PFLEGE & RESTAURIERUNG

Kiel, Steven, Ballast

Uwe Baykowski stellt die wesentlichen Bauteile einer Yacht, ihre Beschaffenheit, Aufgaben und damit verbundene Probleme vor.


Kiele, Steven und ihre Verbindungen

Der Fachmann bezeichnet nur den hölzernen Mittelbalken einer Yacht als Kiel oder Kielbalken, während der Laie die Gesamteinheit aus Totholz und Ballast als “den Kiel” bezeichnet.
Das Totholz soll sozusagen als “Füllholz” den Abstand zwischen dem Kiel und dem Ballast schaffen.
Das vielzitierte “Kielschwein” ist eine Doppelung des Kiels, die auf den Bodenwrangen positioniert ist und mit den Kiel- oder Stevenbolzen befestigt ist.
Das Kielschwein soll die Längsfestigkeit einer Yacht, meistens im Mastbereich, erhöhen. Es dient oftmals auch als Mastspur. Durch den Abstand der Bodenwrangenhöhe funktioniert es wie ein Kastenträger.
Der Kielbalken dient der Längsfestigkeit einer Yacht als Teil der “unteren Gurtung” sowie der Aufnahme von Spanten und Bodenwrangen, die für die Querfestigkeit zuständig sind. In der “Sponung” (Falz) werden die Planken von außen mittels Verschraubungen am Kiel befestigt.

Die Kielbalken sind meistens aus Eichenholz hergestellt worden, in England und in den USA wurde auch gern Ulme (Elm) verwendet.

Der Kiel einer Yacht ist als gerade ausgeführtes Bauteil über dem Ballastbereich angeordnet. Nach vorn ist der Vorsteven angesetzt, der gestrakt ausgearbeitet ist und der Yacht den schönen vorderen Überhang verleiht.
Nach achtern folgt der Achtersteven mit dem Heckbalken oder Auflanger und endet am Spiegel. Bei Spitzgattern wird der obere Teil über der Wasserlinie als Achtersteven bezeichnet.
Dieses “Stückwerk” aus mehreren Bauteilen war beim Bau der Yachten notwendig, um den verschiedenen Krümmungen der Kiel-Stevenkonturen zu folgen und einen optimalen Faserverlauf der Hölzer erzielen zu können.
In den sechziger Jahren, als vertrauenswürdige Leime auf den Markt kamen, wurden derartige Kiel-Stevenkonturen auch schon mal lamelliert. In manchen Fällen mit weniger Erfolg. Doch davon mehr beim Thema “Spanten” in einer nächsten Folge.


Kiel und Steven im Längsriss


Vorstevenlasche

Die einzelnen Bauteile sind mittels Laschen aneinandergefügt und verbolzt, in den meisten Fällen wird über die Verbindung noch ein Knie gesetzt.

Während die einzelnen Bauteile wie Kielbalken, Vor-und Achtersteven weniger Probleme bereiten, wenn gutes Holz verarbeitet und das Boot fachgerecht gepflegt wurde, machen die Verbindungen, die Laschen, meistens mehr Sorgen.

Die Verbolzungen, meist aus verzinktem Eisen, korrodieren im Eichenholz, was zur Holzfäule im Bolzenbereich führt. Auch dynamische Belastungen, die durch das Segeln entstehen, heftiges Einsetzen in die See oder gar zu sportliches Anlegen an der Betonpier setzen im Besonderen den Kiel-Stevenverbindungen im Bugbereich zu.
Die Verbindungen verlieren ihre Spannung und beginnen Wasser zu ziehen.


Diese Stevenverbindung hat im Laufe der Jahrzehnte ihre Festigkeit verloren und sich geöffnet, obwohl die Plankenverbindungen noch gut aussehen.

Ein bekannter dänischer Folkebootbauer legte die Stevenlaschen der wunderschönen Eichen-Naturholzsteven immer genau in den Wasserpassbereich. In diesem Bereich, auch Wasserwechselzone genannt, wird das Holz abwechselnd feucht oder von der Sonne bestrahlt, was zu einem verstärkten Arbeiten und letztlich zur Durchfeuchtung der Verbindung führt.
So ist manche Stevenverbindung, zunächst von außen unbemerkt, von innen her verrottet.
Diese verschraubten Laschverbindungen werden zusätzlich durch einen sogenannten Scheidenagel abgedichtet. Dieser “Nagel” besteht aus Weichholz, etwa aus Oregonpine, Spruce oder Lärche und hat einen Durchmesser von ca. 10 bis 15 mm, je nach Schiffsgröße. Er ist genau in Querschiffsrichtung durch die Anlagefläche der beiden Laschenteile gebohrt. Er soll verhindern, dass Wasser durch die Lasche innerhalb der Sponung ins Schiffsinnere dringt.
Wenn unerklärliche Leckagen in diesem Laschenbereich auftreten, die Planken in diesem Bereich aber dicht sind, kann es sein, dass der Scheidenagel verrottet ist und somit seine Aufgabe nicht mehr erfüllen kann.
Leider ist der Scheidenagel in den meisten Fällen nicht sichtbar, weil er innerhalb der Sponung sitzt. Sollte es sich bewahrheiten, dass der Scheidenagel mit der Lasche schadhaft ist, so muss die abdeckende Planke entfernt werden, um den auch Dödel genannten Scheidenagel zu ersetzen.


