Pressespiegel


"Diven zur See"

Marc Bielefeld, 2008

Historische Segelyachten sind Träume aus Holz.
Kein anderes Meeresvehikel vermag es so zu begeistern wie die seegehenden Schönheiten aus alten Tagen. In jahrelanger Arbeit restaurieren Eigner marode Boote. Fräsen, schleifen und lackieren. Ans Tageslicht kommen Schätze. Kunst unter Segeln. Das ist die Geschichte eines merkwürdigen Phänomens. Sie erzählt von Leidenschaft und Hingabe, von Wiederbelebung und von Holz und einem fürchterlichen Schimpfwort - und vom Meer.

Der Mann mit dem zerknautschten Gesicht steht vor seinem Boot. Seine Hände sehen wie Arbeiterhände aus und seine Augen leuchten, der Blick scheint seltsam abwesend. Er will nicht, dass sein Name genannt wird. Schließlich ginge es doch nicht um ihn, sondern allein um die Sache. "Sie verstehen doch, oder?" Worte, sagt er, könnten ohnehin niemals zum Ausdruck bringen, worum es hier ginge.
Der Mann trägt kurze Hosen, ein schwarzer Stoppelbart dekoriert sein Kinn, die Haare ein struppiges Chaos. Zögernd gestattet er den Zugang zu seiner Welt. "Wenn Sie das Schiff betreten wollen, müssen Sie barfuß gehen."
Das Schiff, das kein fremder Schuh betreten soll, ist klein, acht Meter lang, zwei Meter breit. Es besitzt nur eine kleine Kajüte, zwei schmale Kojen. Doch es verströmt eine gewisse Magie, Noblesse trifft es nicht, wäre zu wenig, denn selbst, wer nichts, absolut nichts von solchen Schiffen versteht, wird den Blick nicht von diesem Boot lösen können. Gut möglich, dass es ein verträumter, ein liebevoller oder zärtlicher Blick ist, in dem Sehnsucht mitschwingt. Das Schiff könnte aus einem Film sein. Es wäre sogar durchaus denkbar, dass Humphrey Bogart und Lauren Bacall gerade Sex in der kleinen Kajüte haben und gleich, unmittelbar danach, in weißen Hüten und weißen Hosen barfuß auf dem Achterdeck sitzen, einen eiskalten Drink nehmen und lächeln.
Sieben Jahre hat der Mann an dem Boot gearbeitet, sieben lange Jahre hat er geschliffen, gehobelt und genietet, geleimt und gekittet, gewienert und gelitten. Daher die Arbeiterhände.
Monatelang hat er unter dem Boot gekniet, ist ihn ihm herumgekrochen. Er hat in den Wintern bei minus fünf Grad genagelt und Planken ausgetauscht, hat mit Zugschabern und Schwanenhalsklingen aus Edelstahl hartnäckige Lackreste entfernt. Geduldig hat er die neuen Bullaugen aus Mahagoni gefräst, und weil Maschinen fürchterlich grob arbeiten, fräste und feilte er die Bullaugen von Hand. Immer wieder neu. Vier, fünf Versuche waren nötig, bis sie endlich so aussahen wie die alten echten, damals, aus dem Jahr 1936.
An dem Schiff stimmt alles. Die kleine runde Baumnock aus Messing, der Gusspoller aus Bronze am Bug, das handgeschmiedete jib hank, zu Deutsch: der Lögelschäkel, feuerverzinkt, sündhaft teuer. Das Schiff, müßig dies zu erwähnen, ist makellos lackiert. Die Bacall könnte die Kajütwände bequem als Schminkspiegel benutzen. Leicht könnte man allein ein, zwei, drei Stunden über die Wahl des richtigen Lacks reden, über die optimale Verarbeitungstemperatur und über den Winkel, in dem man den Schaumpinsel zu halten hat, um nach zwanzig, dreißig Lackschichten das beste aller denkbaren Finishs zu erzielen. Denn genau dies ist das Resultat. Darum wohl auch das seltsame Leuchten im Blick.
Der Mann hat einen Teil seines Lebens in dem Schiff gelassen, seine Kraft, seine Sorge, womöglich Leib und Seele, sind in sieben Jahren des peniblen, minutiösen, wahnwitzigen Restaurierens eins geworden mit dem Segelschiff, und das Schiff ist Teil von ihm, eine merkwürdige Symbiose, die nur begreift, wer so einem Schiff gegenübersteht oder barfuß seine Planken unter den Füßen spürt.
Mensch und Schiff sind eins. Masten, Rümpfe, und Nieten, Lippklampen und Kielschweine, das ganze Schiff. Das ist viel mehr als nur eine Handschrift, die einer hinterlässt. So ein Schiff hat eine Seele. Niemand, der es sieht, niemand, der seine Geschichte kennt, wird daran zweifeln. Aber die Eingeweihten reden nicht darüber. Wozu auch. Es ist so. Jeder weiß es. Die Bootsbauerin Kirsten Dubs erklärt das Phänomen so: "In jedem Boot, an dem du ein, zwei Jahre gearbeitet hast, steckt anschließend ein Stück von dir drin, das du nicht mehr aus ihm herausbekommst. "
Der Mann mit dem zerknautschten Gesicht steht noch immer vor seinem Schiff, in Kontemplation. Dann wendet er sich ab und geht eine Pizza essen.


