PFLEGE & RESTAURIERUNG

Leuchttürme und Seezeichen

Jens Burmester: Projekt TAR - Projekt ASTRID - Projekt AQUARELL


Was wäre die Seefahrt ohne Leuchttürme?
Gut, die realen Leuchttürme sind heutzutage in Gefahr, von nicht greifbaren, elektronischen Navigationsmitteln abgelöst zu werden. Ganz sicher bleiben uns die Leuchttürme aber als Metapher erhalten - da sind sie als Wegweiser nicht zu ersetzen.

Aber: Seefahrt nur nach Leuchttürmen wäre unmöglich. Sie sind schon rein zahlenmäßig den kleineren, weniger spektakulären Seezeichen unterlegen, die zwar nicht im Verborgenen, aber doch weniger auffällig und doch so unverzichtbar ihre Aufgabe erfüllen, Weg zu weisen, Hoffnung zu geben, dass alles zu etwas führt. Die drei Restaurierungsprojekte dieser Betrachtung sind eine Zusammenstellung von solchen „Seezeichen“. Sie entbehren alle eines, ein wirtschaftliches Fundament. Sie – könnte man sagen – schwimmen, halten sich über Wasser.
Wer findet, dass das jetzt schon dramatisch klingt, sollte sich überlegen, ob er weiterliest.
Es geht um Projekte ohne wirtschaftliche Sicherheit, von der Hand in den Kiel sozusagen.
So etwas gibt es viel öfter als man denkt - und der Autor kann nicht umhin, seine Sympathie offen zu äußern.

Fertig - was ist das? - ist keines der Projekte, aber lesen Sie selbst:

Die drei Objekte fanden sich in unmittelbarer Umgebung, sozusagen in Lesebrillenentfernung, alle an der Kieler Förde – und es gibt sie überall. Es gibt einige Gemeinsamkeiten, aber auch ein durchaus repräsentatives Spektrum von Voraussetzungen, Geschichten und Herangehensweisen:

Da ist, um sich mit der Reihenfolge am Schiffsalter zu orientieren, ungefähr so groß wie ein Knarr-Boot aber wesentlich älter, ein sicher einmal wunderschön gewesener dänischer „Kutter“, fast hundert Jahre alt. Das Stück wurde von dem bekannten Konstrukteur Georg Berg gezeichnet. Wer jetzt denkt „Ah, ein spitzgattiges Fischereifahrzeug!“, liegt deutlich daneben. Dänen nennen auch schlanke, zierliche Kielboote mit langen Überhängen „Kutter“, so lange sie einmastig sind und führen uns damit erheblich aufs Glatteis. Streng genommen ist also auch eine mR-Yacht schlicht ein Kutter. TAR, 1919 in Dragør bei Kopenhagen gebaut, hat eine lange, ziemlich unklare Lebensgeschichte. Man weiß nicht alles über sie, leider liegt sogar die ursprüngliche Takelungsart nicht fest. Sie steht hier für das Einzelstück, handwerklich gebaut, auch bootsbaulich ein Beispiel für den Übergang vom gebauten Spant zum leichten eingebogenen Band. Der Eigner, Sven, ist ein junger Student, naturgemäß nicht auf Rosen gebettet, und dennoch nicht ohne Kapital: Zwei rechte Hände und ein bewundernswerter Mut zeichnen ihn aus, auch wenn er das nicht gern lesen wird. Er macht alles selbst, für professionelle Hilfe sind keine Mittel vorhanden. TAR stand an Land, als sie in Svens Hand überging, er hat sie nie segeln gesehen, bis jetzt ist TAR für ihn also reine Theorie. Er muss sich selbst motivieren, bis TAR endlich segeln kann - und zwischendurch segelt er ein wenig 12er und trainiert Segelanfänger in seinem Verein.

