Der Freundeskreis zeigt sich in der Landschaft der mittlerweile vielen Zusammenschlüsse, Clubs und Assoziationen im Dunstkreis der alten Yachten und Boote nach meiner Ansicht wohltuend selbstbewusst, und er verfolgt recht eigenständig seine Philosophie, seine Ziele und Projekte, ohne sich durch andere und neue Entwicklungen oder Strömungen vom Kurs abbringen zu lassen. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass er sich trotzdem dynamisch entwickelt und durchaus Entwicklungen und Ideen aufgreift, diskutiert, und ernsthaft erwägt. Den Freundeskreis zeichnet in besonderem Maße echte "Basis-Demokratie" aus: Abgesehen vom Formalverein hat er keinen Präsidenten, keinen Kommodore, kein Sekretariat, keine Ämter- und Ausschusswahlen, keine Dogmen usw. - in den Augen etwa unserer schottischen Freunde höchst erstaunlich (und bewundernswert)
Ich möchte auf dem positiven Hintergrund des Freundeskreises gern eine seit längerer Zeit laufende thematische Auseinandersetzungen aufgreifen, die ich für sehr wichtig und bedeutend halte. Es geht hier um die Frage: "Was ist eine Klassische Yacht?", oder auch allgemein um die Klärung, was sind eigentlich maritime Kulturgüter, welchen Denkmalwert haben unsere vielen und so verschiedenen "Lustfahrzeuge", können und sollten wir Kriterien zur Einteilung in Denkmalschutz-Kategorien entwickeln, und anderer Fragen mehr. Neben veröffentlichten und unveröffentlichten Diskussionsbeiträgen, die dieses Thema behandelt oder wenigstens gestreift haben mögen, sollen vor allem 3 Beiträge besonders erwähnt werden.
Im Mitteilungsheft 9 vom Juni '98 widmete Joachim Kaiser dem Thema insgesamt 27 Seiten unter der Überschrift "Reparieren, Restaurieren, Erhalten - Altes Schiff - was nun" mit dem Untertitel "Versuch einer Standortbestimmung für Schiffs-Restaurierungen und maritime Denkmalpflege". Sehr umfangreich beschreibt und definiert Joachim die allerorts benutzten Begriffe, allen voran Denkmal, Museum, Konservieren, Reparieren, Restaurieren. Er illustriert diese Begriffe anhand guter Beispielen und vergisst auch nicht, negative Entwicklungen und Auslegungen und die damit verbundenen Gefahren zu erwähnen. Ein zentraler und immer wieder aufgegriffener Gedanke in seinem Aufsatz ist speziell das Schiff als Denkmal. Im Gegensatz zu anderen Denkmälern, etwa Häusern oder Statuen, spielt bei Schiffen die Funktionstüchtigkeit oft eine besondere Rolle und kollidiert mit Ansprüchen des Denkmalschutzes. Ich beende hier die Rezension und empfehle, dass jeder, der mit alten (oder klassischen oder traditionellen oder...) Schiffen zu tun hat, den Aufsatz am besten mehrmals lesen sollte.
In Heft 14 vom November '00 wurde ein Aufsatz des Designers David Ryder-Turner aus Schottland als Übersetzung veröffentlicht. Der Originaltext ist über die Freundeskreis-Homepage zu erhalten. Der Titel lautet "Die Klassische Yacht - Wege einer Interpretation". David versucht sich in einer Definition des Begriffes "Klassische Yacht" und tut dies über die Hinterleuchtung der Adjektive "klassisch" und "klassizistisch" in Verbindung mit Vergleichen zu den anerkannten Bezeichnungen "Klassische Kunst", "Klassische Architektur" oder "Klassische Musik". David hebt besonders Gesichtspunkte der Ästhetik und der Qualität heraus. Eine seiner wesentlichen Feststellungen ist, dass über die Frage, ob eine bestimmte Yacht wirklich als klassisch bezeichnet werden kann, eigentlich immer nur die Nachwelt entscheiden kann. Er gesteht sich schon aus diesem Grund nicht die Berechtigung einer abschließenden Definition zu, lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass sicher nicht alle Schiffe, die etwa vor 1965 durchaus aus Holz und in traditioneller Weise gebaut worden sind, als "Klassische Yachten" bezeichnet werden können.
