REGATTA

Klassiker Regatten 2007 in Laboe

Foto: pep

Prickelnd wie Prosecco...
Special: Jubiläumsfeier 100 Jahre Abeking & Rasmussen

Es gibt Momente, an denen alles passt. Die jeder gern festhalten möchte. So schön. So spannend. So bunt und reichhaltig. So schwer wie guter Wein – so prickelnd wie Prosecco. Für die meisten der mehr als 600 teilnehmenden Segler waren die Tage der Klassiker-Regatten in Laboe voller solcher Momente. Und sicher nicht nur, weil eben jener Prosecco eisgekühlt am eigenen Schiff serviert wurde und das dreitägige Fest der klassischen Yachten in diesem Jahr auch sonst mit Highlights gespickt war: 100 Jahre A & R, die feierliche Wiedergeburt der lang verschollenen „Hamburg“, der frei geworfene Palstek des Ministerpräsidenten, der eigentlich gekommen war, um das erste „Blaue Band“ des Landes zu verleihen, das zentimetergenaue Einparken des traditionellen Salondampfers „Stadt Kiel“, das gigantische Dreigängemenü für 500 Gäste oder einfach der spätabendliche „Chill“ (gemütliches Ausklingen-Lassen eines erfüllten Tages, Anm. der Red.) im Lounge-Zelt...

200 Boote lagen in den Laboer Hafenbecken. Darunter 80 Schiffe, die bei A&R gebaut wurden – allein 19 Hansajollen und etwa 20 KR-Yachten. Auch die „Großen“ waren nach jahrelanger Abstinenz wieder nach Laboe gekommen: stattliche Schiffe wie Senta, Atalanta, Südwind, Heti und Asgard brachten auch das Seh-publikum zum Staunen und füllten die Liegeplätze an der Mole. Manch Teilnehmer kam gleich mit zwei oder gar drei Schiffen zum Fest (der Beweis, dass sich eine wunderhübsche kleine Gig hinter einem außenborderbetriebenen Jolli von Hamburg aus die Elbe hoch und durch den NO-Kanal einhand bugsieren lässt, ist erbracht!), andere hatten den langen Weg per Trailer über die Autobahn von Berlin oder den südlichen Seen nicht gescheut. Laboe 2007 hatte sich zum „must have“ im klassischen Lager herumgesprochen. Die Veranstaltung würde gut besucht sein, war sich das Organisations-Team um Arnulf Dahm und Wilfried Horns schon vor dem Sommer sicher. Dann wurde es „ziemlich voll“ - eine Art Reminiszenz an die ersten Jahre der damaligen „Vete-ranen-Regatta“, doch erst in den letzten Tagen vor Festbeginn war klar: Neben die Freude über solch zahlreiche Meldungen gesellt sich eine erste Alarmstufe. Das sowieso schon riesige Festzelt wurde nochmals erweitert, die Laboer Hafenmeister kamen gehörig ins Schwitzen, um auch die letzten Dauerlieger aus dem alten Hafenbecken hinaus zu komplimentieren, die Anzahl der Kran-Anfragen und der Umfang des Büffets hatten sich mittlerweile verdoppelt...

Ein rauschendes Fest konnte beginnen. Bereits am Mittwochabend zog ein Teil der Holzbootflotte im Alten Hafen ein. Pünktlich zum A&R-Empfang am Donnerstag waren die Liegeplätze bereits vergeben. Am Freitag wurden dann gemütliche Päckchen gepackt. Die Wettervorhersage lag mit „so la la“ im Trend dieser Saison – die spätsommerliche Horizontgrundierung wechselte glücklicherweise nicht ins frühherbst-liche Fröstel- und Schauerwetter und hielt für den zweiten Regattatag dann sogar das sprichwörtliche Kaiserwetter parat.

