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back to the roots // 7. - 27. Juli 2008

Liebhaber von Holzschiffen gehen gern der Geschichte ihrer Boote nach. Sie wollen einfach mehr wissen als Kaufpreis, Länge, Tiefgang und Kojenplätze. An erster Stelle stehen natürlich Konstrukteur und Bauwerft. Mein Schiff, eine Ohlson-Konstruktion, hat 1951 eine kleine Werft in Schweden, Bröderna Martinsson, Svineviken bei Henån auf der Insel Orust/Schweden gebaut. Rund 70 km nördlich von Göteborg gelegen, also ganz schön weit weg vom Bodensee, wo HOJWA seit 30 Jahren ihren Liegeplatz hat. Dennoch hat sich die Idee, die Geburtsstätte des Schiffes einmal zu besuchen, im Laufe der Zeit so festgesetzt, dass ich eine ernsthafte Planung erwog, und wenn schon, dann mit Boot.

Nun handelt es sich bei meinem "Liebling" um ein offenes Kielboot der Konstruktionsklasse 5.5 mIC, 9.87 m lang, 1,91 m breit, also das, was heutzutage als daysailor bezeichnet wird, ohne irgendwie geartete Wohneinrichtung und nicht gerade für offshore-Einsätze gedacht. Zudem kristallisierte sich bald heraus, dass ich mit Mitseglern kaum rechnen durfte. Und das bedeutete Einhand-Segeln. Aber die Fünf-ein-Halber halten einiges aus und meistern, wenn es drauf ankommt, auch 7 Beaufort, wenn die Welle nicht zu hoch ist.


So begann ich mein Schiff vorzubereiten: Tieferlegung des Travellers, Logge und Echolot, GPS-Kartenplotter, wegklappbarer Kartentisch, Verlegung von Fallen und Streckern ins Steuermanns-Cockpit, Reff-Einrichtung, UKW-Sprechfunk, Navtex und DWD-Wetter, eine Cockpit-Persenning zur Vermeidung übermäßigen Wasserschöpfens und viele kleine Dinge mehr. Damit das Schiff auch vorzeigbar aussehen sollte, wurde im Winter das Überwaserschiff in 6-wöchiger Schleifarbeit auf Hochglanz gebracht.

Am 7. July startete ich von Niendorf/Ostsee aus, wo ich gerade an der German Open dieser Klasse teilgenommen hatte. Über die Übernachtungshäfen Heiligenhafen, Spelsbjerg auf Langeland, Reersø, Tunø, Grenaa, Anholt, Varberg, Kullenvik, Björkö, Uddevalla erreichte ich Svineviken nach 377 nm und 11 Tagen. Ich hatte dafür wesentlich mehr Zeit eingerechnet, aber das in der Nordsee festliegende Tief bescherte mir einen ungewöhnlich lang anhaltenden SW-Wind, der mich schnell nach Norden trieb. So blieben mir lange, frustrierende Kreuzkurse erspart. Ich hatte zwar so manches Gewitter zu überstehen, aber Reff und rechtzeitiges Bergen des Groß ließen mich die nur kurzzeitigen Störungen schadlos überstehen. Ungute Gefühle befielen mich nur dann, wenn das Schiff bei 2-Meter-Welle in die Wellentäler krachte, was nicht immer zu vermeiden war. Aber da ich (fast) stets mit Landsicht navigieren konnte und ich mich nie ganz allein auf See befand, kam ein Gefühl von Angst oder Unsicherheit gar nicht erst auf.


In ehrfurchtsvoller Erinnerung wird mir der Trip von Heiligenhafen nach Spelsbjerg bleiben. Ohne Reff und raumschoots erreichte ich gelegentlich auf der Welle reitend gut 11 kts, die 42 nm legte ich in 6 Stunden zurück, im Schnitt also 7 kts. Ein Segler, den ich überholt hatte und der kurz nach mir in Spelsbjerg einlief, fragte mich, ob ich der U-Boot-Segler gewesen sei. Durch die relativ dunkle Mahaghony-Außenhaut und das nasse, grau-scheinende Teakdeck hob sich mein Rumpf kaum vom Wasser ab.


Am Ziel: HOJWA vor ihrer Geburts-Werft

So sehr mich der Wind begünstigte, nass geworden bin ich jeden Tag, ob vom Regen oder durch Gischt. Da ich ja an Bord lebte, unter der Mittel-Persenning wie in einem Zelt, wollte ich das Schiffs-Innere trocken halten. Die Cockpit-Persenning hat mir da sehr geholfen, aber beim Bergen des Groß musste ich sie öffnen, und wenn es dann regnete, war mein Schiff auch innen nass. Zum Glück wechselt das Wetter an der Küste sehr rasch. Nach einem Regen gibt es immer wieder Sonne. Die und der stetige Wind trocknen ein Holz-Schiff schnell wieder aus. Nie habe ich in einen nassen Schlafsack kriechen müssen.


