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HAVEL - KLASSIK 2003
feucht, hart, lässig

aufgeschrieben von Jutta Boergers, Foto Sönke Hucho


Für besonders Glückliche beginnt die Havel-Klassik bereits in Köpenick mit dem traditionellen Schlepp auf historischer Route. Auch in diesem Jahr bugsiert uns der historische Schlepper Aurora (1920) sanft und sicher spreeabwärts quer durch Berlin. Pünktlich zur Abfahrt beginnt es üppig zu schütten und hört sobald nicht auf. Überraschend zeigt sich beim Durchqueren der alten und neuen Stadtmitte doch mal kurz die Sonne; und die Gäste nutzen die Chance, einen ungetrübten Blick auf historische und zeitgenössische Bauten zu werfen. Auch wenn man zum noch so vielten Mal diese Tour macht – die rasante bauliche Entwicklung der Metropole schafft immer wieder neue und faszinierende Anblicke. Das macht den vom ASV spendierten Schlepp zum einzigartigen Luxus, das muss einfach mal gesagt werden.
Am Sonnabend, dem 21. Juni, fällt wie geplant exakt um 11.30 Uhr bei NW der Stärke 5 Bft der Startschuss zur Regatta der Havelklassik und die Wetterbedingungen sollen noch härter werden. Die meiste Zeit bläst es dann nämlich mit Stärke 7 Bft. - für Seesegler mag das ja eine milde Brise sein für Berliner Verhältnisse ist es aber schon wild. Deshalb wird auf dem Startboot die Flagge „Schwimmwesten anlegen“ gezeigt, aber von niemandem befolgt, mit der Flaggenkunde scheint es nicht zum Besten zu stehen. Glücklicherweise gab es trotz heftiger Böen keine ernsthaften Havarien. Die mehr oder weniger alten Damen sind offensichtlich noch gut beisammen und die Prosit beeindruckte mit besonders verwegenen Manövern.



Die PROSIT kurz vorm „Allemannüberbordmanöver“

Die einzigartigen Schönheiten der Havel und ihrer Ufer hat wahrscheinlich bei dieser Regatta keiner bewusst wahrgenommen. Bei der nächsten Havel-Klassik kann man es hoffentlich nachholen, einen Blick zu riskieren. Die märchenhafte Pfaueninsel (1794-97 im Auftrag von Friedrich Wilhelm II von Peter Joseph Lenne´ geschaffener englischer Landschaftspark mit einem Schloss im Ruinenstil und Kavaliershaus, das 1824/25 von Karl Friedrich Schinkel erbaut wurde) ist allerdings nicht mehr so wie sie war, denn zwei Tage später entwurzelte hier ein Sturm mit Orkanböen prächtige Ahornbäume, Buchen und Eichen, die um die zweihundert Jahre alt waren und nun für immer verschwunden sind.
Das Signal „Bahnverkürzung“ an der Wendemarke im Jungfernsee war sicherlich allen Teilnehmern willkommen. Ein Beobachter meinte, dass viele „ganz schön fertig“ aussahen.
Die Zeit bis zur Preisverleihung konnte bei Freibier und Bufett sinnvoll genutzt werden. Gleichzeitig waren Fotos und ein Video zu sehen, die alle Yachten an der Wendemarke und im Ziel zeigten. Die Siegerehrung erfreute mit schönen Preisen: mit Liebe ausgesucht und obendrein noch geschmackvoll. Nur zu selten entsprechen die Preise dem erlesenen Geschmack der Eigner klassischer Yachten.
Und es gab auch was zu feiern: den 100sten Geburtstag von der Sonderklasse Benjamin alias Tigra. Fast auf den Tag genau (am 16.06.1903) ist die Yacht in Hamburg in der Oertzwerft vom Stapel gelaufen. Hier beim ASV war der erste Heimathafen von Benjamin/Tigra; der erste Eigner war Hans Harder, der - ebenso wie Max Oertz zu den Mitgliedern des ASV zählte. Allem zu Ehren gab es ein kleines Memorial. Aus dem Fundus des ASV wurden die Schifferstühle und Jünglingsfotos von Hans Harder und Max Oertz gezeigt. Prunkstück der kleinen Ausstellung war das Halbmodell vom Benjamin.
Inzwischen hatte sich das Wetter beruhigt, die Scharfe Lanke schillerte spiegelglatt in der Abendsonne, als wäre nichts gewesen und im Pavian (Pavillon) erfreute das „Bohemia Swing Trio“ aus Prag mit „Barbaras“ wohlklingender Stimme. In lässiger Atmosphäre konnte man auf Schiffen plaudern und erfahren, dass die armen Novizen des ASV am Tag vorher die Stege freimachen mussten, weil Claus Reichardt, der Organisator der Havel-Klassik, den Anblick der klassischen Yachten nicht durch Plastik gestört sehen wollte. Oder man konnte einfach in Ruhe das noble Ambiente genießen.
Der Corso am Sonntag ging auch wieder planmäßig über die Bühne, angeführt von der eleganten Prosit. In ihrem Gefolge spielt das Berliner Stadtbläser Trio klassische Musik auf dem Plattbodenschiff Moses. Gutgelaunt rauschten die klassischen Yachten bei frischem Wind und mit klassischer Musik die Havel runter. Für Sonntagsspaziergänger sicher ein herrlicher Anblick .
Einige hatten dann noch das Vergnügen, nach Köpenick zurückgeschleppt zu werden. Der pfiffige Phoenix (1910) bringt uns über den Teltowkanal bei strahlendem Sonnenschein gekonnt in flotter Fahrt nach Hause.
„Warum tu ich mir das an!“ fragt sich gewiss jeder mal, wenn er nach Regattavorbereitungsstress und einigen Entspannungsdrinks früh morgens zur Regatta schleicht. Am Ende ist es aber doch immer wieder schön bei der Havel-Klassik des ASV. Wer sonst spendiert einen Schlepp mitten durch die Hauptstadt - sightseeing inclusive; wo sonst kann man auf historischem Terrain regattieren, - hier tummelten sich einst der Kaiser, die Prinzen, und Genies wie Albert Einstein und Max Oertz - und das auch noch vor der Kulisse eines landschaftlichen und architektonischen Gesamtkunstwerks, das von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde; und wo sonst kann man schließlich in einem weitgehend im Originalzustand erhaltenen Seglerhaus mit schönem Garten unter prächtigen alten Bäumen relaxed feiern und wird am Ende auch noch nach Hause geschleppt!

Weitere Informationen:
Schleppbeschreibung Havel-Klassik im Mitgliederheft des FKY No. 17/Mai 02
Zu Sonderklassen und Benjamin/Tigra unter www.sonderklasse-yachten.de

Weitere Fotos gibt's auf www.yacht-photo.de - und einen Kalender 2004 mit den schönsten Fotos kann man auch gleich noch bestellen...

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