100 Jahre: A&R gab sich die Ehre

Im eigens ausgestatteten Ausstellungszelt ließ sich die Werftgeschichte nachempfinden - doch die äußerst lebendige Faszination der Yachten mit den prägnanten Pfeilen am Bug manifestierte sich auf einer atembe-raubenden Fotostrecke im Festzelt. Die abgebildeten Yachten waren keine Unbekannten - lagen doch einige von ihnen ebenso gut „in Schuss“ wie auf den historischen Bildern nur wenige Meter entfernt im Laboer Hafen. Sie haben längst Yachtsportgeschichte geschrieben und wurden wie gute alte Freunde wieder erkannt - Erinnerungen an große Zeiten des Yachtbaus. A&R-Juniorchef Hans Schaedla war selbst mit der dunkelblauen “Indigo” am Start und lud zunächst zum Empfang auf die eigens gecharterte „Stadt Kiel“, der Fördestadt ältestes Passagier-und Salonschiff. Die Gespräche an Bord drehten sich nicht nur um den just beendeten Urlaubs-törn, sondern vorausschauend um das geheimnisvoll schwarze schmale Schiff, das hübsch geschmückt noch eben neben der „Stadt Kiel“ einen Platz gefunden hatte. Das muss wohl die „Hamburg“ sein, jener 6er, den Henry Rasmussen 1927 auf Kiel legen ließ, um endlich wettbewerbsfähig zu sein im internationalen Regattageschehen dieser Zeit. Ein eher sagenumwobenes Schiff, das 1940 in den Wirren der politischen Geschichte verloren ging und absolut zufällig ausgerechnet von Rasmussens Enkel Andreas Krause 1997 als hölzerner Schrotthaufen wiederentdeckt worden war. Und jetzt das: „Was für ein Schiff!“ staunten die Segelfreunde beim Anblick des nach nur einjähriger Totalrestaurierung in der Krause-Werft jungfräulich zu Wasser gelassenen Schmuckstücks. Übrigens, sie ist nicht schwarz. Eher ein dunkles Aubergine, das in der Sonne elegant schimmert. Knud Heinert, in der klassischen Yacht-Szene seit vielen Jahren zu Hause, ist seit einem Jahr ihr neuer Eigner. Und es scheint so, als ob die „Hamburg“ es nicht besser hätte treffen können. So gaben Heinerts Kinder Michel (9) und Ida (5) die Auflassung, tauften „ihr“ neues Schiff und wünschten ihm das ganze Glück für sein neues Leben. „Ich hoffe, meinen Kindern damit das Andere, das Innere des Segelns nahe zu bringen,“ so Knud Heinert bei seiner sehr persönlichen Taufansprache. Er wünsche sich für seinen Nachwuchs ein tieferes Verständnis fürs Segeln als „die Erziehung im Opti – allein am Start – gleich weg – und an der Tonne durchsetzen!“ Der erfahrene Segler, der eigentlich „komplett überbootet“ ist mit seiner „Stella“, einem ebenso großzügigen wie gemütlichen „Fami-lienschiff“, dem schnellen „finnischen Qualitätsboot aus Plastik“ und Michels Opti, ist sich bewusst, das er ein wichtiges Stück des yachthistorischen Kulturgutes gerettet hat. Mit ganzem Herzen, denn: „Wir liegen neben einer neuen X-35 mit viel Regatta-Ambitionen. Ihre Familie hat sehr viel Spaß mit dem Boot – wir haben Freude. Vielleicht macht das den Unterschied“.

Weiter gings an diesem Abend im Festzelt. Hinter den Kulissen liefen die Vorbereitungen seit den Morgenstunden auf Hochtouren. Galt es doch 500 Gäste mit einem Drei-Gänge-Menü am Büffet glücklich zu machen. Die Caterer-Profis Familie Prey und ihr Team vom benachbarten Restaurant „Baltic Bay“ ließen denn auch keine kulinarischen Wünsche offen. Kompliment! A&R hatte die Segler eingeladen und Hans Schaedla ließ in seinen Begrüßungsworten ein wenig einblicken in die Geschichte und die Zukunft seiner berühmten Werft. Musikalische petit fous wurden zwischendurch und äußerst stilvoll von vier eleganten Herren im Smoking dargeboten. Die Kieler A Capella – Gruppe „Quartett Komplett“ hatte sich pointiert arrangierte Songs und Hits aus den 20ern ausgewählt – passend zum Geburtstags-anlass. Das großartige A&R-Fest fand auf der „Stadt Kiel“ beim sehr späten Sundowner einen würdigen Abschluss – was für ein Auftakt für die kommenden Regatta-Tage!

