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Pressespiegel |
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Kai Greiser: Alte Freunde Reportage über den Freundeskreis Klassische Yachten (Originaltext von 1999) für die "Yacht" |
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Sind historische Yachten "maritimer Sperrmüll", wie ein inzwischen pensionierter Dezernent der Stadt Kiel, in der Diskussion um einen Museumshafen an der Förde, alte Holzyachten zu bezeichnen pflegte? Oder, nach der Definition des Schiffshistorikers Joachim Kaiser, maritime Kulturdenkmale, die Liebhaber erhalten, um sie dem Strom des Vergessens zu entreißen? Damit die Kieler Stadtverwalter sich davon überzeugen können, wie schön und attraktiv ein Museumshafen an der Kieler Förde wäre, setzten vor zehn Jahren 50 Eigner betagter Holzyachten ihre Segel, um im Rahmen eines Altstadtfestes die erste Veteranenregatta auf der Kieler Innenförde auszusegeln. Vorkämpfer für einen Museumshafen historischer Yachten, im extra dafür gegründeten Verein "Schwimmende Museen Kiel e.V.", wie sie schon in Hamburg und Flensburg für segelnde Frachtschiffe, Fischkutter, Lotsen- und Zollkreuzer bestanden, war Ernst Hintzmann mit der gaffelgetakelten Ketsch "Anna Luise". Mit dabei auch Wilfried Horns mit "Piraya", die A&R 1949 nach einem Rasmussen-Riss der berühmten "Störtebeker III" baute, mit der Ludwig Schlimbach 1937 einhand nach Amerika segelte. "Piraya" wurde als erste deutsche Yacht mit 7 KR vermessen, Segelnummer G 7 - 1, der neuen Bau-Formel, die im selben Jahr vom DSV beschlossen und bis 1963 gelten sollte. Mit dabei auch der Filmemacher Tom Nitsch mit der außergewöhnlich schönen, sorgfältig von ihm restaurierten "AR", die Henry Rassmussen 1936 als 125er Seefahrtskreuzer für sich selber bauen ließ. Und die Gebrüder Clausen mit ihrem Örtz-Spitzgatter "Nyota", der 1914 nach dem Riss eines Lotsen-Sturmkutters entstand. Die Liste der Yachten mit berühmter Geschichte war lang. Aber es half alles nichts. Auch die 2.Auflage dieser Veteranenregatta, die im folgenden Jahr auf eine Flotte von 75 Holzyachten angewachsen war, konnte Kiels Stadtväter zu keiner Konzession bewegen. | ||
Wollte einen Museumshafen in Kiel nach Hamburger und Flensburger Vorbild bewirken: Ernst Hintzmann mit Hedi Betzendahl auf dem Seekreuzer "Ylva", der auch in Charter läuft. | ||
Mit "wir können auch woanders" kehrte man Kiel den Rücken und fand '91 Asyl im Gewerbehafen von Laboe, der gerade zum Heimathafen von Museumsschiffen umgenutzt wurde. Hier entwickelte die Regatta in den folgenden Jahren eine derartige Dynamik, daß Ernst Hintzmann zusätzlich einen Regattaleiter brauchte, der die umfangreiche Vorplanung und Organisation übernahm. Wilfried Horns (49) stellte sich zur Verfügung. Eigentlich wollte er sich nur mal mit Eignern klassischer Yachten treffen, die er ein- oder zweimal im Jahr an sich vorbeisegeln sah. Um Baumerkmale zu vergleichen, Renovierungsprobleme zu diskutieren, Geschichte zu erforschen und sowohl mit-, als auch gegeneinandermit gleichartigen, klassischen Yachten zu segeln. Da sich der deutsche Fiskus für die Finanzierung solche Veranstaltungen interessiert und Versicherungen einen Ansprechpartner verlangen, kam er nicht umhin, 1994 mit 50 Eignern und Liebhabern klassischer Yachten im Clubhaus der Segler-Vereinigung Kiel einen Verein zu gründen. In tiefer Abneigung gegen deutsche Vereinsmeierei nennen sie sich "Freundeskreis Klassische Yachten" (FKY). Das dazugehörige e.V. verwenden sie nur im Schriftverkehr mit Behörden. |
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Mann der ersten Stunde und eine der treibenden Kräfte: Wilfried Horns | ||
