Freundeskreis Klassische Yachten

Der Klassiker-Rennwert - Die KLR-Formel
Entwickelt 1994 von Enno Thyen, Freundeskreis Klassische Yachten - Stand 1999

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klr-formel.gif (3987 Byte)
L = Länge ü.A. • B = Breite • T = Tiefgang (mit Schwert) • S = Segelfläche nach der Formel: Großsegel effektiv + 100% Vorsegel (I x J/2), nicht die vermessene Segelfläche! • V = Verdrängung in t • LWL = Länge Wasserlinie • cb = Faktor Lateralplan (0,97 für Kielschwert, 1,02 für separate Ruder und Flossenkiele) • r = Riggfaktor (0,95 für Gaffel, 0,97 Spreizgaffel, bis zu 1,05 für moderne und HighTech-Riggs)
Am Start einer heute durchgeführten Wettfahrt für klassische Kielyachten, Schwertboote und Jollen sollten alle Teilnehmer die gleichen Chancen haben. Also müssen die Veranstalter der verschiedensten Klassiker-Regatten durch ein einheitliches System in die Lage versetzt werden, bei der Auswertung der auf den Bahnen gesegelten Zeiten möglichst gerechte Ergebnisse zu produzieren.
Das Ergebnis einer Wettfahrt sollte im Idealfall durch die folgenden Faktoren bestimmt werden: 1. seglerisches Können; das bedeutet Bootstrimm, Manövertechnik und Taktik (manchmal auch ein wenig Glück), 2. Zustand der Yacht; das bedeutet Rigg- und Gewichtstrimm, Segelmaterial und Trimmöglichkeiten. Zusätzlich wird das Ergebnis zwangsläufig von den jeweiligen Wind- und Seegangsverhältnissen, zum Teil auch von den zu segelnden Kursen beeinflußt; jede Yacht hat bekanntlich Stärken und Schwächen... .
Nicht auswirken auf die Chancen einer Yacht sollte sich das absolute Geschwindigkeitspotential, der Konstruktionstyp (schwerer Seekreuzer oder Leicht-Deplacement) und die Frage, wie gut eine Yacht in irgend eine Formel „hineinkonstruiert“ wurde. Dieser Anspruch ist sicher nicht leicht zu erfüllen. Im Mittelpunkt aller bisherigen Überlegungen zu diesem Thema stand deshalb die Frage, welches denn das geeignetste Handicap- System „für uns“ wäre.
Um nicht das Rad neu erfinden zu müssen, schauten wir zunächst, was „die anderen“ denn machen - schließlich gibt es ja nicht nur den Freundeskreis. Dazu im folgenden eine kleine Zusammenstellung (,die nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erhebt,) verschiedener bekannter und auch weniger bekannter Systeme:

1) Yardstick: Allseits bekannt, findet unter anderem Anwendung im Berliner Raum und auf den süddeutschen Seen. Ich halte Yardstick für die Klassiker für wenig geeignet, da vor allem die Ersteinstufung der so unterschiedlichen Schiffe (sehr viele Einzelbauten, kaum ein Schiff ist wie das andere) immer sehr willkürlich sein muß. Die Einstufung berücksichtigt im wesentlichen, wie das Schiff (bisher) gesegelt wurde. Oft hat man als Grundlage dabei nur die Angaben des Eigners. Bei diesem rein empirischen System würden wir sehr lange brauchen, um den richtigen Wert zu finden. Viele Yachten nehmen nur an einer Wettfahrt im Jahr teil und jedes Mal ist anderes Wetter. Yardstick bietet sich dort an, wo größere Gruppen von gut vergleichbaren Schiffen häufiger Regatta segeln, wie eben zum Beispiel am Bodensee. Von den Nationalen Kreuzern, Schärenkreuzern oder mR- Booten liegt eine große Zahl gut vergleichbarer Regattaergebnisse vor. Allerdings könnten solche Yardstickwerte nicht ohne weiteres auf unsere Reviere übertragen werden. Fazit: Weitersuchen !

2) IMS: Erwähnung nur der Vollständigkeit halber. IMS ist sicher ein gutes System, weil es sehr genau das Geschwindigkeitspotential einer Yacht auf verschiedenen Kursen unter verschiedenen Windbedingungen erfaßt. Der große und nicht schluckbare Haken sind allerdings die hohen Vermessungskosten (ca. 1.000,- bis über 2.000,-, je nach Aufwand) und der Umstand, daß selbstverständlich von niemandem verlangt werden kann, sein Schiff vermessen lassen zu müssen. Ähnliches gilt für Dansk Handicap (Auch bei DH muss jedes Schiff individuell vermessen werden, insgesamt sind die Kosten hier aber geringer.). Von der Freundeskreisflotte sind keine 5 % der Schiffe IMS- vermessen. Völlig nutzlos ist IMS allerdings nicht, gibt es doch durch die wenigen vermessenen Yachten (Marine-Zwölfer, Alraune, 11 KR Lydia, 10 KR Milan usw.) Überprüfungsmöglichkeiten....auch bei DH muss jedes Schiff individuell vermessen werden einschließlich der Segel.... Insgesamt sind die Kosten hierfür aber deutlich geringer als bei IMS...

