PFLEGE & RESTAURIERUNG

Motorboot Surprise

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Länge 6,5 m ü.A.
Breite 2,0 m ü.A.
Verdrängung ca. 1,4 t.

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Die Bilder 1  bis 4 zeigen das Boot, wie wir es im Dezember 1995 gekauft haben. Die Bilder wurden im Januar 1996 gemacht
ACHTUNG! Nächste Woche wird die Fotosammlung noch durch 60 weitere Fotos ergänzt!

Motorisierung: 2 St. Wartburg, 992cm3, Verdichtung 7,5:1, Leistung je ca. 50 PS (36,8 kW),
Drehzahl max. 4000 U/min bei Vorausfahrt und 1000 U/min bei Rückwärtsfahrt (Getriebeherstellerangabe).
Benzingemisch 1:50 bis zu 1.33 (Mischölherstellerangaben beachten).
Wendegetriebe: 2 St. Lewo 20.
Kühlwasserpumpen: z.Z. 2 St. Jabsco. Umbau auf Zahnradpumpen in Planung.

Bausubstanz: Holz
Baujahr: ??? 1974 ???
Bauwerft: ??? VEB Müggelspree DDR ??? - Nach der Wende wurde diese Firma aufgelöst.

Kaufdatum: Dezember 1995

Zustand: Am Rumpf sind die Scheuerleisten zum Teil abgefault, die Rumpfbeplankung ist zum Teil seitlich am Heck im Übergang zum Deckbelag angefault. Risse im Holz. Lackierung schadhaft.
Deck: Das 5 mm Sperrholz ist zum Teil lose und angefault. Motorraumdeckel mit weißem Kunstleder überzogen und schadhaft. Seitlicher Spülrand zum Innenraum weiß lackiert. Alle Aluteile angelaufen, zum Teil sehr stark. Lackierung schadhaft.
Motoranlage: Beide Motore laufen nicht, Kühlwasseranlage defekt, beide Schaltgetriebe defekt, Motorelektrik defekt, Kraftstoffanlage defekt, Starterbatterie defekt.
Beleuchtung entspricht nicht BSH.
Sitze: 2 Sessel - Holzgestell mit weißem Kunstlederbezug - defekt. Eine Sitzbank - Holzgestell mit weißem Kunstlederbezug - noch brauchbar.
Armaturenbrett, mit weißem Kunstleder bezogen, sehr schlecht verarbeitet. Tankanzeige defekt, Schalter zum Teil defekt, Drehzahlmesser defekt, Anlenkung der Ruder über Seilzug nicht funktionsfähig, Logge defekt, Gaszüge fest, Radio, Kompass und Rückspiegel, Holzteile des Innenraumes in sehr schlechtem Zustand.
Wellenanlage funktionsfähig.
Ruderblätter funktionsfähig.
Klampen zum Teil lose und gammelig
Kraftstofftank aus Pkw ca. 40 Liter, undicht.
Elektrische Anlage defekt.
Badeleiter in gutem Zustand (bestes Teil am Boot).
Anhänger nicht fahrtauglich und ohne Zulassung.
Papiere keine.
Historie keine.
Kaufpreis 1750,00 DM.


Die ersten Arbeiten an unserem neuen Boot waren das Aufräumen und Untersuchen der Bootssubstanz, das Feststellen von Schäden - oder besser gesagt, zu schauen was noch in Ordnung oder noch brauchbar war.
Unser Ziel war, das Boot bis zum Sommer 1996 betriebsbereit zu haben. Ein Urlaub auf Korsika war geplant und das Boot sollte mit.

Durch viele Gespräche mit Bootsbauern aus Berlin und Brandenburg versuchten wir den Hersteller des Bootes herauszufinden. Dies gelang nicht zu unserer Befriedigung und so nahmen wir als Hersteller die Bootswerft VEB Müggelspree an. VEB Müggelspree existierte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Weniger Probleme machte die Suche nach dem Hersteller der Wendegetriebe, der Firma Klaus Lehmann. Die Überraschung war bei Lehmanns groß, als einer aus dem Westen anrief und Informationen und Ersatzteile für ihre Getriebe haben wollte. Einen Auspuffkrümmer bekam ich von der Fa. A. Schulz, Berlin. Neue Wellenlager mit 20 mm Durchmesser lieferte die Firma D. Kanzliwius, auch aus Berlin. Alle Kontakte mit den Firmen waren gute Kontakte. Sie bestehen zum Teil heute noch.