Das zweite Beispiel ist um eine Schiffsgeneration jünger, ein Stück deutscher (oder doch dänischer?), beginnender Großserienfertigung nach einem einheitlichen Riss: ASTRID, ein A&R-Seefahrtskreuzer der 30m²-Klasse, 1935 in Bremen als 3. Boot einer Serie für die Marine, sprich den Marine-Regattaverein Wilhelmshaven, gebaut. Über dieses Boot ist fast alles bekannt, es gibt Fotos aus seiner Vorzeit, die nachträglichen Änderungen sind überschaubar und nachzuvollziehen, was es ermöglicht, sie vorsichtig rückzubauen. Steigt man etwas tiefer in die Geschichte dieser Yacht ein, findet man nicht nur Gutes: Hatte der Auftraggeber die Möglichkeit, bei der Wahl des Materials positiven Einfluss auszuüben, indem auch unter Wasser vollständig in Mahagoni geplankt wurde (im sog. III. Reich keine Selbstverständlichkeit, Devisen waren wichtigeren Dingen vorbehalten!), so verbilligte sich die Werft das Planken, indem sie knapp die Hälfte der üblicherweise verwendeten Nieten durch kostengünstigeres Schrauben mit leider nicht so haltbaren Messingschrauben ersetzte. Das sparte erheblich bei den Baustunden – und rächte sich...
Eigner ist Harald, ein vielen bekannter, umtriebiger ehemaliger Mitorganisator der Veteranen-Regatta von Laboe, einer, der eigentlich wissen musste, was er sich antun würde. Ihn unterscheidet vom Projekt TAR, dass er sich professioneller Hilfe und Kompetenz des Bootsbaumeisters Jens Winkler aus Kiel bedient. Ein Vorteil für Harald ist, dass er ASTRID schon gesegelt hat. Er weiß, wofür er das alles macht. Sein Weg führte das Schiff für mehrere Jahre in eine feste Halle, in eine selbst geschaffene Umgebung mit schwerem Werkzeug und der notwendigen Infrastruktur. Leider sind auch hier die Mittel begrenzt und das Portemonnaie gibt nur zu deutlich das Tempo vor. Segeln schied für mehrere Jahre aus – das sollte die Motivation stärken.

Das dritte Beispiel ist ein Folkeboot, also kein Serienschiff und kein One-off. Ein privat in Hamburg gebautes Folkeboot von 1967, das durch mehrere Hände ging und 2005 von seiner heutigen Eignerin entdeckt wurde. Ja, wir haben es also mit einem „Frauenprojekt“ zu tun, und Maren hat ihre AQUARELL in Kiel an Land gefunden, auf einem eher wenig motivierenden Winterlagerplatz an der Schwentine. Das Geld musste neben ihrer Arbeit als Bauzeichnerin und Objektplanerin mühevoll erkellnert werden – schon das ein Beweis für Zähigkeit und starken Willen. Das Schiff stand voller Müll und in bemitleidenswertem Zustand unter einer behelfsmäßigen Plane, aber der Zustand schien nicht so dramatisch – was zählten, waren die Erreichbarkeit der Kaufsumme und die Tatsache, dass es sich um ein Folkeboot zu einem erschwinglichen Preis handelte. Über die genaue Geschichte des Bootes ist nicht viel bekannt, einzig, dass der Weg des Bootes zum Schluss mit einem menschlichen Drama verknüpft schien. Maren wählte die dritte Variante: Sie wollte segeln! Segeln, mit dem eigenen Schiff, jeden Sommer segeln, und im Winter bauen. Dieses Konzept hat sich für sie bewährt. Maren ist mit dem, was sie für AQUARELL tut, nicht immer allein, sie hat ein Netzwerk von Freunden, Menschen, die ihr zuweilen helfen. Das ist natürlich unverzichtbar, nicht nur, weil die Arbeit zusammen deutlich mehr Spaß macht - wer kann schon allein nieten? Nach dem ersten Winter und dem ersten Segelsommer zog sie in ein anderes Winterlager um, fand hier Anschluss an einen kleinen Kreis Gleichgesinnter. Inzwischen steht AQUARELL winters in einem großen Doppelzelt zusammen mit einem Spitzgatter, eine Werkstatt steht ebenso zur Verfügung wie der heimische Keller, in dem wahre Lackierwunder an transportablen Einzelteilen vollbracht werden. Und kein Sommer wurde ausgelassen!