3) Handicapformel der Italienischen Klassiker- Vereinigung: Aus dem umfangreichen Textmaterial (natürlich in Landessprache), das man Wilfried Horns freundlicherweise vor einiger Zeit zugesandt hatte, läßt sich soviel entnehmen: es handelt sich um ein Vermessungssystem, d.h., daß tatsächlich bei jeder einzustufenden Yacht durch einen Vermesser „Maß genommen“ werden muß, und zwar nicht einfach die banalen Daten wie Länge, Breite, Tiefgang, sondern auch (in Richtung der alten KR- Formel) kompliziertere Maße, wie etwa die Länge in einer ganz bestimmten Höhe des Rumpfes. Wegen des Aufwandes kam dieses System nicht in Frage, allerdings zeigt der Grundgedanke, nämlich die Heranziehung konkreter Grundlagen, in die richtige Richtung.

4) Holländische Formel: Hier wird aus Länge, Breite und Segelfläche ein „Rennwert“ errechnet. Für die ersten Veteranenregatten (bis 1993) wurde die holländische Formel benutzt; die Erfahrungen zeigten, daß diese zwar angenehm einfache Formel nur unterhalb recht ähnlicher Schiffe brauchbare, sprich vergleichbare Ergebnisse brachte. Als besonders krasses Beispiel dafür, daß sogar innerhalb einer Startgruppe starke Schieflagen entstehen konnten, können die beiden 6 mR- Yachten „Sleipnir“ und „Pacific Highway“ herangezogen werden: Nach der Formel mußte der überdies modifizierte Sechser aus den dreißiger Jahren dem rasenden Känguruh noch Zeit vergüten. Es gab viele andere Beispiele, weshalb man sich ab 1994 von der holländischen Formel trennte. Problematisch war außerdem, daß bei Berücksichtigung von nur drei Größen der Rennwert extrem von der Richtigkeit der Angaben abhing. Was ist z.B. die Segelfläche? - die vermessene, die tatsächliche, die bei 3-4 Bft. gerade noch tragbare oder die der guten Seemannschaft (lieber die kleine Fock) ?

Wenn man versucht, aus allen hier genannten Systemen die jeweils besten Ansätze herauszuholen und für den Freundeskreis und dessen Veranstaltungen nutzbar zu machen, kommt am Ende eben KLR heraus!
Aus Italien und Holland stammt der Ansatz, Schiffsdaten zur Grundlage einer (ersten) Einstufung zu machen, und zwar ein Mittelweg aus beiden Ländern: Nicht vermessen, sondern den Angaben vertrauen und andererseits zusätzliche Berücksichtigung von Wasserlinienlänge, Verdrängung und Tiefgang sowie eine genauere Erfassung der Segelflächen. Außerdem gibt es Korrekturfaktoren für Riggtyp und Lateralplan.
Von Yardstick übernimmt man die Möglichkeit, ermittelte Werte nach Vorliegen von Ergebnissen nach oben oder unten zu korrigieren, wenn deutlich geworden ist, daß das Abschneiden einer Yacht weniger vom seglerischen Können, als von einem „falschen“ KLR- Wert abhängt. IMS und DH schließlich dienen, wie schon erwähnt, als Kontrollmöglichkeit und können bei der Ersteinstufung hilfreich sein, ein vorhandener Meßbrief vorausgesetzt.
Die bisherigen Ergebnisse von Wettfahrten auf der Elbe, in Flensburg oder vor Laboe zeigen, daß die „Trefferquote“ von KLR so schlecht nicht ist. Wenn aber Schiffe weit vorne waren, die man dort ganz spontan nicht erwartet hätte und manchmal waren andere weniger weit vorne, die dort (aus unerfindlichen Gründen) eher erwartet worden wären, stellte sich nach genauerem Hinsehen dabei meistens heraus, daß das so schon in Ordnung war. Ausnahmen bestätigen , wie immer, auch hier die Regel.
Karikatur aus den 50ern: KR-Vermesser nach Nordseewoche
Es bleibt zu hoffen, daß niemand ernsthaft verärgert werde, ein möglichst gerechtes Vergütungssystem, das auf die Besonderheiten unserer Flotte zugeschnitten ist, aufzubauen, zu erproben und zu etablieren.