Vor Laboe

An diesem Augusttag herrscht in dem kleinen Ort Laboe bei Kiel nicht gerade das, was man Sahnewetter nennen möchte. Aus Südwest ziehen kriegsschiffsgraue Wolkenberge über die Förde und schießen Niesel, Regen, Hagel ab, der Himmel wechselt von grau zu schwarz. Doch solches Wetter schreckt sie nicht, hat es noch nie getan. Das gehört dazu. Und so sind sie fast alle gekommen, die Eigner, die Restaurateure, die Holzwürmer, die Mannschaften, die Vernarrten, kurz: all jene, die alte Segelschiffe aus Holz mehr achten und lieben als so ziemlich alles andere.
Über hundert Boote haben sich in dem alten Fischerhafen von Laboe eingefunden, kleine, große, sehr große. Ein Gewirr aus hölzernen Masten stakst in den Himmel, Taue und Tampen zieren das Bild, Rümpfe und Teakdecks liegen längsseits und dicht gedrängt. Noch dümpeln sie alle im Hafen, kreuz und quer vertäut, doch morgen wird die Regatta stattfinden, natürlich wird sie stattfinden, das ist man der Historie der Seefahrt schuldig. Die Alten sind bei solchem Wette; früher in Wollpullis und Teerjacken rausgefahren.
Bei den "German Classics" trifft sich an diesem Wochenende der Freundeskreis Klassische Yachten, und man könnte durchaus sagen, dass dies eine rare Party seegehender Diven ist, ein Adelstreffen zeitlos schöner, betagter und erhabener Segelschiffe. Oder auch: Seegehendes Holz, welches nie eleganter und gleichzeitig zweckmäßiger, graziler und zugleich funktionstüchtiger verarbeitet wurde. Vielleicht ist es genau das, was diese Schiffe ausmacht: eine seltene Symbiose von Schönheit und Funktion, Form und Effizienz, Anmut und Seetauglichkeit.
Seit einigen Jahren ist wieder Leben in die Kreise der Holzbootversessenen gekommen. Sicher, es mag ja sein, dass sich einige Leute an historischen Porsches, hochpolierten Bugattis oder ähnlichen Pretiosen delektieren, mit Harleys über die Landstraße oder mit Doppeldeckern durch die Lüfte knattern. Doch alle diese Oldtimer sind salzlose Kost, atmen nicht den unergründlichen Zauber der See.
Er nimmt sie gefangen, die Liebhaber der alten Boote, die zunehmend an der Küste auftauchen, sie entdecken halb verrottete Wracks in vergessenen Scheunen, nehmen sich ein bis zwei Herzen und blasen teilweise so viel Geld in ein Restaurierungsprojekt, dass man damit problemlos ein Frontgrundstück an der Hamburger Außenalster kaufen könnte.
Das Resultat solcher Unterfangen sind segelnde Unverschämtheiten. Schlanke, schöne Schiffe der alten Schule, die jede moderne America's-Cup-Yacht zu einem vulgären Karbonhaufen degradieren. Bunte Sponsorenlogos auf den Segeln? Mit Schriftzügen zugeklebte Bootsrümpfe? Eigner alter Holzschiffe würden sich lieber im Skagerrak ersäufen.
Unten im Bauch der Kreuzeryacht "Artemis", gemütlich auf die Polster eines Schiffssalons gestreckt, denkt Bernhard Hauer, 57, gerade über eine Frage nach. Die Frage: Was macht den Reiz klassischer Yachten am Ende aus? Hauer trägt einen Longjohn aus blauem Fleece, er segelt, seit er sechs Jahre alt war, besitzt sämtliche Hochseesegelscheine, er ist ein unaufgeregter Mann, der große Worte meidet wie fast alle hier, aber dann setzt er doch an.
Es ist die Atmosphäre. Holzschiffe leben nun mal, sie erzählen einem etwas, eine Geschichte, ja, so könnte man es wohl so sagen. Und sie riechen. Irgendwann riechen sie herrlich nach Teer und Farbe und Leinöl, und außerdem kann man besser auf ihnen schlafen. Eine Seele? Natürlich haben diese Schiffe eine Seele!
Bis hierher hat er das Schimpfwort noch vermieden, aber dann kommt es doch. Es ist dieses eine ekelhafte, beinahe unaussprechliche Wort - "Plastik"! Holzbootbesitzer benutzen dieses Wort in verschiedenen Variationen, aber meist im selben Kontext. So nennen sie moderne Gfk- Yachten wahlweise Plastikeimer, Yoghurtbecher oder Wohnwagen zur See, und so manchem Epoxyskipper wehte schon der Ruf hinterher, er segele auf einer schaukelnden Imbissbude durch die Gegend. Hauer wartet einen Moment, auch er hat seine Variation parat, und dann kommt es kurz und trocken.
"Plastikboote schwitzen", sagt er. "Wenn die Sonne scheint, fangen sie von innen an zu transpirieren."
Hauer ist in den letzten fünf Jahren so etwas wie ein Projektleiter geworden, und er sitzt nicht auf irgendeinem Schiff. Er sitzt auf einem der größten Wiederbelebungsprojekte der letzten zwanzig Jahre. Die "Artemis": 37 Meter lang, Großmasthöhe 31 Meter, Segelfläche am Wind knapp 500 Quadratmeter, über 100 Tonnen. Ein weitgehend hölzernes, betörendes, frisch renoviertes Ungeheuer, das heute wieder mit über elf Knoten durchs Meer rauscht.

