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PFLEGE & RESTAURIERUNG
Tina: „Ein spiegelnder Traum...“
Behutsam und konsequent: Eine Komplett-Restaurierung
von S & P
Die „Tina“ ist ein Seekreuzer Typ Wega 38, ein 1964 in Stettin gebautes Serienschiff, das damals über einen Importeur in Geesthacht angeboten wurde.
Auf der Hamburger Bootsmesse 1964 bezeichnete man die Wega als „einen spiegelnden Traum in Teak und Mahagoni“, welcher gut neben der 7 KR von A&R bestehen konnte, und 1965 in Berlin als eines der schönsten Schiffe der Messe (Zitate aus dem Yacht Archiv: z.B. Heft 14/1964).
Das verwunderte auch nicht, denn die ersten Werften schwenkten auf Kunststoff um, und hier wurde noch mal ein solides Vollholzschiff angeboten, das nach dem Lloyd´s Register of Shipping, Klasse 100A zertifiziert war und nach KR (7,2) und RORC vermessen werden konnte.
Konstruiert von R. Langner & K. Michalski bot sie einen Riss, der nicht nur schön aussieht, sondern fantastische, stabile und schnelle Segeleigenschaften besitzt und weich durch die Wellen geht.
Wie kamen wir zu unserer „Tina“? Nun, 1992 bekamen wir Familienzuwachs, da mussten auch die Hobbies angepasst werden! Hat man selber mit den Eltern und zwei Brüdern viele Segelurlaube erlebt, verfügt man über tolle Erinnerungen, die soweit reichten, dass auch die bisher nicht segelnde Sabine vom Abenteuer eines eigenen Schiffes überzeugt werden konnte.
Es war Oktober, die Saison war beendet, und ich glaube, der 75jährige Sailor aus Fahrensodde war froh, zu dieser Zeit noch einen Käufer für „seine Annemarie“ gefunden zu haben, mit der er gerade noch in Norwegen gewesen war. Und wir waren froh, so viel Schiff für 37.000 DM zu bekommen.
Es folgten viele erfüllte Jahre mit wirklich traumhaften Urlaubstörns, jeder, der es erlebt hat, kennt das, schön segeln, neue Minihäfen in DK erkunden, und glückliche Kinder, die Krebse keschern!
Natürlich hatten wir auch viel Arbeit mit gekauft, so ist das mit einer Holzyacht, es ist einfach mehr Pflege erforderlich als bei einer Plastikschiff. Nach 12 Jahren intensiver Nutzung wurde uns langsam klar, dass wir mit kleinen Schönheitsreparaturen nicht mehr gegenan kommen: Die „Schwarzen Stellen“ an Aufbau, Cockpitsüll und Schanz nahmen zu, hier halfen auch kein Abziehen und Neulackieren mehr. Außerdem wurden zunehmend versteckte Schäden sichtbar, z.B. leichte Rostschlieren aus Stahlbolzen-Verbindungen im Bereich der Wrangen.
Der hinzugezogene Fachmann resümierte: Das muss alles raus, weil der aufquellende Rost der Bolzen das Holz und damit die gesamte Struktur schädigt.
Den Lösungsansatz haben wir dann auf der auf der Boatfit in Bremen gefunden, eine kleine Werft in Grödersby bei Kappeln an der Schlei. Dort wurde eine mehrstufige Strategie vorgeschlagen: Erst mal das Unterwasserschiff, dann wieder segeln, und dann weitere Schritte wie Deck und Aufbau. Ziel des Vorgehens: Das Interesse am Schiff erhalten, weil man zwischendurch wieder mal segeln kann und sich die erforderlichen Investitionen auf der Zeitachse verteilen.
Das schien uns schlüssig, zumal wir unter fachkundiger Anleitung auch mitmachen durften! Also war die Entscheidung gefällt, die Saison 2005 gestrichen, statt ins Wasser per Trecker von Gelting nach Grödersby.
Beim ersten Arbeitseinsatz wurden zwei Bilgeplanken und alle Stahlwrangen im Kielbereich herausgenommen (mehr geht nicht, um die Stabilität nicht zu gefährden). Das Bild war erschreckend, die ehemals verzinkten Schlossschrauben waren zu 50% weggerostet.
Die laminierten Spanten unter den Wrangen sprangen teilweise auf oder waren so zersetzt, dass ein partieller Neuaufbau erforderlich wurde. Nach dem ersten Jahr hatten wir ein Unterwasserschiff, welches im Bereich des Kiels komplett überarbeitet, neu beplankt und ausgeleistet war, das sah echt „lecker“ aus, und machte Hunger auf mehr!
Die nächste Saison stand an, Jobwechsel - viel zu tun, das Schiff gerade so schön trocken (und ohne Innenausbau), also weitermachen. Motor, Motorlager raus, Wrangen bis zum Heck, die Planken am Ruderschaft neu. Und ach - da waren noch sieben ehemals 25mm starke Kielbolzen. Also das Schiff über 1m hochbocken und dann alles nutzen, was technisch möglich ist, Hydraulikzylinder inklusive, um die alten Bolzen herauszubekommen. Auch hier wieder ca. 50% Verlust des Originalmaterials speziell im Bereich des Kielschweins aus Eichenholz.
neue Planken und Stahlwrangen
Kielbolzen alt-neu
Wieder war ein Jahr um, der neue Motor sah wirklich ordentlich aus, also gleich noch das Vorschiff.
Und wieder war ein weiteres Jahr um, das Unterwasserschiff war komplett überholt, die ersten 70.000€ investiert, und nach dem Anstrich war fast nichts mehr davon zu sehen!