TAR

TAR wurde in einem Zustand übernommen, der einem unvorbereiteten Betrachter eigentlich nur die Tränen in die Augen treiben konnte. Sie war im Grunde schon nicht einmal mehr eine Baustelle. Binnen mehrerer Jahre durch viele Hände gegangen war sie mehr als nur heruntergekommen. Sie war nicht schwimmfähig – und sie ist es bis heute nicht. Da sie in Lübeck stand, Sven aber in Kiel studiert, musste sie zunächst einmal den Ort wechseln. Sven fand einen geeigneten Platz am Stadtrand, baute ein erfreulich stabiles Zelt, das hoffentlich noch so lange halten wird, bis TAR es nicht mehr benötigt. Da er nicht über geeignetes Werkzeug verfügte, musste er alles erst einmal beschaffen, das Wochenblatt und das selbsternannte größte Online-Kaufhaus gaben noch mehr her als Großvaters Fundus. Ein simpler Magnet hätte das Schicksal das Schiffes jederzeit erfüllen können, er hätte nämlich gezeigt, dass TAR ausschließlich mit Eisennieten zusammengehalten wird. Fast jeder hätte mit diesem Wissen gern abgewinkt - Sven wusste das und ließ sich nicht abschrecken. Vielleicht, meint er relativierend, war das auch etwas blauäugig.

Der Rost hatte an vielen Stellen bereits seit langem gewirkt, die Bolzen hatten in Spanten, Wrangen, Kiel und Steven schwerste Schäden angerichtet, während unzählige Nieten zu einem erstaunlich hohen Anteil gar nicht so schlimm betroffen zu sein scheinen. Es war jedenfalls schnell klar: Bis auf die Lärche der Außenhaut war alles abgängig. Und damit schien das Schicksal der Yacht auch, nach vernünftigen Maßstäben betrachtet, besiegelt. Aber was heißt das schon..? Nun kann man eine Debatte folgen lassen, was Vernunft hier zu suchen hat. Und wenn man schon debattieren will, muss man Leute finden, die mitdebattieren. Vier, sechs oder mehr verständige, am besten sogar sachverständige Augen sind da hilfreich. Sven fand solche Augen, fand Menschen, die ihm Fragen beantworteten, wenn sie auch nie die letzte Sicherheit geben konnten. Und so machte Sven das einzig Richtige - und den größten Fehler: Er fing an. Und wenn es normalerweise immer und in jedem Projekt diesen einen gefährlichen Satz gibt „das mache ich gleich noch mit!“ - in diesem Projekt gibt es ihn nicht! Hier muss so gut wie alles „mitgemacht“ werden.
Als erstes wurde mit Hilfe eines Gerüstes das Schiff aufgepallt, mit Laserstrahlen ausgerichtet, um für die kommenden Jahre ein sicheres und die Form wahrendes Stützkorsett zu haben. Wie man auf Fotos erkennt, wurde sogar versucht, mit Hilfe fotogrammetrischer Vermessung zu brauchbaren Linien zu kommen. Hier mischt sich bisweilen Svens Schiffbaustudium in die Arbeit ein. Seine Erfahrungen aus Praktika in einer Kieler Klassiker-Bootswerft sind ebenso hilfreich.

Nachdem der Ballast entfernt war – er wurde als einziges in einem Fachbetrieb entrostet – wurde der Eichenkiel entnommen, seine Rostschäden waren erschütternd. Das Konzept sieht nun vor, die Materialien, die eingebaut werden sollen, so ähnlich den originalen zu belassen, wie dies möglich ist.

Das scheint bei der Eiche nicht sinnvoll zu sein – hier wird Eiche also durch Sipo ersetzt, das sich wesentlich besser verleimen lässt und in geringerem Maße quillt und schwindet. Außerdem ist das kostengünstiger, da Sipo einfach deutlich weniger Fallen stellt und man weniger Verlust durch Äste oder Wirbel als bei Eiche hat. Die ehedem gebauten Eichenspanten werden durch lamellierte Eschenspanten ersetzt, bei den Eschenbändern wird wieder Esche verwendet werden.

Das ganze Gebälk vom Vorsteven über Kielschwein, Kielbohle, Rudersteven und Heckbalken wird also erneuert - desgleichen die Bodenwrangen. Lange stand im Raum, die Spanten alle um eine Wrangenbreite nach vorn zu versetzen, um in der rostbefallenden Außenhaut jeweils sauberes Holz vorzufinden. Das wurde inzwischen verworfen, denn die an die Spanten und Wrangen anschließenden Teile verhindern dies. So muss nun also jedes Nietloch in der Außenhaut verspundet und zweistufig verpropft werden, um neue, saubere Bohrungen für die neuen Nieten einbringen zu können. Gegenwärtig werden die gebauten Spanten Stück für Stück ersetzt. Im nächsten Schritt werden dann die neuen Eschenbänder eingebogen werden müssen, für das Vernieten der Außenhaut ist dann natürlich ein Helfer notwendig.
Irgendwann in hoffentlich nicht zu ferner Zukunft wird Sven dann auch das Deck abnehmen, das wie die Kajüte noch als Längsverband benötigt wird. Aber das – ist noch eine lange Geschichte...