Versuche, derartige Riesen aus der Vergangenheit wieder flott zu kriegen, sind nicht ganz einfach und in der Regel Abenteuer. Zunächst will so ein altes Schiff erst einmal gefunden, danach seine Geschichte recherchiert werden. Die "Artemis" wurde 1900 auf der Werft Summer & Payne am Itchen River gebaut, segelte gegen die Yacht des deutschen Kaisers. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Boot in der Themse als Ballonschiff eingesetzt, wobei an Stahlseilen gefesselte Ballons von Deck aufstiegen, um heranrasende deutsche Flieger zu irritieren, im besten Falle zum Absturz zu bringen. Ohne Frage ein geschichtsträchtiges Schiff. Ein Sahnestück.
Nach dem Krieg jedoch verkam die "Artemis", mutierte zu einem entmasteten und kiellosen Hausboot, welches die letzten Jahre von einer Mrs. Bentley, der britischen Witwe eines Austernkellerbesitzers, bewohnt wurde. Das Schiff darbte 47 Jahre lang mit blätternder Farbe und in erbarmungswürdigem Zustand im Modder des Black Water River nördlich der Themsemündung vor sich hin.

Dann die Wiederbelebung. Die Hamburger Stiftung Maritim ergatterte das Wrack, man grub eine fünfzig Meter lange Rinne, um es aus dem Schlick zu ziehen, erst dann folgte der nächste Schritt: die Restaurierung, neben dem Segeln die eigentliche Königsdisziplin, um die es hier geht. Das Sanieren solcher Schiffe ist oft teurer und komplizierter als einen Neubau auf Kiel zu legen, die Originalrisse und alten Zeichnungen sind meist verschollen. Und spätestens hier sind wir beim Kern des Phänomens: Es geht nicht ohne Leidenschaft. Denn nicht Glaube versetzt Berge. Wahre Liebe zu alten Schiffen schon.

Allein schafft das niemand. Über 170 Leute arbeiten an dem 108 Jahre alten Anachronismus, fünf kapitale Eichen gehen in den Rumpf, Deck und Aufbauten verschlingen sechs Bäume Khaya-Mahagoni und drei Fuhren Oregon-Pine. Sie brauchen zwölf Jahre, dann ist es so weit.
Im Jahr 2008 segelt die "Artemis" wieder. Das Magazin "Yacht" schreibt von der "Göttlichen", von einer "Nautiquität", von einer "rassigen Schönheit" und einem "Segelerlebnis der Extraklasse". Die Segelszene hat das Sanierungsprojekt jahrelang mit roten Bäckchen der Begeisterung verfolgt. Beim Klassikertreffen in Kiel ist die "Artemis" die Queen unter den Beauties, das Vorzeigeschiff.
Einige prominente Gäste, darunter auch Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, werden den Kreuzer irgendwann betreten dürfen. Ihr Blick wird das Schiff betätscheln, ihre Hände das eine oder andere Messingteil befühlen, und dabei werden sie vielleicht etwas von dem Geheimnis solcher Schiffe spüren, das der dänische Bootbauer Aage Walsted 1963 als eine Art geistige Bauanleitung formulierte:
Es ist wichtig, sich bei der Arbeit auch auf kleinste Details zu konzentrieren, und zwar in solchen Maße, dass man mit dem Resultat nicht zufrieden ist, sondern dass man dabei Stolz empfindet.


