liegen im Sommerhalbjahr einige bedeutende Exponate des Museums hier am Steg und werden aktiv gesegelt: Die „Runa“, eine gaffelgetakelte 7mR-Yacht von 1909, eine kleine Motorjolle, das älteste erhaltene Folkeboot „Gill“, Georg Bergs kleiner Doppelender „Bette Ole“ etwa, andere sollen hinzukommen.

Aber das, wie alles andere, hängt natürlich vom Geld ab - und von der nationalen wie internationalen Unterstützung für dieses reizvolle Museum. Und die einfachste und schönste Form der internationalen Unterstützung ist, das Museum zu besuchen, sich an den Exponaten zu erfreuen! Sehen wir uns in Troense? Kommen Sie mit zum Valdemars Slot? Das Museum ist von Juni bis September täglich von 10 - 17 Uhr für uns geöffnet!

www.lystsejlads.dk



Vitrinen voller Modelle - ein ganzes Museum für sich!


“Fru Madsen” und eine 5.5m


Anschaulich präsentiert: Alte Motorentechnik


Warten auf die Wiedergeburt: Kleine und große Schönheiten im Dornröschenschlaf


Stapelweise wunderschöne Boote, Gigs & Yachten