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Bild 5 zeigt das Boot im Mai 1998 nach Abschluss der Arbeiten.

Nach Sichtung der Schäden beschloss ich, die Arbeiten an der Bootsschale und am Deckbelag auf einen späteren Zeitraum zu verschieben. Wichtig war, die Motoren wieder zum Laufen zu bringen und die Technik, das heißt Elektrik, Kühlung, Getriebe und Steuerung, zum Teil zu erneuern oder zu reparieren.

Die Motoren wurden gesäubert, neue Froststopfen wurden eingeschlagen, die Gleichstromlichtmaschinen wurden gegen Drehstromlichtmaschinen ausgetauscht. Beide Anlasser wurden erneuert. Die gesamte Motorelektrik wurde erneuert. Die Vergaser wurden überarbeitet. Beide Kopfdichtungen wurden ersetzt. Die Unterbrecherplatten mussten ausgetauscht werden, da die Schmierfilze fehlten. Ich baute mir Werkzeug für die Einstellung der Zündzeitpunkte. Die Motoren wurden neu eingestellt.
Nach Beendigung der Arbeiten an beiden Motoren wurden die Vergaser mit Benzingemisch versorgt, Zündspannung angelegt und Strom auf die Anlasser gegeben. Ein Wahnsinnsgeräusch, als beide Motoren gleich anliefen. Nach kurzem Lauf wurden sie wieder abgestellt, da die Kühlanlage noch nicht funktionierte und eine Überhitzung der Motoren drohte.

Nachdem beide Motore einwandfrei liefen, wurde mit dem Aufbau der Kühlanlage begonnen.
Gerne wollte ich die vorhandenen Impellerpumpen erhalten, da diese auch je einen Anschluss für die mechanischen Drehzahlmesser hatten. Aber alle Teile der Pumpen waren durch Rost so zerstört, dass ein Wiederaufbau unmöglich war. Schweren Herzens entschloss ich mich, Jabsco Pumpen einzubauen. Einige Schlauchanschlüsse und alle Gummischläuche wurden erneuert. Für später ist der Einbau von neuen Außenbordanschlüssen für Kühlwasser und neuen Kugelhähnen im Austausch gegen die vorhandenen Drehschieber geplant.

Nachdem beide Motore und die Kühlanlage funktionsfähig waren, ging es an die Überarbeitung der beiden LEWO 20 Getriebe. Die Getriebe wurden gesäubert, alle defekten Teile getauscht. Es war erstaunlich wie viele kaputte Federn und andere Metallteile in einem solchen Getriebe Platz haben, ohne die Funktion groß zu beeinflussen. An dieser Stelle meinen besonderen Dank an die Firma Lehmann, die mich telefonisch unterstützte und für Ersatzteile sorgte. Die Firma Lehmann überarbeitete auch, nach dem Urlaub 1996, beide Getriebe in Rüdersdorf.

Nachdem nun auch die Getriebe einsatzfähig waren, wurde eine neue Startbatterie mit 88 A/h eingebaut. Alle Elektrokabel wurden zwischen Motorraum und Fahrstand erneuert. Die Schalter und die Rundinstrumente wurden ebenfalls erneuert und verkabelt. Ein Problem waren die Drehzahlmesser, ich bekam keine geeignete für 3 Zylinder/Zweitakt Motoren. Mit etwas Glück und nach langem Suchen fand ich VDO Drehzahlmesser, die für meine Zwecke geeignet waren. Ich baute für jeden Motor eine Induktionsspule, welche an einem Zündkabel angebracht wurden, die Drehzahlmesser wurden justiert und sind heute noch eingebaut und funktionsfähig.
Die alte Beleuchtungsanlage wurde abgebaut und durch BSH zugelassene Lichter ersetzt. Ein kleiner Mast für Ankerlicht, Funkantenne und GPS– Antenne wurde eingebaut. Alle dafür benötigten Kabel wurden erneuert, da die alten Kabel vergammelt waren.
Zwei neue Bilgepumpen ergänzten die Elektroinstallation.
Danach wurde die Ruderanlage aufgearbeitet. Die Umlenkrollen und das Seil wurden entrostet und gefettet, die Ruderschäfte wurden gesäubert und gefettet, und, und, und.


Nachdem auch diese Arbeiten abgeschlossen waren, hatten wir ein Holzboot welches von der technischen Seite her einsatzfähig war, aber das Holzgerüst bedurfte noch einiger Arbeit.