"Artemis" in Öl, H. Bodendieck

Über die Kieler Förde schieben an diesem Tag noch immer wasserspeiende Wolken, und der Tag morgen, der Regattatag, soll noch schlimmer werden. Doch die Schiffe liegen bereit. Klassische Schönheiten wie die "Heti", die "Südwind", die "Thea", die "Vanity". Der amerikanische Bootsbauer Lance Lee bemerkte einmal: "Es gibt Kunst, Bilder, die an der Wand hängen, es gibt Skulpturen, Theater und Ballett. Aber es gibt auch eine superbe Tradition der funktionalen Kunst; Objekte, die nicht nur angebetet, sondern auch benutzt werden."

Darum geht es. Um das Erbe der maritimen Kultur seefahrender Völker, um die lebendige Geschichte des Schiffbaus, um den Erhalt, die Restaurierung, aber eben vor allem auch - um den Betrieb teuflisch schöner Schiffe. Festgehalten ist diese Grundsatzerklärung in der Charta von Barcelona, beschlossen vom IV. European Maritime Heritage Congress.
Zum Kreis der Menschen, die solche Gedanken bewegen, gehört auch Oliver Berking, Chef der traditionsreichen, 1874 gegründeten Silbermanufaktur Robbe & Berking in Flensburg. Bestecke und Tafelgeräte mit der Punzierung R & B gelten unter Kennern als Meisterwerke der Tischkultur, aber es gibt noch eine andere Vorliebe, um die sich Oliver Berking mit Hingabe kümmert.
Berking ist Segler. Lange segelte er auf einem kleinen Folkeboot. Doch eines Tages, es geschah während eines Holzbootfestivals im norwegischen Risör, fiel sein Blick auf eine 8mR- Yacht. "Als ich dieses Schiff sah", erzählt Berking, "war es um mich geschehen. Von da an habe ich mich langsam da reingesteigert. "
Die 8mR-Yacht zählt zur sogenannten Meterklasse, wobei die Acht absolut nichts mit der Länge des Boots zu tun hat. Vielmehr werden diese Segelschiffe nach einer komplizierten Formel berechnet, bei der am Ende in diesem Fall eine Acht herauskommt.

