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Mast- und Schotbruch zu wörtlich genommen


Foto: Rolex / Daniel Forster

Rolex Baltic Week 2011 - Donnerstag 30.6.
Pressemitteilung

Eine kräftige Brise und Böen bis an die Grenze des Segelbaren bestimmten am Donnerstag (30. Juni) den zweiten Tag der Rolex Baltic Week auf der Flensburger Förde. In Windstößen bis zu 28 Knoten, das ist Stärke sechs bis sieben, hielten nicht alle Crews und Yachten der Robbe & Berking Weltmeisterschaften in der 8mR- und 12mR-Klasse den Belastungen stand. Am härtesten erwischte es den Achter „Svanevit“ von Karsten Niehus aus Köln, bei dem zuerst das Achterstag und in der Folge der Mast brach. Weitere Materialschäden und Segelverluste sorgten zudem für Gesprächsstoff im Hafen. Auch sportlich gab es reichlich Diskussionen, die bis in den Abend bei einigen Protestverhandlungen fortgesetzt wurden. An der Spitze des Zwölfer-Feldes behauptete sich mit zwei zweiten Rängen die dänischen „Vanity V“ von Patrick Howaldt vor Wilfried Beecks „Trivia“ aus Kiel. Bei den Achtern setzte die „Hollandia“ von Ruud van Hilst und Jos Fruytier (Niederlande) ihre eindrucksvolle Erfolgsserie fort.

Obwohl Patrick Howaldt am Abend noch auf seine Protestverhandlung warten musste, war er mit dem Regattatag zufrieden. „Das waren fantastische Rennen mit spektakulären Situationen. Ein Luvkampf auf dem Vorwindkurs, den wir uns mit der ,Trivia‘ und der ,Anitra‘ geliefert haben, hat allerdings auch zum Protest geführt. Zweimal Platz zwei im Ziel war aber top“, sagte der Eigner, der auch mit Problemen zu kämpfen hatte: „Einmal mussten wir den Spinnaker fliegen lassen, haben ihn aber wieder einholen können. Und unsere Genua ist am Achterliek eingerissen. Damit müssen wir zum Segelmacher.“

Und der bekam noch viel mehr Arbeit. Auf der Flensburger „Sphinx“ riss die große Blase beim letzten Vorwindgang ganz aus den Lieken. Zum Sieg im Abschlussrennen des Tages reichte es dennoch für die nachtblaue Yacht, und so konnte Steuermann Guy Ribadeau Dumas am Ende des Tages strahlen: „Im ersten Rennen hatten wir mit der großen Genua noch etwas Probleme, hatten zu viel Druck auf dem Ruder. Im zweiten Rennen haben wir dann aber die richtige Einstellung gefunden und hatten mächtig Spaß auf dem Wasser.“

Andere Crews hatten dagegen mehr zu kämpfen. Die norwegische „Vema III“ zog es vor, nach einer Wettfahrt in den Hafen zu fahren, da die junge gemischte Crew noch unerfahren ist. Zudem wollte man den historischen Holzmast nicht zu sehr belasten. Auch die „Evaine“ aus Kiel machte frühzeitig im Hafen fest. Die Crew um Skipper Georg Kierspel hatte den Spinnaker verloren, dessen Schot sich auch noch in der Schraube eines Motorboots verfing, das ein Stück mitgezogen wurde, was eine heftige Konfusion auf dem Wasser auslöste. Der Spi musste am Fall gekappt und von einem anderen Motorboot geborgen werden.

Viel Arbeit gab es auch auf den kleineren Achtern. Auf der „Gefion“ brach in einer Halse das Backbord-Backstag. „Wir mussten sehr schnell reagieren, um nicht auch noch den Mast zu verlieren. Jetzt müssen wir sehen, ob wir die WM noch weitersegeln können. Die Bedingungen sollen leider ja nicht besser werden“, sagte Steuermann Ronald Palm (USA). Für Freitag und Sonnabend wurden noch heftigere Böen vorhergesagt. Noch viel schlimmer traf es die „Svanevit“, für die die WM definitiv beendet ist. „Auf Vorwindkurs ist uns das Achterstag gebrochen, das hat der Mast nicht ausgehalten“, berichtete Eigner Karsten Niehus.