Zwischendurch macht sich Sven Gedanken über das Rigg, finden sich doch geheimnisvolle Relikte früherer oder zwischenzeitlicher Takelungsvarianten. Verpropfte Befestigungen für Backstagspüttinge etwa, oder ein Achterstagbeschlag der weder vom Material – er ist der einzige in Bronze – noch von der Baumlänge und der Position zum Großschotleuwagen auf dem Achterdeck passen will. Hatte TAR ein für 1919 sehr fortschrittliches Marconirigg oder doch eine Gaffel? Stand der Mast wirklich, wo er zuletzt aufgestellt war? War der erste Baum wesentlich länger als der heutige?

War das Cockpit so hochliegend und selbstlenzend oder saß man früher viel tiefer im Schiff und wich erst beim Motoreneinbau nach oben aus? Leider gibt der noch vorhandene Bilbrev, der wertvolle Steckbrief aus dänischer Zeit darüber keine detaillierte Auskunft, da er keine Zeichnung enthält.
Wünschen wir Sven, dass ihn der Mut ebensowenig verlässt wie die Motivation, aus einem Dornröschen einen Hingucker zu machen, einen Phönix aus dem Torf.

Was also wird am Schluss noch bleiben von der alten TAR? Fragen Sie lieber nicht - Sven liest mit...


ASTRID

ASTRID verrät schon sehr viel mehr über sich, ist verglichen mit der verschwiegenen TAR yachthistorisch geradezu eine Plaudertasche. Die Zeichnungen liegen vor – dazu einige Fotos aus den 50er Jahren, die das Schiff in Assens und Årøsund in Dänemark verbrachte, ehe es nach Eckernförde gelangte. Dort wurde Anfang der 60er Jahre eine Maschine eingebaut, verbunden mit den damit unvermeidbaren Änderungen an Einrichtung und auch Statik, die Schwächung des Ruderstevens beispielsweise hat dem Schiff sicher niemals gut getan. Erfreulicherweise wurde ASTRID dann aber auch von den nachfolgenden Eignern nicht so verbastelt, wie es mit vielen Altersgenossen geschah, sodass heute im Großen und Ganzen auf den Originalzustand geschlossen werden kann. Die bereits bauseitig vorschädigende Sünde mit den Schrauben, die die Nieten nur unvollkommen ersetzten, wurde allerdings nicht zum Verhängnis. Das Verhängnis hätte ein Sturz aus dem Kran sein können – ein stählernes Kielbolzengewinde gab irgendwann nach und ließ ASTRID - gottlob aus nicht zu großer Höhe – sehr unsanft auf Betonboden prallen, was ihre Struktur im Unterwasserschiff so schwer schädigte, dass sie fortan beim Segeln nie wieder dicht zu bekommen war. Das war lästig, und als die Elektrik durch unsachgemäß ausgeführte Installationsarbeiten auf dem Steg noch Schaden nahm, war es auch um die Schwimmsicherheit im Hafen geschehen. In der Zeit des Übergangs der Eignerschaft vom Voreigner auf Harald konnte 2005 zum letzten Mal am „Rendezvous der Klassiker“ in Kiel teilgenommen werden, im Herbst des Jahres – die Maschine war inzwischen auch defekt – ging ASTRID für Jahre in die Halle. Die Bestandsaufnahme ergab zahlreiche gebrochene Spanten als Folge des Sturzes sowie umfassende Rostschäden an Kielbalken, Ruderkoker und Bodenwrangen. Die Verbindung zwischen Steven und Kiel war auseinandergerottet, die Spantfüße im Mittelschiff, wo jahrelang das Wasser gestanden hatte, morsch. Im oberen Bereich sah es deutlich günstiger aus, lediglich im Brückendeck hatte sich Fäulnis ausgebreitet. Die Außenhaut hingegen präsentiert sich auch nach Jahren an Land noch fast ohne Trockenrisse.

