REGATTA

Eine Seereise - oder vom Wandern auf dem Bodensee

Foto: Sylvie Schneider

Während der fünfjährigen Restaurie-rungsphase meines 16er Jollenkreuzers “BleuMarine” hatte ich immer wieder den Gedanken „Eines Tages wirst Du mit “BleuMarine” über den Bodensee ,wandern’ “ oder auch „einmal an der Bodensee Traditionswoche teilnehmen- das wäre schön“. Ein L-Boot Segler aus Oberhausen hatte beim Wintertreffen in Düsseldorf vor zwei Jahren so geschwärmt von der Traditionswoche und nun war es so weit: in meinem diesjährigen Urlaub würde ich endlich beides umsetzen können.
Allerdings fehlten zwei Wochen vor Start nicht nur einige wesentliche Teile des Innenausbaus – wie die Bänke – viel schlimmer: das Boot war undicht. Welch ein Schreck! Aber das kennt ja wahrscheinlich jeder, zum Schluss wird’s immer eng.

Ende Juli startete ich in Lindau-Zech Richtung Konstanz, dem Startort der Traditionswoche. Das hieß, ich musste fast einmal komplett über den See. Die erste Nacht lagen wir in Langenargen. Für den nächsten Tag waren 4-6 Bft. angesagt und die auch noch aus der schlechtesten Richtung, WNW, also Konstanz. Als wir ablegten, strahlte die Sonne vom Himmel und bei 2 Bft. dümpelten die Segler auf dem See und gingen lieber schwimmen, als nach der besten Segelstellung Ausschau zu halten. Ich hoffte schon, dass der Wetterbericht sich geirrt hätte, beschloss aber trotzdem, möglichst schnell auf die schweizer Seite und damit in Landabdeckung zu kommen. Dies Vorhaben schien auch erst zu klappen. Aber als wir mitten auf dem See waren, schlug das Wetter - für den Bodensee nicht untypisch - von jetzt auf gleich um. Es blies mit den angekündigten 4-6 Bft und innerhalb kürzester Zeit hatte sich ein Welle von 1m aufgebaut. Für meinen 16er Jollie die erste große Herausforderung seit seiner Restaurie-rung. Ganz wohl war mir nicht, zumal ich die Reaktionen bzw. Geräusche meines Bootes noch nicht so genau kannte. Aber was blieb mir übrig? Ich war mitten auf dem See und so ging es weiter gen Konstanz. Nicht nur moralische Unterstützung erhielt ich dabei netterweise von meinem Vater, der kurzfristig für den ursprünglich eingeplanten Vorschoter für die Tour eingesprungen war. Abends waren wir dann endlich in Konstanz. Etwas müde und reichlich nass, aber das Bild, das sich uns bot, machte alles wieder wett. 50 Oldtimer lagen einträchtig neben-, vor-, fast ineinander. Man hatte einen Fähranleger für uns geräumt und mit uns Oldies „gefüllt“. So ergab sich ein Päckchen von den Ausmaßen 5-6 x 6-7. Nein, nicht Meter, Boote! Alle hatten über die Toppen geflaggt (wie auch in allen anderen noch folgenden Häfen) und auch der abends wieder einsetzende heftige Regen konnte der guten Stimmung keinen Abbruch tun.

Montagmorgen 7:00 Uhr: ein Schuss!
Ich schrak hoch: „Was ist das?“ So machte ich Bekanntschaft mit einer etwas eigenwilligen Tradition dieser Woche: jeden Morgen wird zum Wek-ken nicht gepfiffen oder eine Glocke geläutet, sondern geschossen.
Der nächste Schuss fiel dann zum Regattastart und es ging von Konstanz an der Blumeninsel Mainau vorbei nach Überlingen. Leider schlief der schwache Wind mehr und mehr ein. Immerhin konnten wir den 2. Platz belegen; den 2. derer, die nicht im Zeitlimit ins Ziel gekommen waren. Das Start-/Zielboot wartete aber geduldig auch nach Ablauf des Limits, bis der letzte Segler die Linie passiert hatte, und das konnte in der gesamten Woche manchmal ganz schön lange dauern. Nicht umsonst erhielt es den Preis für „das geduldigste Schiff“.
Apropos Schiff: das Regattafeld reichte von der BM-Jolle bis zum 80er See-fahrtskreuzer. Den größten Anteil hatten die Jollenkreuzer und die L-Boote.

Am nächsten Tag ging es weiter nach Unter-Uhldingen. Ich, bisher Revier unkundig, durfte, musste die Erfahrung machen, dass es im Überlinger Teil des Bodensees Strömungen gibt, die ganz schön hinderlich sein können, zumal bei 0-1 Bft. So lagen ein 20er Jollenkreuzer, ein 16er Jollenkreuzer und ein Folkeboot einträchtig beieinander und mal „spülte“ es den einen nach vorne und mal den anderen. Aber weit abgeschlagen vom Hauptfeld und da war ja auch noch das Zeitlimit...
Beschluss: Abmeldung bei der Regattaleitung: „Wir gehen baden!“

Mittwochmorgen: Auf dem Programm steht Unter-Uhldingen -> Meersburg. Nach Möglichkeit mit Up and Downs. Es gab Neuigkeiten: Sollten wir ursprünglich in Meersburg zwei verschiedene Häfen anlaufen, so hatte der Hafenmeister des Yachtclubs den Ehrgeiz entwickelt, uns doch alle in einen Hafen „zu packen“ . Einzige Bedingung: „Ihr dürft erst um vier kommen“. Kein Problem, denn an diesem Tag gab es endlich mal ein wenig mehr Wind. Es konnten zwei Wettfahrten gesegelt werden. Keine Viertelstunde nach Abschuss ging dem Wind die Puste aus und wir bildeten Schleppverbände, um überhaupt alle nach Meersburg zu kommen, um dort abends eine Weinprobe in der Haltnau zu genießen. Leider war dem Wirt entgangen, dass er donnerstags Ruhetag hat und so stand unser Frühstück auf dem Spiel. Aber auch hierfür hatte der bereits erwähnte Hafenmeister eine Lösung: „Frühstück für 60 Leut; kein Problem. Und wer an Bord frühstücken will, bekommt die Brötchen ans Boot.“ Das nennen wir Service!