Sonne und viel Wind - Ein schneller Auftakt

Die Fotografen schauten glücklich nach oben. Sonne, Wolken, typischer Nordhimmel, herrliches Licht. Dazu eine steife Brise – beste Bedingungen. Für die Regattaleitung, die in diesem Jahr erstmals das Profiteam um Marcus Boehlich übernommen hatte, stellte sich die Situation etwas anders dar. Winddreher von mehr als 30 Prozent und böiger Wind machen die Auslegung bereits eines Kurses schwierig. In der Strander Bucht wurden jedoch gleich zwei Strecken benötigt. Die 16 teilnehmenden Crews der 5.5er GO waren vermutlich besonders „heiß“ auf ihren ersten Start... Das eingespielte Team traf dann auch spürsicher die richtige Entscheidung. Die geplanten zwei Wettfahrten wurden auf einen Durchlauf gekürzt. Der Dreieckskurs geriet auch so noch immer zu einem äußerst sportlichen Segelereignis.

Im Hafen erwarteten dann jazzige Klänge aus dem Saxophon der Hamburger Musikerin Petra Thelen und eine eisgekühlte Flasche Prosecco, gestiftet von den Versicherern Wehring & Wolfes, die einlaufenden Crews. Zeit zum Schnack, Treffen vieler alter Freunde und zum Schließen neuer Bekanntschaften. Die „Compasrose“ feierte ihr ganz privates Jubiläum. Iris und Ulli David hatten stilvoll zum 40ten ihrer 7KR Kreuzeryacht an Bord geladen. Der Festplatz wurde entdeckt, mitsamt dem auch im zweiten Jahr gut besuchten Kunstzelt zum Thema „Maritime Kunst heute“, dem neu geschaffenen Refugium des Lounge-Zeltes, dem Regatta-Büro, das sich schnell als Treffpunkt etablierte und den hochwertigen Angeboten in den Zelten mit maritimer Bekleidung.

Als publikumswirksamer Mittelpunkt thronte die „Windsbraut“, der Mahagoni-Achter von Wilfried Beeck, selbst mit seiner „Trivia“ auf der Klassiker-Tour im Mittelmeer unterwegs, inmitten des Festgeschehens. Besondere Magie ging bis zur mitternächtlichen Stunde von dem perfekten Varnish des Holzrumpfes aus, der sanft angestrahlt, kostbar über den Festplatz schimmerte, und so sah man zuweilen des nachts einen einzelnen Segler bewundernd und träumend unter dem zur See hin aufragenden Bug. Die Windsbraut bildete denn auch an diesem Abend die perfekte Kulisse für die Verleihung des Restaurierungspreises und den unterhaltsamen Auftritt des schleswig-holsteinischen Landesfürsten Peter Harry Carstensen. Die Entscheidung sei der Fach-Jury äußerst schwer gefallen, resümierte Moderator Jan Lohrengel bei der Vorstellung der vier „absolut tollen“ Bewerber für den Restaurierungspreis des FKY (siehe S. 38 in diesem Heft). Doch auch hier kann es nur einen geben: In diesem Fall „Rasmus“, den Lesern des KLASSIKERs bereits durch die ausführliche Berichterstattung über die Restaurierungszeit bestens vertraut. Der riesige Applaus galt dann sicher allen Bewerbern und kam von kundiger Seite, wohlwissend, wie viel Anstrengung, Kosten und Überlegung eine solche Restaurierung erfordert.

Peter Harry Carstensen hatte sich bereits vor der Sommerpause etwas ganz Besonderes überlegt: Ein „Blaues Band“ nicht etwa für die schnellste Yacht oder das first ship home, sondern für besondere Leistungen im maritimen Bereich. Traditionsbewusst sollte das erste „Blaue Band“ denn auch an die klassischen Yachten überreicht werden. Und die Wahl fiel dem Ministerpräsidenten nicht schwer. „Germania IV“, die nach zehnjähriger Restaurierung (siehe auch KLASSIKER! No 2/07) endlich wieder unter Segeln und in voller Schönheit über die Bahn jagend, erhielt die Auszeichnung - besser gesagt ihre Eigner Dr. Rolf Rathcke und Sohn Phillip, der den Hauptanteil der Restaurierungsarbeiten selbst gemacht hatte. Eine schöne Geste aus dem Landeshaus und allerbeste Werbung für die Klassiker-Szene in der nicht-segelnden Öffentlichkeit.