Dieser Freundeskreis ist für Horns ein Phänomen. Nicht über die soziale Klasse, sondern nur über eine Idee den Zusammenhalt von Individualisten verschiedenster Berufsgruppen erreicht zu haben. Segeln und erhalten sie doch Yachten aus einer Zeit, in der Yachteigner ihren Lebensunterhalt nicht durch ihrer Hände Arbeit verdienen mußten. Der Bootsmann hauste im abgeschotteten Vorschiff auf einer Rohrkoje und der Kaiser betrieb mit Segelsport Politik. Neben handwerklicher Perfektion sind es immer wieder die Linien klassischer Yachten und Jollen, die das ästetische Empfinden anrühren und Liebhaber zu Idealisten werden lassen. Es sind Handwerker und Architekten, Maler, Grafiker und Photografen, aber auch Steuerberater und Witschaftsprüfer, Unternehmer, Ärzte und Auszubildende. Es sind nicht nur die spektakulären Yachten wie die Zwölfer oder großen Seefahrtskreuzer, die mit unendlicher Sorgfalt von ihnen erhalten werden. Es sind vor allem alte Renn- und Wanderjollen, Hansajollen, Jollenkreuzer, Drachen, Schärenkreuzer, Nationale-Kreuzer, Sonderklasse-Yachten, kleine Meter-Yachten, Kreuzer- und KR-Yachten, Spitzgatter, Vertenskreuzer, Hai-, Knarr-, Wal- und geklinkerte Folkeboote. Diese Schiffe aus Lärche, Eiche, Teak und Mahagoni beflügeln ihre Phantasie. Fördern ungeahnte, handwerkliche Fähigkeiten bei ihren Eignern zutage, die sie als Ausgleich zu ihrer Alltagsarbeit erproben, oder als Herausforderung an ihre Kreativität verstehen. Holz als lebendiges, formbares Material mit sensibler Haut, die man schützen und pflegen muß. Im äußersten Winkel unserer Seele scheint ein Verständnis von Schönheit zu existieren, das sich jeglicher Kalkulation widersetzt. Anders ist es nicht zu erklären, daß der Wald glänzender Holzmasten auf ihren Treffen mit jedem Jahr dichter wird. Unter ihnen immer wieder restaurierte Debütanten, die von ihren stolzen Eignern herausgeputzt werden wie Eleven für den Abtanzball. Mit dem selben Herzklopfen und den gleichen Hoffnungen um Beachtung. | ||
Initiierte das Flensburg-Treffen: Oliver Berking mit Tochter Hanna auf seinem Achter | ||
Neben der Veteranenregatta in Laboe, die immer Mitte August stattfindet, etablierte sich im Frühjahr '95 in Flensburg ein Klassiker-Festival, das von Oliver Berking ins Leben gerufen wurde. Der Eigner der 1939 bei A&R gebauten 8m-R Yacht "Windsbraut" erntete in den an Grossparkplätze erinnernden Marinas oft nur mitleidige Blicke, wenn er den, auf engstem Raum, schwer manövrierbaren, fast 15 Meter langen, hochglanzlackierten Holzrumpf per Hand zwischen die Pfähle bugsierte. Nur selten fand er Verständnis. "Wunderschön, aber zuviel Arbeit", war der häufigste Kommentar opportunistischer Kunststoffyacht-Eigner. In Erinnerung ans Holzboot-Festival im norwegischen Risör, wo er mit Familie im Zelt von einer vorgelagerten Schäre die Regatten klassischer Yachten verfolgte, begann er in seiner Heimatstadt, in der er eine bekannte Silbermanufaktur betreibt, ein ähnliches Festival für Gleichgesinnte zu organisieren, für das die Stadtväter sogar die Schirmherrschaft übernahmen. Nach anfänglich 68 Meldungen hat sich die Zahl der Teilnehmer in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Auch klassische Motorboote nehmen teil, und der weltweit einzige auf Holzschiffe spezialisierte Makler Peter König, der viele der hier versammelten Schönheiten vermittelt hat. Er bietet während des Festivals in einer eigenen In-Water-Boat-Show historische Holzyachten an, die einen neuen Skipper suchen. | ||
Hobby und Beruf verknüpft: Peter König, Yachtmakler und Spezialist für Holzschiffe, auf seiner Hansajolle "True Love" während der letztjährigen Veteranenregatta auf der Flensburger Förde. | ||