Das Schiff wurde ausgerichtet und in eine Bettung gehängt, um später Ballast und Kielbalken entfernen zu können. Zunächst wurden jedoch die Bodenwrangen und unteren Spantenden ausgetauscht, um zu vermeiden, dass das Schiff seinen Verbund verlor. Sechs Spantenpaare mussten vollständig neu eingebaut werden. Danach wurden Kielbalken, Stevenknie und Rudersteven ersetzt, inzwischen ist auch die Verbindung zum Vorsteven wiederhergestellt. Damit sollten dann die strukturellen Schäden des Schiffrumpfes behoben sein.

Das Konzept geht von einem möglichst kompromisslosen Ersatz der Materialien durch neues von der selben Sorte aus, Eiche wird also durch Eiche ersetzt, der Einsatz des „Allheilmittels“ Epoxi wird vermieden. Die vielen stählernen Bolzen, die dem Schiff letztendlich doch so große Probleme bescherten, werden gegen Bronzebolzen ausgetauscht, und die vielen Messingschrauben in der Außenhaut werden durch Kupfernieten ersetzt. Haralds Credo ist - abgesehen von diesen Bronzeschrauben: Was nicht ursprünglich an Bord war, soll auch nicht an Bord bleiben. Eine Einbaumaschine wird es auf ASTRID also nicht wieder geben. Die Außenhaut, die im unteren Bereich natürlich abgenommen werden musste, wird gegenwärtig neu aufgeplankt, gedichtet einzig wie im Original durch den berühmten Baumwollfaden. Zur Konservierung werden Leinöl, Bleiweiß und Bleimennige verwendet. Der persönliche Aufwand ist immens, und ohne die sachkundige Hilfe und Mitarbeit durch Jens Winkler nicht vorstellbar.

Da das Schiff in den Jahren an Land keine sichtbaren Trocknungsschäden genommen hat, ist davon auszugehen, dass ASTRID die noch notwendigen Jahre in der Halle auch noch gut überstehen wird – bei Beibehaltung des bisherigen Arbeitsrhythmus wird der Eigner noch nicht die letzte Saison auf dem Trockenen vor sich haben. Wünschen wir auch ihm das nötige Durchhaltevermögen für diese nicht ganz triviale Aufgabe!


AQUARELL

Und AQUARELL? Auch dieses Projekt eröffnete immer wieder neue Löcher, in die sich ungezielt Geld hätte werfen lassen. Bei so gut wie keinem Schiff ist das anders. Nur fehlte dazu, wie bei den beiden anderen, eine Voraussetzung: Außer Tatkraft war nicht viel, was in die Wagschale zu legen vorhanden war. Üblicherweise wäre ein solches Projekt unter diesen Umständen schon von vornherein gescheitert. Es ist wohl zwei Umständen zu verdanken, dass das nicht so war. Zum einen ist die Eignerin mit Holz groß geworden, ihre Eltern bauten sich den Doppelender THETIS selbst, noch ehe es Maren selbst gab. Von diesem Umfeld geprägt und von ihrem eigenen Wunsch getrieben, war sie motiviert genug, um Freunde mitzureißen. Und so begann die wundersame Metamorphose des verlodderten Folkebootes von der Schwentine zu einem Schmuckstück von Möltenort. Zunächst wurden die strukturellen Probleme zwar eingegrenzt aber nicht beseitigt – das hätte vermutlich auch für AQUARELL einen Sommer an Land bedeutet. Da das aber keine Option war, wurde erst einmal so viel getan, wie nötig war, um sich mit dem Schiff blicken lassen zu können. Nein, streng genommen ist das verkehrt: Maren wollte sich an Bord selbst wohl fühlen können, und dazu brauchte es doch mehr als nur etwas Farbe. Wenn also nicht zu scharf gesegelt würde, konnte das Boot den ersten Sommer überstehen. Also wurden die Prioritäten so gesetzt, dass die Schwächen erst nach und nach, also erst nach eindeutiger Bekanntschaft mit ihnen, beseitigt wurden. Kein „Wir machen das jetzt alles auf einmal“ - das wäre auch gar nicht möglich gewesen. Also lernte die Eignerin im ersten Jahr auf dem Wasser das Schiff erst einmal kennen, musste erleben, wie sich die Bergung der eigenen Yacht am Telefon anhört, nachdem das noch undichte Boot im Hafen auf Tiefe gegangen war, erkannte seine Schwächen und fasste den Mut, die notwendigen Schritte zu gehen. Fremde oder gar professionelle Hilfe kam nicht in Frage, und so kam das Netzwerk von Bekannten und Freunden zum Tragen. Nachdem der Rumpf im ersten Winter von außen abgeschliffen und abgedichtet worden war – viele nötige Tipps erhielt Maren auf dem Restaurierungsseminar von Uwe Baykowski, wurde im zweiten Winter der Rumpf von innen bis in den allerletzten Winkel, und davon gibt es beim Folkeboot fast unschlagbar viele, geschliffen und mit Benar-Öl konserviert.