Aus dem A&R-Fotoarchiv


Probleme und Reparaturmöglichkeiten

Sollen Bolzen der Stevenlaschen zwecks Erneuerung gezogen werden, wird man häufig erleben, dass die Bolzen durch nichts zu überreden sind, sich aus den Steven zu entfernen.
Beide Materialien sind durch Korrosion und Einwirkung der agressiven Gerbsäure des Eichenholzes unzertrennlich geworden.
Sind auch die letzten Versuche, mit immer größer werdenden Hämmern den Bolzen herauszutreiben, geschei-tert, sollte man diesen Weg nicht weiter verfolgen.
Erfahrungsgemäß kann der Bolzen im Steveninneren zu einem stecknadelkopfdicken Fragment gerostet sein, welches sich bei allzu heftiger Bearbeitung von oben trennt mit dem Ergebnis, dass sich der obere Bolzenteil innen neben den unteren schiebt und nun gar nichts mehr geht.
Vorteilhafter ist es, einen Bolzen, auch Kielbolzen, zu ziehen.
Dies kann unter anderem mit einer Öldruckpumpe (Wagenheber) geschehen:
Wenn man noch brauchbares Gewinde am Bolzen vorfindet, lässt sich eine Ringmutter auf den Bolzen drehen, oder man schweißt ein Auge auf den Bolzen (Achtung Brandgefahr). Mittels einer Kette wird der Bolzen mit einem kräftigen Balken verbunden, der auf der einen Seite auf einem Gegenlager sitzt und auf der anderen Seite auf dem Stempel der Öldruckpumpe. Den Gesetzen der Hebelwirkung folgend lässt sich der Bolzen ziehen, ohne ihn zu stauchen.

Sollte auch dieses Unternehmen fehlschlagen, kann der Bolzen freigebohrt werden. Hierzu wird ein Kronenbohrer aus einem passenden Rohr, das auf einen Schaft für das Bohrfutter angeschweißt ist, angefertigt. In das untere Rohrende werden Zähne geschliffen, die möglichst ein wenig nach außen getrieben werden, um einen Freischnitt zu erzielen.
Der Vorteil bei dieser Methode ist, dass das ohnehin nicht mehr ganz gesunde Holz mit entfernt wird. Der Nachteil kann sein, dass man bei unnötig dicken Bolzendurchmessern landet.

Nach oben offene Hirnenden von Vor- oder Achtersteven sollten gut konserviert werden, weil Feuchtigkeit gerade durch den Wechsel von Nässe und Sonneneinstrahlung leicht in das Hirnholz eindringen und zu Rissbildung und Fäulnis führen kann.


Ballast wird vom Kiel gelöst


Aus dem A&R-Fotoarchiv


Ballastkiel und Kielbolzen

Der Ballastkiel einer Segelyacht soll die Stabilität im nautischen Sinne gewährleisten, womit die Fähigkeit gemeint ist, sich aus jeder geneigten Lage (Krängung) wieder aufzurichten.
Der Widerstand, den ein Bootskörper allen möglichen Belastungen entgegensetzt, wird vom Fachmann als Festigkeit bezeichnet.
Die Ballastkiele der klassischen Segel-yachten haben meist einen Gewichts-anteil von ca. 50%. Das Folkeboot besitzt sogar einen Ballastanteil von 54 %, womit eine enorme Stabilität oder “Steifigkeit” erlangt wird.
Moderne Yachten haben im allgemeinen einen geringeren Ballastanteil, gleichen dies jedoch mit einer größeren Wasserlinienbreite bei deutlich geringerem Gewicht aus.
Über die daraus resultierenden, unterschiedlichen Seeverhalten mag man diskutieren.

