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„segeln, lieben, bewahren“

Die seit ein paar Jahren anlässlich der "Hanseboot" verliehene Plakette „segeln, lieben, bewahren“ wurde in diesem Jahr gegeben an
Joachim Ruppert, J-Jolle „Kimm Scho“, und an Manfred Jacob, J-Jolle „Woge“.


von rechts: M. Jacob, T. Conradi, J. Ruppert (Foto: A. Sylvester)

Aus der Laudatio von Torsten Conradi, Präsident des deutschen Boots- und Schiffbauerverbandes:

100 Jahre nationale Rennjolle

Es ist ein mächtiges Jubiläum, auf das die J Jolle in diesem Jahr zurücksehen kann:
1909 - Das Jollensegeln gilt als ein „Feld seniler Betätigung“, um das sich verschiedene regionale Organisationen, vor allem in und um Berlin kümmern, wo mit einer nahegelegenen Seenlandschaft ein ideales Revier vorhanden ist.
Und in Berlin macht der Deutsche Segler-Verband, der sich vor allem dem Seesegeln zugewandt hatte, auf seinem 19. ordentlichen Seglertag einen großen Schritt nach vorn. Auf Antrag Hamburger Segler wird die Schaffung einer nationalen Jollenklasse beschlossen, mit der endlich auch internationale Wettfahrten ausgetragen werden können.
Ein epochales Ereignis in mehrfacher Hinsicht: Natürlich, weil hier eine Entwicklung losgetreten wird, die verschiedene und erfolgreiche Jollenklassen hervorbringt.
Aber auch, weil mit einer Formel, die nur wenige Grenzmaße enthält, eine Konstruktionsklasse geschaffen wird, die sich schon bald zum Tummelplatz der besten Konstrukteure entwickelt.
Altmeister Reinhard Drewitz (der später zum wohl bekanntesten deutschen Jollen- und Jollenkreuzerkonstrukteur avancieren sollte), Dr. Richard Lohmann, Arthur Tiller – um nur einige zu nennen.

Die Güte der Formel zeigt sich auch darin, daß in den folgenden Jahren nur wenig an ihr „herumgedocktert“ werden muß. Der Übergang vom anfänglichen Klinkerbau zur Karweel-Beplankung ist der wohl einschneidende Wendepunkt.
Länge + Breite max. 7,80 m,
Mindestbreite 1,70 m
Segelfläche maximal 22 qm
sind wesentliche Eckwerte der Klasse, die seit Einführung der Segelzeichen im Jahr 1917 das große „J“ (sprich „i“) in „Steinschrift“ im Segel führt.

Nicht nur die Konstrukteure waren von den Möglichkeiten des Bootes angetan, sondern vor allem die Segler haben sich sehr schnell seiner auf eine Weise angenommen, dass es schon bald zum „High-tech-Gerät“ seiner Zeit aufsteigt. Prof. Dornier, der legendäre Dr. Manfred Curry, Peter Bischoff, Drewitz – um auch hier nur einige zu nennen, kämpfen in der übertakelten und sensiblen J-Jolle um die vorderen Plätze, ohne Mannschaft und Material zu schonen.
Große Wettfahrten werden in der J-Jolle ausgetragen, die in den Jahren vor dem II. Weltkrieg zweifellos die wichtigste Regatta- Jollenklasse in Mitteleuropa repräsentiert. Regatten um den „deutschen Jollenmeister“, mit internationaler Beteiligung. Die „Yacht“ druckt mehrseitige Berichte über den genauen Verlauf dieser Veranstaltungen, auch das kleinste Detail nicht vergessend. Verschiedene Situationen, Taktiken, die Boote und ihre Mannschaften werden kommentiert und mit akribischer Genauigkeit der Nachwelt erhalten.
Eine atemberaubende Entwicklung, die so richtig erst zu enden scheint, als die J-Jolle 1949 zur Altersklasse erklärt wird. Und doch lebt sie weiter mit den ersten Einsichten, daß es ein Gebot der Stunde ist, die wenigen überlebten Boote zu erhalten.
Das runde Jubiläum hat die J-Jolle dieses Jahr seglerisch auf Berliner Gewässern begangen. Wir erinnern uns: Der Seglertag 1909 in Berlin, die Initiative der Hamburger Segler. Mit dieser Ausstellung hier in Hamburg schließt sich der Kreis.

Wir blicken hier auf vier Exponate, die vom J-Jollen-Virus infizierte Hamburger Segler bereitgestellt haben. Zwei Boote zeigen den noch vor ihnen liegenden mühsamen, aber hoch interessanten Weg der Restaurierung auf, der nicht nur handwerkliches Geschick fordert, sondern auch beharrliches und zielstrebiges Quellenstudium, um die kulturhistorisch bedeutsame Geschichte des eigenen Bootes aufzuarbeiten. Ohne Kenntnis der Geschichte wird es „nur“ ein altes Boot bleiben. Erst mit ihr wächst es zum Besonderen heran.


Zwei Boote stehen hier, die am Ende dieses Weges sind:

Zum einen die über 50 Jahre alte „moderne“ J 4 „Kimm Scho“. Mit diesem Boot begann 1978 am Chiemsee aus einer Mischung aus Zufall und Mitleid heraus die heutige Geschichte der J-Jollen-Klasse.
Das Boot gehört zu den wenigen Neubauten nach dem II. Weltkrieg. Das alte Register war in den Kriegswirren verschwunden und so wurde einfach wieder von vorn an gezählt, nur daß die Nummer jetzt unterstrichen wurde. Daß die J-Jolle mit dem Beschluß zur Altersklasse nicht ins Museum verbannt wurde, ist an diesem Boot sehr gut zu sehen: Es ist der alte Rumpf, die alte Gaffeltakelung, aber in Bezug auf Ausstattung und seglerischer Möglichkeit auf der Höhe unserer Zeit.

Die „Woge“ ist da schon etwas älter, über 85 Jahre alt. Sie ist heute als Tourenschiff erhalten, gleichwohl mit ihr seinerzeit ernsthaft gekämpft wurde: immerhin hat dieses Boot 1937 das „Blaue Band der Niederelbe“ souverän gewonnen. Mit den hier ausgestellten Baumwoll-Segeln und der heute ganz seltenen Gabelpinne, die sich in der Rückschau beinahe wie ein lange währender Konstruktionsfehler anmutet, nimmt die „Woge“ uns auf eine Reise in die Hochzeit der J-Jollen ein kleines Stückchen mit.

Mit der vom Hamburger Künstler Hinnerk Bodendieck gestalteten Plakette „Segeln, Lieben, Bewahren“ soll der Erhalt historisch wichtiger Exemplare des maritimen Erbes gewürdigt werden. Eine abstufende Wertung dieser beiden auf ihre individuelle Weise gut erhaltenen und kulturhistorisch wertvollen Boote kann ihnen nicht gerecht werden. Daher hat der Freundeskreis klassische Yachten beschlossen, in diesem Jahr beiden Eignern die Plakette zu vergeben."



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