Der begeisterte Segler Carstensen ließ es sich nach dem Festakt nicht nehmen, die „Germania IV“ zu bewundern - gefolgt von einer kleinen Prozession an Gefolgs- und Presseleuten - und seinen präzis geworfenen Palstek zum Besten zu geben. Abschließend zog das Gefolge zum Sundowner in den großzügigen Salon der Asgaard. Im Lounge Zelt überraschte das mit Gitarre und Sax ungewöhnlich instrumentierte Duo „Deep Blue“ mit einer beeindruckenden Konzerteinlage. Eigentlich waren die beiden Kieler Vollblutmusiker enga-giert, um für stimmungsvolle Hintergrundsmusik in der Lounge zu sorgen. Doch das begeisterte Publikum im schnell überfüllten Zelt wollte lieber die Virtuosität der beiden würdigen - unterhalten konnte man sich ja auch noch später in der Nacht... Eine für beide Seiten gelungene Soiree, denn „mit so wahnsinnigem Ausblick haben wir selten gespielt“ – waren sich die Musiker einig, den Blick aus dem zum Hafen hin geöffneten Zelt samt Sonnenuntergang und dem Meer der Holzmasten so schnell nicht zu vergessen.

Mit einem breiten Lächeln im Gesicht

Nötig hatte es wohl der ein oder andere schwere Kopf: Das frühmorgendliche Bad im frischen Ostseewasser am Laboer Kurstrand. Nach dem Auftauchen fiel`s dann auf: Strahlend blauer Himmel, Sonne und leichte Winde - allerbest! Doch die Regattaleitung ließ sich wiederum nicht betören: Die Prognose versprach abflauende Winde - also Bahnverkürzung für verschiedene Gruppen. Das vereinzelt hörbare Gemurre über so viel vorauseilende Umsicht sollte sich später am Nachmittag in pure Dankbarkeit verwandeln - konnten doch so eben noch alle Boote gezeitet werden. Ein dickes Danke-schön an dieser Stelle für ein tolles Regattateam, das sämtliche Klippen mit viel Erfahrung und hanseatischer Gelassenheit bravourös umschiffen konnte. Mit einem langen Spi-Kurs nahm das riesige Feld von 190 Yachten den Stollergrund in Besitz – eine echte Konzentrationsaufgabe, so reizvoll war der Blick hinaus übers eigene Süll zu den wunderschönen Nachbarn. Alles schien vertreten: die Schären wie die Meterboote, die Hansajollen in nie erlebter Gruppenstärke, Drachen, KR-Boote (allein vier – von fünf existierenden- Vetreterinnen des Störtebeker-Typs), sogar eine winzige B-Jolle (“Lucea”), als älteste A&R-Jolle “Krümel” (1922) und nicht zu vergessen die wunderhübsche Hamburger Gig mit ihrer Blaser-gewandeten Herrencrew (Hinnerk Bodendiek und sein Vater wollten ein stilvolles Zeichen setzen, gedacht als visueller Kommentar zum Artikel „Stilfragen“ im letzten KLASSIKER! - siehe auch
S. 62 in diesem Heft). Auf der Kreuz gen Ziellienie wurde die „Geschwaderfahrt“ dann zum echten Regattasport. Hier zählte der richtige Riecher - wo ist der Wind - unter der Strander Küste oder doch eher vor Laboe. Die letzten Meter zeigten dann ein packendes Finish wiederum unter Spi bis zum Zielschiff. Ein super Segeltag, der dann auch den Veranstaltern so allmählich das breite Lächeln aufs Gesicht zauberte, das viele Teilnehmer bereits seit Tagen über den Festplatz trugen...
Die Preisverleihung konnte in herrlicher Abendstimmung wiederum vor der Windsbraut stattfinden, wobei es sich Hans Schaedla nicht nehmen ließ, die A&R-Sonderpreise persönlich zu überreichen. Was fehlte eigentlich noch? So als energiegeladener Abschluss eines rundum gelungenen Festes? Stefan Söhnel alias „Barney“ und seine Musiker ließen darüber keinen Zweifel aufkommen. In kürzester Zeit rockte die Kieler Truppe, früheren Veteranenregatta-Fans noch in lebhafter Erinnerung, das Festzelt und auf der Tanzfläche kochte es bis in die erste Morgenstunde.

Hella Peperkorn



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