Ganz in ihrem Element war dagegen die „Raven“ von Richard Self und Mark Decelles. Die Crew der kanadischen Yacht hatte sich zur Rolex Baltic Week kräftige Winde gewünscht und steuerte das Schiff nun trotz dessen hohen Alters von 73 Jahren zu einem dritten und einem vierten Rang. Das Schiff arbeite wie die Mannschaft einwandfrei, hieß es aus dem Team. Damit hat die „Raven“ lediglich drei Achter nach moderner Bauart vor sich.

Ganz vorn beeindruckt die „Hollandia“, die unter den Experten bisher vor allem als Leichtwind-Schiff bekannt war, nun aber auch im starken Wind des zweiten Tages einen Tagessieg und einen zweiten Platz einfuhr. „In der Vergangenheit hatten wir bei viel Wind einige Probleme mit dem Material. Jetzt lief alles einwandfrei. Außerdem haben wir flachere Segel gefahren und etwas umgetrimmt, damit waren wir sehr schnell unterwegs“, freute sich Steuermann Tim van Rootselaar. Die „Hollandia“ hat bereits 2005 den WM-Titel eingefahren und hat sich nun erneut in die Favoritenrolle vor der „Lafayette“ von Murdoch McKillop (Großbritannien) und der „YQuem II“ von Jean Fabre (Schweiz) geschoben.


Fotos: Rolex / Daniel Forster:


Catina VI (SUI 1)
Catina VI (SUI 1), 1936, 8mR, Fred Meyer (Vandoeuvre, Switzerland)


Elfe II (GER H 9)
Elfe II (GER H 9), 1912, 8mR, Andi Lochbrunner (Lindau, Germany)


Anne Sophie (GER 15)
Anne Sophie (GER 15), 1938, 8mR, Hanns-Georg Klein (Munich, Germany) Carron (K 2), 1934, 8mR, Morten Tenvig (Oslo, Norway)


Catina VI (SUI 1)
Catina VI (SUI 1), 1936, 8mR, Fred Meyer (Vandoeuvre, Switzerland)


Heti (E 3)
Heti (E 3), 1912, 12mR, Freunde der SY Heti (Hamburg, Germany)


Vema III (N 11)
Vema III (N 11), 1933, 12mR, Skipsrederiet Vema III AS/Eric Svenkerud (Oslo, Norway)


Trivia (GER 10) & Vanity V (K 5)
Trivia (GER 10), 1937, 12mR, Wilfried Beeck (Hamburg, Germany) Vanity V (K 5), 1936, 12mR, Patrick Howaldt (Copenhagen, Denmark)


Vanity V (K 5)
Vanity V (K 5), 1936, 12mR, Patrick Howaldt (Copenhagen, Denmark)


Erna Signe (E 8)
Erna Signe (E 8), 1911, 12mR, Framnæs AS (Sandefjord, Norway)


Sira (NOR 33)
Sira (NOR 33), 1938, 8mR, HM King Harald V of Norway (Oslo, Norway)


Wanda (N 38) & Delphis (A 4)
Wanda (N 38), 1937, 8mR, Magne Brekke (Snaroya, Norway) Delphis (A 4), 1930, 8mR, Daniel Sielecki (Buenos Aires, Argentina)


Hintergrund: Die 1906 entstandene und 1907 vom frisch gegründeten Weltverband IYRU übernommene mR-Formel für Yachten hat sich im Laufe der Jahrzehnte mehrmals verändert. Das erste Regelwerk (first rule) galt bis 1919, die zweite Version von 1919 bis 1934 und die darauf folgende dritte Formel hat noch bis heute Gültigkeit. In ihr fließen die Bootslänge, die wenige Zentimeter oberhalb der Wasserlinie gemessen wird, die Höhe der Bordwand, die Segelfläche und das Designmerkmal der Spantenform ein.

Um den frühen mR-Yachten, die noch nicht die Möglichkeiten des heutigen Bootsbaus und der aktuellen Materialien nutzen konnten, im Feld der modernen Yachten eine annähernde Chance zu geben, wurde eine Art „Vergütung“ beschlossen, so dass die historischen Yachten, die vor 1965 gebaut wurden, einen leicht erhöhten Rennwert aufweisen dürfen. So ist das Rating der Achter für die modernen Schiffe maximal 8,000, das der älteren Schiffe 8,07. Damit haben sie die Chance, etwas größere Segel zu tragen oder eine längere Wasserlinie aufzuweisen, was bisweilen durch das im Alter wachsende Rumpfgewicht und das damit tiefer einsinkende Schiff ohnehin passiert.