Glücklich derjenige, der einen Bleiballast unter seinem Totholz weiß, hier gibt es so gut wie keine Probleme mit Korrosion, die meist in Form von hässlichen Rostnasen, die häufig aus der Naht zwischen Oberkante Ballast und Unterkante Kiel oder Totholz laufen und bei fast jedem Gusseisenballast zu beobachten sind. Ursache hierfür ist nicht zu vermeidende Feuchtigkeit oder gar Nässe zwischen dem Holz und den Metallflächen sowie die relativ scharfe Oberkante des Ballastes, auf der nicht so dick Rostschutzfarbe aufgetragen werden kann.
Meistens rettet man sich notdürftig von Winter zu Winter, entrostet, trägt verschiedene neue oder alte Produkte auf den Ballast auf, und dennoch zeigt sich im nächsten Winter wieder eine Rostspur entlang der Kante.

Den Puristen zum Trotz lässt sich die Naht natürlich ein wenig keilförmig öffnen, primern und mit den bekannten dauerelastischen Fugendichtungsmassen (nur kein Silikon!) abdichten. Diese Maßnahme hält sicherlich zwei, drei Jahre länger, jedoch ist die Feuchtigkeit mit der Rostbrühe nun eingesperrt. Will man das?
Sollte man der nachhaltigen Sorge nach dem Korrosionszustand der Kielbolzen nachgeben und entscheiden, den Ballast einmal abzunehmen und die Kielbolzen zu erneuern, ergeben sich ganzheitliche, wenn auch nicht ganz einfache und nicht ganz billige Möglichkeiten:
Der Ballast ließe sich zu einem Strahlunternehmen transportieren, abstrahlen und sechsmal mit einer Epoxibeschichtung versehen.
Es gibt mittlerweile auch mobile Strahlunternehmen , die sozusagen “ins Haus” kommen.
Bei einer Epoxibeschichtung ist unbedingt auf die vorgegebenen Temperaturen und relativen Luftfeuchtigkeiten zu achten. Wichtig bei der Erstbe-schichtung ist, dass diese unverzüglich nach dem Strahlen vorgenommen wird, bevor sich Flugrost in die Poren des Graugusses setzt.
Bei Einhaltung dieser Maßnahmen sollte der Gussballast ein paar Jahre Ruhe geben.


Beurteilen und Ziehen von Kielbolzen

Bevor jedoch zu diesem aufwändigen und kostspieligen Unternehmen geschritten wird, sollte man versuchen, sich ein Bild von dem Zustand der Kielbolzen zu verschaffen.
Es gibt Methoden, die Kielbolzen per Ultraschall untersuchen zu lassen. Diese Untersuchung wurde bei der “Sphinx“ vom TÜV durchgeführt. Die Untersuchung war nicht billig und wurde auch anschließend nicht verifiziert, mit anderen Worten: So genau kennt man den Zustand danach auch nicht.

Am besten versucht man selbst die Bolzen zu untersuchen, indem ein oder zwei Präzedenzbolzen gezogen werden - und zwar einen, der am tiefsten im Wasser steht, und einen, der weiter oben, also trockener steht.
Das heißt: Schiff hoch aufpallen oder Loch unter Bolzen buddeln, von oben (innen) Mutter, wenn noch gangbar, zwei, drei Umdrehungen zurückdrehen und mit Hammer angemessener Größe versuchen, den Bolzen herauszutreiben. Bei negativem Ergebnis die oben beschriebene Methode mit Öldruckpumpe anwenden.


Die Kielbolzen sind im Bereich des Eichekiels stark korrodiert.

Wird aufgrund des Zustandes der Probebolzen ein Ziehen aller Bolzen notwendig, so ist es vorteilhaft einen Kran einzusetzen, der das Boot an den Überhängen nach Lösen aller Muttern anhebt. Im schönsten Fall hebt sich das Boot und der Ballast bleibt liegen.
Andernfalls muss hier mit Keilen und Vorschlaghämmern nachgeholfen werden. Nach vollzogener Trennung stecken die Bolzen nun im Ballast und lassen sich jetzt einfacher, nötigenfalls mit viel Wärme austreiben.
Neue Kielbolzen sollten aus seewasserbeständigem rostfreien Stahl, mindestens 1.4571, auch als V4A bekannt, oder Siliconbronze hergestellt werden.

Die Wahl des Dichtungsmittels zwischen Totholz und Ballast trennt hier erneut Puristen von Pragmatikern. Die einen schwören auf Bitumen mit Teerfilz, die anderen auf angedicktes Epoxydharz im sicheren Bewusstsein, dass der Ballast nie wieder gelöst werden soll ...

Alle Zeichnungen: J. Börms



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