Der jüngste Beitrag zum Thema stammt von Edzard Wucherpfennig unter dem Titel "Die Klassische Yacht". Edzard beschäftigt sich darin im ersten Teil mit dem Versuch einer Definition der Begriffe "Klassiker" und "klassisch", wobei durchaus Parallelen zu den Ausführungen von David Ryder-Turner erkennbar sind. Weiter erarbeitet er ein Klassifikations-Schema für (klassische) Yachten, das mit 6 Kriterien Typ, Bauausführung und Originalität bewertet und zu einer Spezifikation gelangt. Für die Durchführung dieser Bewertungen verweist er auf Fachgremien und entfernt sich damit von der bisherigen Praxis der Selbsteinstufung durch den jeweiligen Eigner (im Bereich der Denkmalpflege bei Gebäuden ist die Bewertung durch ausgebildete Fachleute absolut üblich).
Ich fasse zusammen: Zu Wort kamen in den erwähnten Beiträgen der Reihe nach ein Historiker, ein Designer und ein Bootsbauer. Erwartungsgemäß haben die drei bei ihren Gedanken durch verschiedene Brillen gesehen, und ich finde es sehr interessant, alle angesprochenen Aspekte zusammen zu tragen. Nach wie vor ist die Diskussion offen und eine allgemein akzeptierte Definition der "klassischen Yacht" ist für mich (noch) nicht in Sicht. Neben einem generellen Interesse gibt es einen weiteren Hintergrund für das Bestreben, zu Definitionen oder Bewertungs-/Klassifizierungsmaßstäben zu kommen: Die Einstufung in bestimmte Gruppen bei Versicherern, die Befreiung von Auflagen aufgrund gesetzlicher Forderungen (z.B. Fäkalientank) oder die Bewilligung öffentlicher Mittel für Restaurierungsprojekte sollen hier nur Stichworte sein. Allerdings sind bei dem Vorhaben, die gesamte Flotte aller Yachten und Boote, die etwa vor 1965 gebaut wurden, mit einer Klassifizierung zu überziehen, sicherlich einige Punkte problematisch: So wird es Grenzbereiche geben, die im Einzelfall zu Unmut, Ärger oder gar echten Ungerechtigkeiten führen können. Man denke auch ganz profan an den materiellen Wert eines Schiffes, der auf jeden Fall stark von einer entsprechenden Einstufung abhängen dürfte. Bei einer strengen Auslegung dürften sich dann noch weit weniger "arme Leute" ein klassisches Schiff leisten und dieses ihren Möglichkeiten entsprechend unterhalten können. Im Moment kategorisiert eigentlich jeder Eigner sein Boot selbst, und vielleicht ist das auch gar nicht so schlecht. Überlassen wir es doch unseren Enkeln zu entscheiden, ob Opa eine klassische Yacht gesegelt/gefahren hat oder nur einen alten Kahn.
Brauchen wir Klassifizierung und Definition? Könnten sie dabei helfen, unsere Ziele, nämlich den Erhalt des maritimen Erbes, zu erreichen? Könnten sie zumindest im Einzelfall dazu beitragen, dem Verlust von Originalsubstanz bzw. Denkmalwert entgegen zu wirken ? Oder könnte das Gegenteil erreicht werden?
Unabhängig von dieser Diskussion bin ich von unserem eigenen Schiff, von dem ich nicht weiß, ob es eine "Klassische Yacht" ist oder werden wird, begeistert und werde in Kürze die alten und neu verzinkten Bodenwrangen wieder einbauen. Mit der Pause nach dem Teakdeck ist es wieder nichts gewesen. Für uns ist ein wesentlicher Aspekt, ein Schiff von 1961 zu segeln, der folgende: Es ist die Zugehörigkeit zu einem unorganisierten Haufen von schrecklichen und unerschrockenen Leuten, unter denen man aber gute Freunde und sehr viele nette Bekanntschaften finden kann. Ich hoffe, dass uns dieser Haufen in der Form des Freundeskreis noch lange erhalten bleiben wird.
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