Ich will nicht verhehlen, dass mich der Törn physisch belastet hat. Es ist anstrengend, jede Welle mit der Pinne aussteuern zu wollen, man sitzt stundenlang in derselben Position auf Deck und sieht das ersehnte Land nur langsam näher kommen. Die Sonne verbrennt die eine Gesichtshälfte, der Muskelkater lähmt den Pinnen-Arm, das Sitzen fällt schwer - bei einem 65-Jährigen sind die Knochen und Gelenke einfach nicht mehr so geschmeidig. Einen Mitsegler vermisst man, mit dem man sich unterhalten könnte. Ständig muss man alle Parameter unter Kontrolle halten. Wenn mir die Gischt ins Gesicht spritzte, tröstete ich mich damit, dass, wenn ich einen Regenbogen im Sprühwasser erkannte, wenigstens noch die Sonne schien.  So gesehen war auch die psychische Belastung enorm. Bewusst wurde mir die Anspannung erst, nachdem ich mein Ziel erreicht hatte: Ich segelte plötzlich unkonzentriert, vergaß die Backstagen korrekt zu bedienen und mir unterliefen navigatorische Fehler, was in den engen Schärengewässern nicht ganz ungefährlich ist. Der Knoten löste sich erst, nachdem ein Seglerfreund, Kaspar Stubenrauch, mich begleitete, plötzlich war Segeln wieder nur noch das reine Vergnügen. Dennoch sei hier allen gesagt, die Vergleichbares vorhaben: Ein solcher Törn ist ein Konglomerat aus Nostalgie, seglerischer Herausforderung und Selbstkasteiung.

Naürlich gab es auch High-Lights and Dark-Lights: Zu den Höhepunkten zählte zweifellos ein Ereignis südlich Grenaa: Ich hörte jemanden hinter mir husten. Beim Umdrehen erkannte ich mehrere Schweinswale, die abbliesen, was sich wie Husten anhörte. Aber auch die Begegnung mit Steen Martinsson (Bild) gehört dazu, dem bereits im Ruhestand befindlichen Senior der Werft, der als 11-Jähriger den Bau von HOJWA durch seinen Vater miterlebt hatte.


Enttäuscht dagegen war ich über die vielen Dickschiff-Segler, die trotz ihrer stäbigen Schiffe nur mit jeweils einem Segel (Rollgenua oder Groß) raumschoots segeln, sobald es zu kreuzen gilt, aber die Segel wegnehmen und motoren. Hatten sie Angst, dass die Kaffeetasse umfällt?  Noch eine Auffälligkeit: Die Hafengebühren werden mit den steigenden Breitengraden immer teurer. 130 SEK in Varberg, 200 SEK in Henån. Übrigens, meine Lektüre während dieses Törns beschränkte sich nicht auf Revier-Führer, Karte und Hafen-Handbuch, sondern - Kontrast muss sein - auf die hinreißende Biografie über Mary Stuart, Königin von Schottland (1542-1587), von Stefan Zweig. Auch diese Lektüre hat mir geholfen, den Belastungen standzuhalten.


Wie klein die Segler-Gemeinde ist, wurde mir durch verschiedene Begegnungen wieder einmal vorgeführt: In Björkö sprach mich ein Stegbesucher an, der sich als ersten Profi-Segler Schwedens bezeichnete. Er kannte HOJWA von früher und ihren ersten Steuermann Folke Wassén. In Henån traf ich einen Hamburger, der mir von den Jugendseglertreffen vor Louisenlund auf der Schlei berichtete. Gut möglich, dass wir uns damals schon begegnet waren. Ebenfalls in Henån identifizierte eine schwedische Seglerin HOJWA mit Kennerblick als 5.5-er. Sie habe auch einmal einen besessen: Fram II. Dieses Schiff ist nun in deutscher Hand, Rouven Rademacher, und hatte vor Niendorf gerade die Klassiker-Wertung gewonnen. Und wer HOJWA bisher nicht kannte, in den dänischen und schwedischen Häfen erregte das Schiff Aufsehen, zumal Holzboote in dieser Größenordnung dort eher selten verkehren. So ernteten wir viele bewundernde Blicke.


Schärenlandschaft vor Kungshamn/Smögen

Bericht und Fotos: Ekkehard Schlichtenhorst


Es gäbe durchaus andere passende Titel:

Ein 5.5-er als Schärenkreuzer (ich will damit nicht die Schärenkreuzer-Gemeinde desavouieren, die gerade ihren 100-sten Geburtstag feiert, aber tatsächlich habe ich viele Schären durchkreuzt)

Durch 7 Brücken musst Du durch (tatsächlich habe ich 7 Brücken unterquert: Fehmarnsundbrücke, Grosser-Belt-Brücke, Brücke nach Marstrand, Svanesund-Brücke, Autobahnbrücke bei Uddevalla, Nötesund-Brücke nördlich HenŒn, Brücke nördlich Bassholmen)



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