Gleichwohl bestimmen die neuen Yachten in der Regel das Geschehen an der Spitze der Regatten. Die historischen Schiffe messen sich zur Weltmeisterschaft der Achter derweil in gesonderten Wertungen wie dem Sira-Cup für Yachten mit einem Design vor 1960 oder der Neptune-Trophy (Design zwischen 1921 und 1950 und historische Bauvorschriften). Entscheidend ist dabei nicht das tatsächliche Baujahr, sondern dass die Yachten nach den historischen Plänen gebaut sind. Denn seit einigen Jahren beleben nach historischen Plänen gefertigte Repliken die Szene der klassischen Achter neu. Sie werden wie ihre Vorbilder gewertet. Zur Rolex Baltic Week können dadurch die beiden jüngsten Yachtbauten auch um den Sira-Cup mitsegeln.

Die „Aun“ von Yutaka Kobayashi (Japan) ist genauso alt wie der jüngste moderne Achter im WM-Feld. Dennoch gehört sie zu den klassischen Achtern. Bereits 1940 hatte Johan Anker das Schiff gezeichnet, gebaut wurde sie allerdings nie, zumindest bis der Sekretär der Achter-Vereinigung, John Lammerts van Bueren, die Pläne in einem Museum entdeckte und schließlich Kobayashi von der Idee begeisterte, die Yacht originalgetreu nachzubauen. Vor sechs Jahren wurde aus dem Plan Realität, und seitdem erfreut sich die japanische Crew am Spaß auf dem Achter.

Gar zwei Jahre jünger als die „Aun“ ist die russische „Astra II“ von Alexey Rusetsky. Sie entstand nach Plänen des schwedischen Designers Tore Holm von 1946. Es ist die zweite Yacht nach diesem Riss, nachdem zuvor die schwedische „Birgit“ gebaut wurde. Die Rumpfform der „Astra II“ entspricht exakt den Holm-Visionen, lediglich im Innenausbau wurden die Zeichnungen etwas modifiziert. Nicht ohne Stolz erklärt Eigner Rusetsky, dass die „Astra II“ der erste Achter seit 1970 in Russland ist und erst der fünfte überhaupt sei. Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft ist für das Team aus St. Petersburg, das im Sommer vorrangig in Helsinki an internen Regatten teilnimmt, der Höhepunkt der Saison.

Die russische Crew lebt dabei die besondere Tradition der Achter nach. Denn der Schiffstyp galt seit jeher nicht nur als Regattaschiff, das den Achtern zwischen 1908 und 1936 den Olympiastatus einbrachte, sondern auch als Fahrtenboot. Auf eigenem Kiel sollte es ehemals von Regatta zu Regatta reisen. Und so haben es auch Rusetsky und seine Crew getan, die von Helsinki zur Rolex Baltic Week nach Flensburg gesegelt sind. Damit folgen sie dem Beispiel von Peter Wilson, der mit der roten „If“ (Großbritannien) seit jeher unter Segeln zu den Regatten anreist und entsprechend auch in diesem Jahr wieder den Weg von der britischen Insel nach Flensburg auf sich genommen hat.


Zwischenstand nach vier Wettfahrten

12mR

1. Vanity V, Patrick Howaldt (Dänemark), 1-1-2-2, 6
2. Trivia, Wilfried Beeck (Hamburg), 3-2-1-3, 9
3. Sphinx, Gorm Gondesen/Jochen Frank (Flensburg), 2-3-4-1, 10
4. Anitra, Josef Martin (Radolfzell), 4-4-3-4, 15
5. Vema III, Eric Svenkerud (Norwegen), 6-5-5-DNF, 27
6. Erna Signe, Einar Sissner (Norwegen), 7-7-7-6, 27

8mR

1. Hollandia, Ruud van Hilst/Jos Fruytier (Niederlande), 1-1-1-2, 5
2. Lafayette, Murdoch McKillop (Großbritannien), 2-4-2-1, 9
3. YQuem II, Jean Fabre (Schweiz), 3-2-4-3, 12
4. Raven, Richard Self/Mark Decelles (Kanada), 5-3-3-4, 15
5. Catina VI, Fred Meyer (Schweiz), 7-7-9-6, 29
6. Sagitta, Timo Saalasti (Finnland), 11-12-8-5, 36
7. Feo, Hans-Peter Strepp (Heikendorf), 9-14-7-7, 37


Bericht und viele weitere Fotos, Mittwoch, 29.6.

Bericht und viele weietere Fotos, Dienstag, 28.6.



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