Inzwischen haben die historischen Holzschönheiten auch die Kieler Innenförde erobert. Als kulturelle Alternative zur professionell gemanagten Massenveranstaltung organisiert Freundeskreis-Mitglied Volker Müller (43) seit zwei Jahren, im Rahmen der Kieler Woche, ein familiäres Rendezvous der Klassiker. Es beginnt am Freitagabend im Britisch-Kiel-Yacht-Club mit Einladung zur traditionellen Queens Birthday-Feier. Am Samstagmorgen folgt eine Geschwaderfahrt zum Düsternbrooker Hafen, den die Yachten des Kieler Yacht Clubs zur Aalregatta nach Eckernförde verlassen haben. Hier startet eine Klassiker-Regatta auf der Innenförde, auf der jedes Jahr auch eine traditionelle Bootsklasse vorgestellt wird. Regattiert wird, von der Jolle bis zum grossen Seekreuzer, um den "Classic Kiel Cup", einen historischen Kaiser-Pokal. Der promovierte Wirtschaftsprüfer Müller ist Eigner des 1928 bei A&R gebauten 80er Seefahrtskreuzer "Alraune", den er mit Hilfe der dänischen Bootswerft Walsted perfekt restaurierte. Müller berät den Freundeskreis in Steuerfragen und motiviert Eigner, sich um den alljährlich auf der Veteranenregatta vergebenen Restaurierungspreis zu bewerben. Der bewertet die yachtgeschichtliche Bedeutung eines Bootes, den Umfang der Arbeiten, Originaltreue, Ausführungsqualität und Eigenleistung. | ||
12er "Thea" aus Dänemark: Längst sind die Treffen in Deutschland interantional geprägt. | ||
Ebenso gross wie die Liebe zu warmem Holz und schönen Linien ist der Regattaehrgeiz im Freundeskreis. Eine der stärksten Triebfedern der Treffen, die die Organisatoren vor eine fast unlösbare Aufgabe stellt. Denn für Yachten der unterschiedlichsten Bauart und Grösse, muss eine halbwegs gerechte Bewertungsformel gefunden werden. Yardstickzahlen sind für diese Unikate kaum vorhanden und die bereits existierende holländische Längenformel für "Slanke Yachten" zu ungerecht. Dieser undankbaren Aufgabe hat sich der Diplom-Biologe mit Formelverständnis Enno Thyen (39) angenommen. Aus dem Schlankheitsgrad, einem Verhältnis von Länge zu Breite, Tiefgang und dem Segeltragvermögen, berechnet aus der Wurzel der Segelfläche durch die dritte Wurzel der Verdrängung, ermittelt er einen Klassiker-Rennwert (KLR), der zwischen 100 für langsamere und 160 für schnellere Yachten liegt. Um Verwechslungen mit den Yardstickzahlen zu vermeiden, hat er die Rennwertskala umgedreht. Zur Überprüfung seiner Formel berechnete er Serienboote mit bekannten Yardstickzahlen nach KLR und ist über einen feststehenden Faktor auf gleiche Yardstickwerte gekommen. Ennos Rechenwerk scheint so gerecht, dass seit '98 in Norwegen und seit letztem Jahr auch in Dänemark und Schweden Klassiker-Regatten nach dieser Formel gesegelt werden. Sie ist inzwischen auch auf dem Weg nach England. | ||
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Enno Thyens Segelleben hat sich seit 15 Jahren immer auf hölzernen Yachten abgespielt. Auf einem 30er Schärenkreuzer, einem Drachen und 10 Jahre auf einem schwedischen Seekreuzer. Als seine 4 Kinder grösser wurden fand sich schnell ein Käufer für dieses schnelle, elegante Schiff. Ein grösseres entdeckten sie durch Kontakte über den Freundeskreis in Schottland, das 1961 von McGruer am Clyde aus Mahagoni gebaut wurde. In Eigenarbeit hat er diesen Internationalen 8m-Cruiser/Racer von 12,90 Metern Rumpflänge vom Rigg bis zu den Kielbolzen runderneuert und schnell gemacht. Dass Liebe zu historischen Yachten, Fahrtensegeln mit Familie und Erfolge in Segelwettbewerben einander nicht ausschliessen bewies Enno in Mittwochsregatten auf der Trave im letzten Sommer. 14 mal trat er mit seiner "Feolinn" gegen 12 Konkurrenten an, die Soling, X-332, Aphrodite 101 und andere moderne Yachten segeln. Mit seinen Kindern in der Crew und einem Yardstikwert von 97 hat er diese Serie gewonnen. | ||