Diese Arbeiten mussten zu einem späteren Zeitpunkt geschehen. Der Lackanstrich wurde im Überwasserbereich nur angeschliffen und mit Hempels Yacht Varnish dreimal gestrichen. Danach erhielt unser Boot seine Beschriftung mit Klebebuchstaben. Es wurden Bilder gemacht und ein Flaggenzertifikat bei dem BSH beantragt.
Wir zogen ganz vorsichtig unser Prachtstück auf dem schrottreifen Anhänger ca. 40 km zu einem Bootsanhängerbauer in der Nähe von Lohr a.M. Dieser fertigte für unser Boot einen tollen Anhänger. Nach der Abholung des Anhängers ging es zum erstbesten Slip am Main zur ersten Probefahrt. Diese Probefahrt verlief wieder erwarten zur vollsten Zufriedenheit.
Es traten kleine Fehler auf, die aber mit wenig Aufwand nachgearbeitet wurden. Nach der Probefahrt fertigte ich noch eine neue Abdeckplane aus Kunststoffmaterial, welches auch für Lkw Planen verwendet wird, an. Das Unterwasserschiff erhielt einen neuen Anstrich. Alle Arbeiten erstreckten sich über gut 6 Monate.

Korsika war angesagt. Es ging 4 Wochen auf diese schöne Insel. Wir lernten erst auf dem Meer, mit unserem Boot richtig umzugehen. Wahrscheinlich wegen der vorhandenen Sicherheitsausrüstung kam es zu keiner gefährlichen Situation. Wir brauchten nicht mal ein Pflaster aus der Bordapotheke. Nach ein paar Ausfahrten ging ein Anlasser kaputt. Auf ganz Korsika war kein passender Anlasser zu bekommen und so schickte uns ein Freund aus Deutschland einen auf die Insel. Dieser Anlasser war 11 Tage mit dem Paketdienst, der dunkelbraune Autos mit goldener Schrift nutzt und mit zwei Tage weltweit wirbt, unterwegs. Tja, Korsika ist weit weg. In dieser Zeit unternahmen wir nur kleinere Ausfahrten mit der zweiten Maschine. Es war eine tolle Zeit, mit dem eigenen Boot zum Tauchen zu fahren oder auch einfach nur so Gas zu geben. Einheimische ältere Fischer und auch andere fragten immer wieder, ist dies ein Holzboot, und waren erstaunt wie als Antwort „JA“ kam.

Wieder zuhause, wurden alle Schlauchschellen und nicht-VA-Anbauteile durch VA Teile ersetzt.
Es folgten Ausfahrten auf dem Main im Winter und einige schöne Ausfahrten im Jahre 1997.
Da das Ausbessern der Holzteile immer noch anstand, entschloss ich mich, dies im Winter 1997/98 durchzuführen.

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Die Bilder 6 bis 9 zeigen die Umbauarbeiten.

Es nutzte alles nichts, die geplanten Arbeiten mussten durchgeführt werden. In Januar 1998 wurde damit begonnen. Alle Arbeitsschritte hier aufzulisten, wäre Buch füllend, daher nur eine Auflistung der durchgeführten Arbeiten.
Allein der Kauf der Bretter für das Schandeck/Leibholz war mit Problemen behaftet. Es dauerte einen halben Tag, bis wir zwei gut geeignete Bretter am Lagerplatz meines Holzhändlers gefunden hatten. Das Problem war die Holzart sowie die benötigte Breite und Länge der Bretter.

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Nun die Auflistung der Arbeiten:
- Abbau des Sperrholzdecks und Neubelag mit 18 mm Leisten aus Dark Red Meranti Holz.
- Ausbau und Erneuerung aller angefaulten und verfaulten Teile des Holzgerippes.
- Einbau eines 80 l Benzintanks aus Kunststoff.
- Einbau einer neuen Ruderansteuerung.
- Erneuerung der Außenbordanschlüsse für Kühlwasser und Bilgepumpen.
- Einbau von neuen Gaszügen.
- Verlegung aller losen Kabel in Kunststoffrohre.
- Neubau der seitlichen und hinteren Scheuer- und Griffleisten aus Merantiholz.
- Ersatz der umlaufenden Aluminiumleisten durch etwas breitere Gummileisten.
- Neubau des Armaturenbrettes in Eschenholz.
- Einbau einer Ankerkiste mit Decksluk in das Vorschiff.
- Einbau von versenkbaren Edelstahlklampen.
- Einbau von neuen Scharnieren und Verriegelungen für die Motorraumluken
- Neubau der vorderen und seitlichen Fensterhalterungen in Eschenholz.
- Einbau von neuen Wellen inklusive neuer Wellendurchführungen und neuer Wellenlagerböcke.
- Neue wasserdichte Lautsprecher für das Radio.

