"Felix B." - Drachen

Text, Fotos: Dietmar Wieczorek

Die ganz alten Drachen sind ausgestorben ! Wirklich ?
Im Yachtclub Gode Wind -in Kiel- gibt es noch einen. Er ist zwar schon sehr betagt, doch durch liebevolle Pflege wirkt er noch recht jugendlich. Johann Anker, Konstrukteur der Drachenklasse, hätte gewiß seine Freude beim Anblick dieses Exemplars, das 1938, also zehn Jahre nach seinem ersten Entwurf, gebaut wurde.

Im Jahr 2003 ist die kleine Yacht also 65 Jahre alt und gehört damit wohl zu den ältesten noch erhaltenen Drachenbooten. - Das fordert zu einem kleinen Rückblick auf.

1983 entdeckten der heutige Eigner, Dietmar Wieczorek, und sein Freund und langjähriger Miteigner, Röttger Fuhrmann, eine "günstige Gelegenheit". Was sie sahen, war ein heruntergekommenes, zerlöchertes Wrack, dessen Planken so schwach waren, daß Menschen (und gewisse Tiere) das Boot längst verlassen hatten. Dennoch, die Eleganz der Linien war unverkennbar, und so sahen sich Fuhrmann und Wieczorek bereits im Geiste auf ihrem schmucken, renovierten Drachen durch die Wogen der Ostsee gleiten.

Der Traum war Wirklichkeit nach zwei Jahren mühevoller Arbeit: Entfernung der alten GFK-Beschichtung, Auswechslung der morschen Bodenwrangen, Spanten und Planken, Anschäften eines neuen Bugs, Diagonalaufplankung des Rumpfes mit fünf Millimeter dicken und 100 Millimeter breiten Furnieren aus kanadischer Rotzeder, Ersatz zerbrochener Decksbalken, Deckserneuerung mit Sperrholz und Teakstabdeckleisten, Kajütneubau nach traditionellen Plänen in Mahagoni- und Teakholz, Anfertigung einer neuen Ruderanlage, Erneuerung aller Beschläge aus Niro, Ausstattung mit "modernem" Alu-Rigg (von 1972, Reckmann&Schuldte) und vielem mehr. (Siehe auch Yacht-17-1986, "Holzrumpf wie neu")



Die Eigner, Mitglieder des Yachtclub Gode Wind, tauften ihr Schiff im Juli 1985 und gaben ihm eine gleichermaßen neue wie alte Heimat am Steg 8 in Kiel-Schilksee.

Alte Heimat? Richtig! so manch ein Clubkamerad erkannte in dem "neuen" Drachen "Felix B." das ehemalige Clubschiff "Felix Berger" wieder. Ältere Godewinder wußten zu berichten, daß Konsul Berger in den zwanziger Jahren ein wohlhabender Danziger Kaufmann, Mäzen und Kommodore des DZYC war. Ihm zu Ehre und Erinnerung erhielt der Drachen, Clubschiff von 1968 bis 1971, seinen Namen.

Schiffe sind bekanntlich weiblich, daher ist es eigentlich nicht gestattet, sich weiter mit der Vergangenheit der "alten Dame" zu beschäftigen. Doch sollten die neugierigen Fragen nach ihrem Vorleben, die wo immer sie auftaucht, gestellt werden, nicht dem Hafenklatsch überlassen werden. Die Recherche ihres Vorlebens ergab:

Gebaut in Holland 1938, Segelnummer D, H16. Kriegszeit in holländischer Scheune verbracht. Danach bis 1958 auf holländischen Binnengewässern gesegelt. Der Mast - ein schweres Vollholzexemplar, ohne Jumpstag, mit "Kälbern" zur Befestigung der verzinkten Wanten und Stagen - konnte, der vielen Brücken wegen, mit wenigen Handgriffen gelegt werden. Zwei Kojen, Schiebeluk und Klappschotten kennzeichneten (so auch nach der Restaurierung) die Originalversion.

1959 kam das Boot aus Holland in die Obhut eines Kieler Eigners und kein geringerer als Bruno Splieth trimmte es für die Ostsee.
1960 bis 1964 war der bekannte Kieler Architekt und Segler Herbert Weidling Eigner. Er überholte den Rumpf eigenhändig und entdeckte dabei den Namen "Maria Lecina" aus der holländischen Zeit. Aus "Herbies" Ära gibt es manch abenteuerliche Geschichte zu berichten. Vom Kampf des Drachen mit haushohen Wellen, verführerischen Meerjungfrauen, Beinahe-Strandungen, fröhlichen Hafenrunden aber auch von siegreichen Wettfahrten.

Nächster Eigner wurde Dr. Wesendahl, dessen Seelandumrundung mit Horst Gerschewski als "Ritt auf dem Drachen" durch mehrere Folgen in den Kieler Nachrichten dem zeitgenössischen Publikum bekannt wurde. Dr. Wesendahl stiftete das Schiff 1968 der Jugendgruppe des Y.C. Gode Wind.

Die jungen Skipper von damals sind heute honorige Segler, die sich mit verschmitztem Lächeln an ihre ersten Segelabenteuer auf dem Clubschiff erinnern. - Jugendsegler sind keine Bootsbauer. So ist es nicht verwunderlich, das der Zustand der Holzyacht 1971 schließlich sehr bedenklich war.

Dietrich Steinke übernahm den Drachen und gab dem Rumpf durch das Auflaminieren einer GFK-Außenhaut und die Erneuerung der Kielbolzen die Seetauglichkeit zurück. Die brauchte das Boot auch, denn Steinke, als harter Segler bekannt, scheute nicht Sturm noch Welle bei seinen vielen Ostseetörns.

1978 wechselte das Schiff erneut den Besitzer, dessen Zeit zum Pflegen wohl sehr begrenzt gewesen sein mußte. - Ein Autokran hievte im November 1982 das am Jollensteg leckgeschlagene und gesunkene Boot aus dem Schilkseer Hafen.

Das war zunächst das Ende des alten Drachens, bis im Sommer 1983 - wie erwähnt - die zweijährige "Verjüngungskur" begann. Inzwischen hat die kleine Yacht "Felix B." Wind, Wellen und die Ostseehäfen wiederentdeckt. Viele Pokale erinnern heute an erfolgreich gesegelte Regatten.

Mögen dem Drachen "Felix B." noch viele, glückliche Segeljahre beschert sein.

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