Boote der Meterklasse sind eine Kategorie für sich. Sie gleichen Holzpfeilen mit Segeln, pure Kunst, Designobjekte, denen es nicht genügt, schön zu sein und Regatten zu gewinnen, sondern denen es gelingt, nun ja, die meisten anderen Boote um sie herum wie Brauereipferde aussehen zu lassen. Berking besorgte sich ein solches Gerät und war sehr, sehr glücklich. Doch dann bekam er Wind von einer kuriosen Auktion, gleich bei ihm um die Ecke.
Die Marine wollte eines ihrer alten Ausbildungsschiffe loswerden, und zwar kein anderes als den berühmten Marinezwölfer "Ostwind". Ebenfalls Meterklasse. Allerdings eine der größten, die es noch gibt. Legende. Berking konnte fortan nicht mehr ruhig schlafen. Berking gab gemeinsam mit Freunden ein Gebot ab, bei gut 170.000 Euro bekamen sie den Zuschlag - und dazu eine komplett rotte, schimmelige, 21,48 Meter lange, 26 Tonnen schwere und nahezu seeuntaugliche Holzleiche.
Das war der Anfang. Berking baute eine eigene kleine Werfthalle, scharte Freunde und Experten um sich, ein kleines, eingespieltes Team, das die Reste des hölzernen Rennsauriers, der 1939 auf der Bremer Werft Abeking & Rasmussen vom Stapel lief, in Angriff nahm. Die Wiederbelebung brauchte zwei Jahre. SechzehnStunden- Tage ohne Ende. Eines dieser irrwitzigen Restaurierungsprojekte schonungsloser Perfektion. Berking schlief noch weniger als sonst, die Details, die lieben Details. Endlich, im Frühjahr 2008, glitt die spiegelglatt und nachtblau lackierte alte neue Rennyacht geräuschlos in die Flensburger Förde. Das Schiff trägt heute wieder seinen Originalnamen. Der Name passt. "Sphinx".
Unter blonden, windzerzausten Augenbrauen ruht der Blick auf seiner Yacht. Berking steht am Steg, steigt von vorne über den Bug auf seine neue Yacht, geht mit ausgreifenden Schritten über das schier endlose, frisch duftende, millimetergenau verlegte Teakdeck.
Die "Sphinx" ist völlig schnörkellos und rank, besitzt keine Maschine, keinen Diesel, das wäre Verrat am historischen Vorbild und an der Tradition. Weil ein echter Segler selbst ein 20-Meter-Schiff ohne Hilfsmotor aus dem Hafen hinaus - und auch wieder hineinsegeln kann. Eine Frage der Ehre. Das Schiff ist innen kahl, acht Rohrkojen, eine
spartanische Seetoilette, ein zweiflammiger Spirituskocher, das ist alles. Die "Sphinx" ist kein britischer Teesalon, sondern soll Regatten gewinnen; bei einer Zwölfer- WM wurde sie auf Anhieb Dritte. Die klassische Rennyacht wird mit bis zu 15 Mann Besatzung gesegelt, besitzt weit über 200 Quadratmeter Segelfläche, einen Mast, der an den Wolken kratzt, und eine Ausstrahlung, die bei Seglern ein leichtes bis mäßiges Ziehen im Brustkasten verursacht.
Oliver Berking ist ein ruhiger, bescheidener Mann. Er sitzt im Cockpit und hält die Pinne, ein prüfender Blick zur Mastspitze. Ist er dem Zauber der "Sphinx" verfallen? "Alte Holzboote sind, neben meiner Familie und dem Silber, eines meiner Lebensthemen. Natürlich redet man darüber. Abends beim Bier unterhalten meine Freunde und ich uns eigentlich nur über Holzyachten." Ein bewegendes Thema: "Irgendwie beginnt mein Herz bei Holzyachten zu schlagen."
Viel mehr sagt er dazu nicht. Viel mehr muss er dazu auch nicht sagen.


12mR "Heti"

Samstag. Der Tag der Regatta. Über Kiel hängt der Himmel in Fetzen, es gießt. Um elf Uhr morgens fahren die ersten Yachten raus, ein Bild wie ein Ölschinken. Weiße Segel vor graphitgrauem Himmel, kleine und große Genuas blähen sich im Wind, die Wellen schlagen dunkel an die Rümpfe. Eingemummt und in Kapuzen hantieren die Segler auf den Booten, ziehen das Tuch empor, kauern sich zum Trimm auf die Luvkanten der Schiffe. Die Boote krängen, legen sich mit zwanzig, dreißig Grad auf die Seite und ziehen mit acht, neun, zehn Knoten auf die Ostsee hinaus. Das erste Startfeld dehnt sich, löst sich auf. Weiße und braune, ungemein geschmeidige Rümpfe schneiden durchs Wasser, immer weiter, die Segel helle Tupfer in der grauen Suppe.

Und nun, zum Schluss, kommt das Meer ins Spiel, das an diesem Tag schaumlüstern grollt, sich erhebt und senkt, hier und da blitzt es silbrig auf, in ewiger Bewegung, es schwappt und schwabbelt, zieht sich wie ein lebendes, pulsierendes schiefermattes Relief bis zum Horizont. Das Bild prägt sich ein, berührt etwas. Und erst, wenn man eine Weile hingeschaut hat, begreift man, was den Reiz dieser Boote letzten Endes wirklich ausmacht.
Neben den stählernen Frachtern und Containerklötzen, neben den Fähren, Motorbooten und klobigen Plastikyachten gelingt diesen Booten, was all die anderen niemals schaffen. Die alten Segelschiffe aus den Wäldern beleidigen das Meer nicht. Sie schmücken es.

YACHTSAISON IM INTERNET

Bilder, Projekte und viele schöne Schiffe. Auf der Internetseite des "Freundeskreis Klassische Yachten" können sich Interessierte rund ums Thema informieren Regatten und Restaurierung. Rat für den Bootskauf, aktuelle Verkaufs- und Charterangebote sowie die Adressen der besten Bootsbauer.
Hier wird auch die Aktion "Rettet die Klassiker" beschrieben, restaurierungswürdige Projekte aufgenommen und alte Schiffe an neue Eigner oder Stiftungen vermittelt, die sie wieder flott machen. Die Website: www.fky.org

Fotos: U. Sommerwerck, D. Stöhr, Archiv


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