Der Vorsteven stellte sich als unhaltbar heraus, bei seinem Austausch wurden Erfahrungen von hohem Wert für weitere Holzarbeiten gesammelt. Auch das Deck musste überarbeitet werden, als tragfähiger Kompromiss wurde es mit einer GfK-Matte und Epoxi beschichtet. Im nächsten Winter musste dann allerdings das Deck wieder geöffnet werden: Bedingt durch jahrelange Leckage am Wantpütting war ein so beträchtlicher struktureller Schaden an Balkweger und Püttigspant entstanden, dass man sich hinterher kopfschüttelnd fragen musste, wieso der Mast das schwere Wetter der Svendborger Regatta überstanden haben mochte. An diesem Pütting konnte er jedenfalls nicht gehangen haben - mit Physik hatte das wohl nichts zu tun. Der Balkweger war auf einer Länge von einem Meter praktisch weggefault, die Püttingbolzen ließen sich mühelos durch das Holz von Balkweger und Außenhaut ziehen.

Also wurde nach Öffnen des Decks der Balkweger in diesem Bereich großzügig ersetzt, das Püttingspant und das doppeltstarke daneben gegen lamellierte Spanten ausgetauscht, alles neu vernietet und verbolzt und das Deck wieder geschlossen. Im folgenden Winter waren einige Spantfüße „reif“, die folkeboot-typisch Brüche im Bereich der schärfsten Krümmung aufwiesen und das ansonsten nun erfreulich dichte Schiff schwächten. Diese Arbeit führte Maren - abgesehen vom Einnieten - vollkommen alleine aus. Sie nahm im übrigen einige kleine und nach außen hin wenig auffallende, aber praktische Änderungen vor. Die alten Cockpittüren wurden zu einem genauso aussehenden Steckschott verarbeitet, im Cockpit die Backskisten erneuert und - das kann man eigentlich nicht richtig beschreiben! Dies alles bleibt nämlich hinter etwas zurück, was wirklich auffällig ist: Wenn man heute AQUARELL sieht, fällt als erstes das hervorragende Lackfinish auf. Bedenkt man die nicht gerade perfekten Umstände, unter denen in einem halboffenen Zelt gearbeitet wird, muss man Maren schon für ihre Lackierkünste hohes Lob zollen! Sie hat mit dem ihr eigenen Sinn für Lack und Oberfläche diesem Folkeboot eine Anmutung verschafft, die es von seinen zahlreichen Schwestern abhebt.

AQUARELL schimmert nicht, sie glänzt. Liebevoll durchgestaltet auch im Detail zieht sie die Blicke auf sich. Und die Eignerin ist da durchaus anspruchsvoll. Ihr Konzept, zu segeln und zu erhalten, geht auf. Auch wenn AQUARELL nicht „fertig“ restauriert ist, wenn noch vieles zu tun ist, hat es funktioniert. Ein Beispiel, das Hoffnung machen darf und für Viele Ansporn sein kann!


Was hat das mit Leuchttürmen zu tun?

Nun, Leuchtturmprojekte, die mit großem Aufwand und manchmal kaum nachvollziehbaren Mitteln klassische Yachten retten und bewahren, zu beschreiben, ist vergleichsweise einfach. Leider hat nicht jedes Leuchtturmprojekt automatisch auch Vorbildcharakter - zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen nicht zuletzt in wirtschaftlicher Hinsicht.
Eine Diskussion, inwieweit die großen Leuchtturmprojekte oder die kleinen, stilleren und mindestens ebenso unendlich mühsamen „Seezeichen“, die in der Restaurierung klassischer Yachten gesetzt werden, wertvoller sind als andere, sollten wir uns ersparen. Wichtig ist, dass sich immer wieder Menschen finden, die scheinbar so verrückt sind, ein anscheinend aussichtsloses Projekt in ihre dann noch nicht schwieligen Hände zu nehmen und anzufangen. Noch wichtiger aber ist, dass sie motiviert bleiben, bis die Segel gesetzt sind und die Augen der anderen bewundernd auf ihnen und ihrem Werk ruhen.



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