Schuf die Klassiker-Rennwert-Formel, die auch in Skandinavien genutzt wird: Enno Thyen | ||
Wo Enno Thyen sich mit Überzeugung und Engagement um die Rennwerte kümmert, wirkt Ulli Körner(47), Eigner des Vertenskreuzers "Firboos", still im Hintergrund für eine geordnete Verwaltung im Freundeskreis. "Was der Visionär mit den krausen Haaren ausheckt," damit meint er den Ideengeber Horns, "muss doch einer mit Ärmelschonern in vertragliche Formen giessen", die der allgegenwärtigen Staats-und Finanzbürokratie Rechnung tragen und von einem "Vereinsbesitzer" unterschrieben werden müssen. Den "Ärmelschoner" gibt Körner, Gründungsmitglied und gelernter Verwaltungsfachmann, seit man die ersten Bündel Fünfzigmarkscheine von Freunden klassischer Yachten für ein Mitteilungsblatt und Ausrichtung von Regatten zur Bank trug und unangenehme Fragen nach Geldwäsche und Finanzamt beantworten musste. Mit Hilfe von rechtskundigen Mitgliedern der Segler-Vereinigung Altona Oevelgönne entstand der "Verein Freundeskreis Klassische Yachten e.V.", kurz FKY, als Träger des Freundeskreises, vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Den notwendigen Schatzmeister gibt Jan op de Hipt (36), der die Restaurierungswerkstatt der Staats- und Universitätsbibliothek in Hamburg leitet. Er ist Eigner der 1927 gebauten, 8,30 Meter langen "Nonpareille" mit voller Kriechhöhe und gebogenem Peitschenmast. Das sind dann auch schon die offiziell besetzten Vereinsämter eines atemberaubend schnell wachsenden Freundeskreises, ohne Vorstand, Geselligkeitsausschuss und Obmännern oder -frauen mit hierarchisch verteilten Aufgaben. 10 Mitglieder, von über 700, die enge Kontakte auch zu Mitgliedern in Skandinavien, England und Holland unterhalten, regeln die notwendigen Vereinsgeschäfte und geben ein begehrtes Mitteilungsblatt heraus, das man für 50 Mark Mitgliedsbeitrag pro Jahr erhält. Jeder, der sich berufen fühlt, organisiert eigenverantwortlich Feste, Regatten, und representative Stände auf Bootsmessen. |
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Beim Treffen im Flensburger Stadthafen. | ||
Anhänger dieser Interessengemeinschaft gibt es inzwischen in ganz Deutschland. In Berlin organisiert seit vier Jahren Horst Kammler (63) eine Flaggen-Gala für klassische Yachten, die jedes Jahr von einem anderen Verein veranstaltet wird. Kammler segelt einen schon zu DDR-Zeiten eigenhändig restaurierten 30er Schärenkreuzer von 1926. Er versteht sich als Mittler zwischen den Segelvereinen an Seen und Havel in beiden Teilen der Stadt und den angrenzenden Revieren in Brandenburg. Auch um den Gefühlstau auf beiden Seiten abzubauen und die Entdeckung der Nachbarreviere im Osten zu fördern und umgeklehrt. Der Düsseldorfer Heiner Rüdel (60), in Kiel geboren und Mitglied im Kieler Yacht Club, der den 11,7 Meter langen 7 KR Seefahrtskreuzer "Pille VI" segelt, den sein Vater,ehemals Kommodore des KYC, 1961 bei A&R bauen liess, stellte zusammen mit dem Zahnarzt Achim Reinhardt (40) und sieben Mitgliedern aus der Region einen vielbeachteten Informationsstand auf der boot in Düsseldorf auf die Beine. Zu bewundern gab es einen 50er Seefahrtskreuzer, einen Drachen, eine Hansajolle, alle einmal bei A&R gebaut, eine Rennjolle und ein geklinkertes Dingi aus der A&R Lehrlingswerkstatt, das jeder gern gleich mitgenommen hätte. Neben Bewunderern historischer Schiffe, kamen auch Eigner auf den Stand, die nach der Geschichte ihrer