Leider kam dann schon wieder ein Jobwechsel und diesmal war gar keine Zeit mehr. Also fiel die nächste Entscheidung: Weitermachen, und zwar das Deck, endlich mal was fürs Auge!
Das Deck war mit Schanz und BB-Aufbau nach zwei Tagen mit zwei Mann komplett entfernt, und es wurde einiges klarer: Die Unterstruktur mit Schlingen war teilweise rott, die Folge versteckt eingedrungenen Wassers.
Die Seitenwände des Aufbaus sind ebenfalls mit Stahlbolzen verschraubt, hinter den mir bekannten „Schwarzen Stellen“ versteckten sich aufgequollene Rostbolzen, bei 25mm Wandstärke und ehemals 8mm Bolzen keine reparierbare Lösung, das Rausreißen war die richtige Entscheidung.
Und natürlich hatten die ganzen Verstärkungsknie hatten auch Stahlbolzen.
Das Kokerrohr zeigte die gleichen Symptome.
Wieder war Sommer, jetzt schon 2009: Es gibt schöne Ferienhäuser in Grödersby, mit dem Rad kann man wunderbar zur Werft fahren - und nach getaner Arbeit einen Spaziergang an der Schlei machen mit anschließendem Bierchen. Langsam gewöhnten wir uns das Segeln ab!
Die Werft-Crew baute alles neu auf, Decksstruktur, Schandeck und Sperrholzdeck, Schanz BB- Seitenwand - wir halfen immerhin sporadisch mit, das zugeschnittene Sperrholzdeck zu streichen.
Es war mal wieder Boatfit in Bremen und wir hatten ein neues Ziel: Mai 2010 sollte alles fertig sein!
Zur Kostenreduzierung und zur Vermeidung von Verschraubungen durchs Teakdeck entschieden wir uns für ein vorgefertigtes 8mm Teakdeck von Gorres aus Bremen-Woltmershausen. Der Teakdeck-Profi macht seit über 25 Jahren nichts als Teakdecks und versprach, die 12m Laufdecks jeweils in einem Stück mit Montage vor Ort zum Festpreis zu liefern!
Das Ergebnis ist wirklich überzeugend und kann weiterempfohlen werden. Nach zwei Tagen war alles montiert und verfugt - das ist jetzt wirklich sehr schön anzusehen!
Langsam wurde es wirklich wieder ein schönes Schiff, aber die „Restarbeiten“ immer noch so umfangreich, dass der Mai 2010 gestrichen werden musste.
Leider ging auch langsam das Geld aus, mit allem „Drum und Dran“ wurde reichlich in die „Tina“ investiert (mein Gott, was hätte man da alles für kaufen können?!).
Also neues Ziel: Mai 2011!
Jetzt konnten wir in Ruhe das neue Cockpitsüll bauen lassen es hatte natürlich die gleiche Stahlbolzen-Krankheit - den Innenausbau überarbeiten und wieder montieren. Motortechnik, Elektrik, Beschläge und den ganzen Lackaufbau.
Das war noch einmal genug Arbeit für die nächsten 12 Monate!
Es ist soweit
Das war unspektakulär: Werftmeister Niels hatte den Rumpf bereits seit Wochen von innen unter Wasser gesetzt, so dass wir umgehende Schwimmfähigkeit hatten. Das Bild nach dem Aufriggen werden wir wohl nie wieder vergessen, da lag sie wie neu!
Und dann der erste Probetörn auf der Schlei wir konnten es noch, die „Tina“ auch wieder - und wie!
Nur vier Wochen später ging es von Gelting auf Urlaubstörn: Dyvig, Ankern in der Sandvig Bucht bei Hejsager Strand, Aerosköbing und alles, was wir 6 Jahre nicht mehr erleben durften!
Neben zig anerkennenden Kommentaren zur tollen Erscheinung der „Tina“ (zwischen all diesen Wohnraumwundern) ist vor allem aufgefallen es „knackt“ nichts mehr, der Rumpf geht ohne hörbares Arbeiten seidenweich durch die Wellen!
Und heute: „Lessons Learned“?
Wir haben das Thema sowohl zeitlich als auch finanziell deutlich unterschätzt:
Zum Einen wurden die eigenen Möglichkeiten der Mitarbeit überschätzt, hier hat die Nettoverfügbarkeit durch den Job, aber auch die Entfernung zum Projekt (270 km) einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Zum Anderen ist klar hervorzuheben, dass zum langfristigen Erhalt der Struktur ein Austausch von verzinkten Stahl-Verbindungselementen, Kokerrohr etc. zu 100% unumgänglich ist. Das heißt aber auch, es muss Zugänglichkeit übers gesamte Schiff geschaffen werden - und damit hat man die oben beschriebene „Großbaustelle“.
Unser Resümee:
Lohnt sich das? (Die Frage ist nicht zulässig, trotzdem...) Aus kaufmännischer Sicht nicht.
Doch es wurde eine der letzten Vollholz-Serien-Segelyachten substanziell wieder hergestellt und kann mit ruhigem Gewissen und viel Freude die nächsten Jahrzehnte gesegelt werden. Allein das damals verbaute Holz ist heute kaum noch in der Qualität zu bekommen, verbaut in einer solchen Schönheit und jetzt verbunden durch Edelstahl, das macht uns stolz.
Na ja, und 15 Jahre segeln werden wir wohl noch zusammen also lohnt es sich doch!
Dank an dieser Stelle noch mal an die Profis Peter Gorres und Stephan Ernst Schneider mit ihren Teams, wir haben unendlich viel gelernt und trotz der vielen Arbeit auch eine Menge Spaß gehabt!
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