- Aufbringen der Lackierung des Überwasserbereichs nach Herstellerangaben mit Hempel Jacht Varnish und des Unterwasserbereichs mit Epifanes Antifouling.

Nach Abschluss aller Arbeiten hatten wir ein schmuckes Boot. Wir brachten es zum Liegeplatz und hatten einige schöne Ausfahrten im Sommer 1998. Beim Einmotten des Bootes im Herbst zeigten sich einige kleine „Kratzer“ in der Lackierung.

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Bild 10 zeigt die Risse in der Lackierung im Oktober 1999.

Im Frühjahr 1999 wurde es wieder zum Liegeplatz gebracht und über den Sommer immer wieder mal gefahren. Im Verlauf des Sommers zeigte sich, dass die „Kratzer“ kleine Risse waren, welche sich über die Sommermonate vermehrten. Dies war im Herbst so schlimm, dass man das Deck nur noch mit Schuhen betreten konnte. Der Lack riss an allen Stellen, welche nicht durch die Abdeckplane gegen Sonnenlicht geschützt waren, ein und fing an abzublättern.
Dies hatte zur Folge, dass alle Holzteile des Überwasserschiffes wieder bis auf den Grund abgeschliffen und neu lackiert werden mussten. Nein, sie wurden nicht lackiert, sie wurden geölt. Das Holz wurde mit Owatol Deks Olje D 1 durchtränkt. Danach folgte die Behandlung mit Owatol Deks Olje D 2, welches 23 mal aufgetragen wurde. Die Erneuerung des Anstriches erstreckte sich von Oktober 1999 bis zum Mai 2000. An dieser Stelle Dank an Frau Heidrun Enke von der Firma Vosschemie für die telefonische Unterstützung bei der Fehlersuche und der guten Beratung bei der Erneuerung des Anstrichs.
Diese „Lackierung“ ist heute noch in einwandfreiem Zustand.

Zwischen den Trocknungsphasen baute ich noch 2 Kisten als Sitzgelegenheit und Stauraum und die angerostete Ruderanlage (Blätter, Anlenkhebel, Koker Buchsen, Bolzen) wurde durch eine neue Ruderanlage aus VA ersetzt. Die GPS- und die Funkantenne wurden abgebaut, da sie nicht mehr benötigt werden.

Eine neue Abdeckplane, die über das ganze Deck geht und aus einem leichten Kunststoffmaterial besteht, baute uns ein professioneller Planenbauer. Diese Abdeckung ersetzte die von mir 1996 gebaute Plane.

An Erneuerungen von 2000 bis heute waren nur der Austausch der vorderen Bilgepumpe und der Austausch der elektronischen Logge fällig.

Der Austausch beider Jabsco Kühlwasserpumpen gegen Zahnradpumpen steht noch an. Mal sehen, wann ich Zeit und Lust dazu habe.
Ein Sonnenschutz für den Fahrbetrieb wäre auch noch eine gute Ergänzung des Bootes.

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Bild 11 zeigt den Bootskörper nach der Neulackierung Ende März 2000.


Mein Dank an Stephan für den technischen Beistand und an Wolfgang, den Fachmann für alle Probleme rund um die Wartburgmotoren.

Eine Dokumentation über die benötigte Arbeitszeit und die Kosten für Teile, Lack usw. habe ich nicht aufgestellt, da es von Anfang an feststand, dass eine Neuanschaffung eines Bootes günstiger gewesen wäre. Es hat aber viel Spaß gemacht, die Surprise in den heutigen guten Zustand zu bringen.


Adressen: Maschinenbau Lehmann, Rüdersdorf, Telefon 033638 -60053, Wendegetriebe
A. Schulz, Bootszubehör, 12437 Berlin, Telefon 030 / 5327846 , Auspuffkrümmer
D. Kanzliwius, Mühlenweg 52, 12589 Berlin, Telefon 030 / 6480728 Wellenlager

Andreas Tasch, Karl–Glöckner–Straße 7, 63589 Linsengericht
Stand Januar 2008


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