alten Holzyachten forschten und oft nicht wussten, welchen yachtgeschichtlichen Schatz sie besassen. Ihnen war es ergangen wie Achim Reinhardt, der auf der Suche nach schönen Linien, sein Schiff '92 auf der Insel Poel fand, das ihm für 5000 Mark als 6,5 KR Kreuzer verkauft wurde. Durch Recherchen mit Hilfe des Freundeskreises fand er heraus, das es ein früherer 30er Nationaler Kreuzer, ein sogenanntes L-Boot, ist, der 1925 für Consul R.Joseph bei von Hacht in Hamburg unter dem Namen "Pipapo IV" gebaut wurde. Reinhardt veranstaltet am Niederrhein jetzt regelmässige Klassikertreffen, jeweils am 3.Samstag im November, Januar und März. Wie Reinhardt ist es vielen Eignern ergangen. Es sind nicht nur die schönen Linien, das unvergleichliche Material Holz, aber auch Stahl und Aluminium, ob genietet oder verschweisst, das sie an klassischen Yachten fasziniert. Es sind vor allem ihre Lebensläufe, ihre Geschichten nach denen sie in privaten Archiven von Werften und Vereinen, bei ehemaligen Eignern und nicht zuletzt in alten YACHT-Ausgaben forschen. Gesucht wird nach verlässlichen Auskünften über Konstrukteure, Bauunterlagen und Vermessungen, nach Schwesterschiffen, Fotos vom ursprünglichen Zustand und Regattaergebnislisten. Dieses Wissen schlummert irgendwo in Zeichnungen und Baubeschreibungen von Werften, in autobiographischen Aufzeichnungen und privaten Fotoalben, in Bauvorschriften von Bootsklassen, in alten Logbüchern und Regattaberichten. Aber bisher machte sich noch niemand die Mühe, diese Quellen aufzuspüren, systematisch auszuwerten und dieses Wissen elektronisch zu archivieren um es öffentlich nutzbar zu machen. Aus diesem Grund hat der Freundeskreis in Zusammenarbeit mit "Jugend in Arbeit" ein ehrgeiziges Projekt auf Stapel gelegt, das einmal das "Zentralarchiv der Yachtsportgeschichte" werden soll. In dieser Datenbank kann dann jeder Segler und Interessent per Mausklick nach Herzenslust rumsurfen, um alles über Konstruktion, Bau und Geschichte alter Yachten, Entwicklung von Rennformeln und Bootstypen, Entstehung von Vereinen und Verbänden erfahren. Dafür werten seit September '98 drei Mitarbeiter von "Jugend in Arbeit", eine Bürokraft, eine Bibliothekarin und ein Historiker, finanziert durch ABM-Mittel vom Hamburger Arbeitsamt, alte YACHT-Jahrgänge seit 1904 aus, scannen Fotos und bisher nzugängliche, handschriftliche Eintragungen aus dem Yachtregister des Deutschen-Segler-Verbandes ein. Zudem wird über die Schiffe der Mitglieder des Freundeskreises ein aktuelles "Register klassischer Yachten" geführt, dem jeder alle Informationen über sein Schiff zur Verfügung stellt, die er selbst zusammengetragen hat. Die Software dafür hat der gelernte Informatiker und Architektur-Fotograf Heiner Leiska entwickelt und als Mitglied dem Freundeskreis zur Verfügung gestellt. Damit dieses Archiv der Yachtsportgeschichte so umfassend wie möglich wird, sucht der Freundeskreis Nachlässe, historische Dokumente und Fotos leihweise, um sie, unter Wahrung der Persöhnlichkeits- und Urheberrechte, auszuwerten und in die Datenbank einscannen zu können. Auch, abzugsfähige, Spenden sind sehr willkommen, denn der weitere Ausbau mit Hard- und Software für dieses Mammutprojekt eines virtuellen Yachtsportmuseums ist äusserst kostspielig. |
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EXKURS: |