Die gute Stimmung wurde am nächsten Morgen durch den Wetterbericht und den Blick zum Himmel gedämpft. Starkwindwarnung und Böen bis zu 40 Knoten. Als Etappe war die Langstrecke Meersburg -> Bodmann geplant. Was tun? Die L-Boote beschlossen einstimmig so wie ein paar andere Teilnehmer, lieber in Meersburg zu bleiben. Der Rest ging raus und segelte entweder die Regatta mit bzw. motorte oder ließ sich nach Bodman schleppen. Sicherheit ging einfach vor. Alle hatten Glück. Das Wetter kam nicht wie angesagt und man fand sich in Bodmann in einem Gewirr von Booten und Mooringleinen wieder. Einige Ver- und Endknotungen gab es beim An- wie Ablegen. Mir blieb dies Gott sei Dank erspart, aber dafür hatten wir eine kleine Turn-/Kletterpartie, um an Land zu kommen. Aber Segeln soll ja Sport sein. Zur Begrüßung durch den Grafen von Bodmann und dem folgenden „italienischen Abend“ waren alle Segler wieder vereint. Die „Meersburger“ hatten kurzer Hand einen Bus organisiert und waren an Land nachgekommen.

Bodmann -> Dingelsdorf war dann auch schon die letzte Etappe der Traditionswoche. Der Wind war uns gnädig und blies ein wenig, so dass das Zeitlimit dieses Mal für uns nicht zum KO-Kriterium wurde.
Fast eine Woche waren wir in dieser „Karawane auf dem Wasser“ unterwegs. Da war die Vorstellung, sich zu verabschieden und alleine weiter zu segeln, etwas ungewohnt.

Wir folgten einer netten Einladung des Startschiffes, zu dem sich eine spontane deutsch-schweizerische Freundschaft entwickelt hatte, in den Yachtclub nach Kreuzlingen zum „Grillieren“, wie die Schweizer sagen. Der Club wurde 1920 gegründet und ist damit der älteste Segelclub am Schweizer Ufer des Bodensees. Das Clubhaus steht direkt am Wasser, die Terrasse sogar ein wenig darüber, und ist ein gemütliches Holz-haus. Im Innern hängen überall die Wimpel befreundeter Clubs, so auch seit August unser Wimpel des FKY.

Die folgende Etappe für „BleuMarine“ und „La Licorne“ P1, die extra aus dem Rheinland gekommen waren, sollte Arborn sein. Trotz guten Willens und Ausharrens ließ uns der Wind im Stich und mal wieder musste der Motor ran, um ans geplante Ziel zu kommen. Dort wurden wir dafür mit einem hervorragenden Abendessen im „Roten Kreuz“ unter Kastanien belohnt. Und meine Petroleumlampe erhielt vom Barmann das bereits seit einer Woche fehlende Lampenöl. Mal ein anderer Cocktail, muss er sich gedacht haben.
Der Plan des nächsten Tages hieß: früh raus, gefrühstückt wird auf dem Wasser, dann haben wir eine Chance auf die Morgenbrise. Und genauso war’s. Der See war noch spiegelglatt, eine leichte Thermik und keine Motorboote, deren Wellen auch noch das letzte bisschen Fahrt aus dem Boot nähmen. Das Glück hielt aber nur die Hälfte der Strecke nach Langenargen, also wieder Motor an. Meine zwischenzeitliche Meuterei „Ich will segeln, ich bin doch kein Motorboot“ half uns leider wenig. Wieder am deutschen Ufer konnten wir unseren Mitseglern in Nonnenhorn ein typisches „Rädle“ (anderen bekannt unter Besenwirtschaft) zeigen und den hauseigenen Tropfen genießen.
Der folgende Tag sollte dann auch schon den Abschluss dieser Reise bilden und führte uns über Kressbronn zurück nach Lindau.
Das Wetter war uns gewogen, bis wir im Hafen waren und festgemacht hatten. Aber dann fing es an, aus Kübeln nicht nur zu regnen, eher zu schütten. Wie gut, dass wir nicht mehr „auf See“ waren.

Mein Fazit: Es waren wunderschöne Tage, auch wenn das Wetter nicht immer mitspielte. Die Bodensee Traditionswoche war ein tolles Erlebnis und ich danke an dieser Stelle auch noch mal allen „guten Geistern“ an Land und dem Wasser, die sich dafür eingesetzt haben, dass wir als Teilnehmer die Tage genießen konnten. Für das Wetter sind ja bekanntlich nicht die Veranstalter zuständig.
Wer auf dem Bodensee segeln will, sollte Zeit mitbringen oder einen gut gefüllten Benzintank.
Mein Entschluss steht fest: eine solche Seereise werde ich wiederholen, aber nur mit einem definierten Anfang und Ende. Das „Dazwischen“ wird sich finden. Dann komm ich hoffentlich mehr zum Segeln als zum Motoren.

Text & Fotos: Sylvie Schneider



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