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Cherchez la femme: "Ein Schiff wird erst ein eigenes, wenn man es selbst genug gestreichelt hat". Wenn Heidrun Paulsen(41) eher leise und zurückhaltend über ihre Passion spricht, benutzt sie unbewußt die Intensivform des profanen Streichens, was sie eigentlich meint, aber nicht ihr Empfinden bei dieser Arbeit wiedergibt. Und um in diesem Bild zu bleiben, das vielleicht nur Frauen nachvollziehen können, vergleicht sie ihre lange Winterarbeit, als Mutter von zwei acht und elf Jahre alten Töchtern, mit einer Schwangerschaft. "Bindung entsteht doch erst, wenn man langsames Wachstum miterlebt hat. Kinder kann man nicht im Supermarkt kaufen." Auf eine Mahagoniyacht mit schönen Überhängen und fein ausgezogenem Spiegelheck hatte sie schon lange ein Auge geworfen. Eine 9,70 Meter lange Slaaby Larsen Konstruktion vom Typ Vampir, 1963 bei Henningsen und Steckmest gebaut, schien ihr das ideale Schiff für sich und ihre Kinder. Sie wußte, das sich ihr Eigner, der es seit 20 Jahren segelt, mit dem Gedanken trug, es zu verkaufen. Für 50.000 Mark, die sie sich von ihrer Mutter lieh, handelte sie es ihm ab. Zum Verkauf bewog ihn wohl auch, daß nach über 30 Jahren eine kostspielige Überholung notwendig war. Aufbau und Leibholz waren schwarz geworden, Leimfugen im Cockpit waren aufgegangen und unter Deck alle Holzoberflächen durch tiefe Kratzer ramponiert. Die Installation und Elektrik noch auf dem Stand von '63. Außen betrug die Lackstärke ein bis zwei Millimeter, was etwa 30 Schichten entspricht. Dann wird die Oberflächenspannung zu groß und der Lack beginnt sich mit Blasen vom Untergrund zu lösen. Viel Arbeit stand ihr bevor. Da ihr der Zutritt zur gemeinsamen Halle vor der Haustür, in der für das Schiff vom Voreigner schon ein Platz angemietet war, von ihrem Mann verwehrt wurde, mußte sie sich, 12 Kilometer entfernt, einen neuen Stellplatz suchen. Aber das hat sie erst recht motiviert. "Was ein Mann kann, kann ich doch auch." Tag für Tag, den ganzen Winter lang, entfernte sie mit Hilfe eines Heißluftföhns den alten Lack von sämtliche Außenflächen des Mahagonis. Oft bis zur völligen Erschöpfung. Offene Fugen weitete sie mit Keilen und injizierte mit Hilfe von Einwegspritzen Epoxydharz um sie neu zu verleimen. Die durch UV-Strahlen zerstörten Holzoberflächen, zog ihr ein befreundeter Bootsbauer mit einem scharfen Stecheisen ab, die sie dann mehrmals schleifte,beizte und alle sechsmal neu lackierte. Zwei Schichten mehr wären besser gewesen, aber zum Festival in Flensburg wollte sie unbedingt dabei sein. Für die Klassiker-Regatta hat sie Freunde angeheuert, denen sie gerne die Pinne überläßt, weil sie sich das Regattasegeln noch nicht zutraut. "Old ships never die, they just fade away" (alte Schiffe sterben nie, sie verblassen nur) sagt man in England, es sei denn man bringt sie um. Einem fahrlässigen Totschlag wäre beinahe "Zwerg Nase", ein 10,50 langer Seekreuzer, Typ Imperial von Ole Enderlein, 1966 auf der Adler-Werft in Schweden gebaut, zum Opfer gefallen. Im Frühjahrsstress beim Zuwasserlassen vor zwei Jahren nimmt der Kranführer einen zu dünnen Strop. Mit fatalen Folgen. Als der Mahagonirumpf auf den Beton aufschlägt bricht der Kiel durch, reißen die Planken ein und knicken die Spanten weg. Eigner Robert Volmer(50), von mentaler Lähmung befallen, mag sich nicht aufregen, "aus ist aus". Er ruft erstmal die Versicherung an. Ein Sachverständiger stellt den "konstruktiven Totalschaden" fest. Aber Volmer gibt nicht auf. "Eine Yacht wie "Zwerg Nase" läßt man nicht sterben". Mit der er eine prämierte Reise nach Schottland unternahm, Skagen Rund mitsegelte und als älteste, teilnehmende Yacht die Jubiläumsregatta des Düsseldorfer Yachtclubs gewann und damit den "Preis des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Düsseldorf". Noch auf der Überführung des Wracks von Kappeln nach Düsseldorf, in die Werkstatt des Bootsbauers Roland Fa th, der sie seit Jahren in Pflege hat, besorgen sie sich farblich passendes, abgelagertes Mahagoni beim Bootsbauholz-Spezialist Niels-Gernot Günther in Wedel und schieben die Bohlen unter den Rumpf auf den Tieflader. In zweijähriger Arbeit bolzt Fauth einen neuen Kiel unter, zieht 36 Spanten neu ein und ersetzt alle beschädigten Planken. Die Reparatur wird von der Handwerkskammer als sein Meisterstück anerkannt. Beim Flensburger Klassiker Festival feierte Robert Vollmer ausgibig "Zwerg Nases" Wiederauferstehung, 20 Jahre nach ihrem Kauf und 33 Jahre nach ihrem Stapellauf in Schweden. Nur von der dänischen "Giga" an Jahren übertroffen wurde die Grand Old Lady des Festes, die kuttergetakelte, 14,50 Meter lange "Winifred" von Edmund und Britta Beck, die letztes Jahr ihr Debut hatte. Nur zwei Jahre fehlen ihr noch am Jahrhundert-Geburtstag. 1901 hatte Charles Sibbick sie in Cowes für einen Edmund Nordheim aus Hamburg gebaut. Auch ihre Entdeckung gelang Beck nur mit Hilfe des Pfadfinders Peter König, der unermüdlich nach alten Holzschiffen sucht. Der wies ihm den Weg ins englische Devon, wo er sich im Büro von Peter Gregson durch hunderte von Fotos wühlte. Noch auf dem Weg zum ersten Objekt im Fowey River, sah er sie, vom hohen Ufer aus, an einer Muringtonne liegen und war sich sofort sicher: "Oh, Peter, that's my boat". Die Antwort von Gregson "you are crazy" war aus kaufmännischer Sicht und seiner Kenntnis um die spartanische Einrichtung dieses Schiffes, sicher nicht übertrieben. Für Ede aber, der jahrelang einen Gaffelkutter segelte und grundsätzlich nur Augen für alte Holzschiffe hatte, muß der Anblick dieser Linien und das freien Deck die Verkörperung all seiner Vorstellungen gewesen sein, die über Jahre in ihm gewachsen ist. Nach der Verkaufsabwicklung, die ablief wie eine Eheschließung in Gretna Green, segelte er seine frisch Angetraute nach Egernsund an der Flensburger Förde. In Christians Baadebyggerie stellte er sie unter ein Persenning an Land und begann erstmal ein deplaciertes Deckshaus abzureißen und das Steuerrad zu demontieren. Denn auf alten Fotos von Beken of Cowes wurde die Yacht mit einer geschmiedeten Pinne gesteuert, die er bei einem Voreigner auf dem Dachboden wiederfand. Die Inneneinrichtung, die schon früher, wie bei Rennyachten üblich, auf das Wesentlichste beschränkt war, baute er aus Altholz völlig neu. Um im Stil zu bleiben wie vor hundert Jahren, hat er alle Bücher gelesen, die darüber Auskunft geben. Schlitzte sogar die Rahmen falsch, mit durchgehenden Enden an den liegenden Holmen statt an den senkrechten, weil das die Tischler von Cowes genau so gemacht hatten. Auch Polstermuster aus dieser Zeit zu finden war nicht einfach. Drei Jahre hat er gebraucht, bis "Winifred" wieder aussah wie zu Zeiten des eingravierten Jahres auf ihrem Ruderkopf. Als Beck eine sympatische Frau kennenlernte, sind sie zu Testzwecken erstmal mit "Winifred" segeln gegangen und haben dann an Bord, weil das Zusammensein und die Manöver so gut klappten, sogar geheiratet. Am Hochzeitstag segelten sie von Flensburg nach Langballigau, nahmen dort die hochschwangere Standesbeamtin Gabi Johannsen an Bord und kreuzten mit ihr auf die Flensburger Außenförde. Dort übernahm ihr Freund und Trauzeuge Günther Wulf das Ruder während an Deck, unter geblähten Segeln, die Standesbeamtin ihre Ansprache hielt und die Ringe getauscht wurden. Nach dem offiziellen Teil mit Unterschriften im Salon, segelten sie zurück nach Flensburg, um mit der Hochzeitgesellschaft im Flensburger Hafen noch eine Runde zu drehen. |
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IN KÜRZE: |
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