KULTURELLES

Holzboothafen Aarhus - eine Urlaubsbekanntschaft

von Jens Burmester

Es ist wie fast immer: Vor den Genuss hat die schöne neue Welt eine Prüfung gestellt.

Wer heutzutage Aarhus, die Hauptstadt Jütlands, ansteuert, wird - quasi schon in der Seekarte - mit den Schnellfähren von Kalundborg nach Aarhus, deren seebebenartig aufwallendem Schwell, Lärm und einer Abgasschmutzfahne konfrontiert, die mit den gleichartigen Begleiterscheinungen der Schnellfähren, die von Odden nach Ebeltoft brettern und der gleichen Gesellschaft gehören, konkurrieren. Schön ist das nicht - zumal man nicht wirklich weiß, wo genau diese Katamarane entlang rasen, ob sie an Backbord oder Steuerbord passieren oder kurz vorher noch einen Haken schlagen.

Hat man schließlich die Einfahrt zum eifrigen Containerhafen passiert und läuft den alten Hafen von Aarhus an, öffnet sich an Steuerbord direkt hinter den Molen das angenehm geräumige Hafenbecken der alten Schönheiten aus Holz - der eigene Hafen der Holzbootsegler von Aarhus, der TSA.

Mit seinem hölzernen „Lystbåd” darf man die Stege der Marina an Backbord gern ignorieren, man wird an den beiden Stegen der Gleichgesinnten herzlich empfangen. Hier liegen zwischen 40 und 50 Geschichten in attraktiver Mischung, denn es gehört zum Prinzip des Vereins, nur jeweils zwei Exemplare gleicher Art aufzunehmen. Also gibt es nicht 23 Folkeboote, 11 Kragejollen und 8 Haikutter, sondern einen verblüffend vielfältigen, reichhaltigen Querschnitt durch die nordischen Gebrauchs- und Lustschiffstypen. Es finden sowohl die Fahrzeuge der Berufsschifffahrt aus Kauffahrtei wie Fischerei Aufnahme als auch ihre meist kleineren Schwestern der Vergnügungssegelei. Die gewünschte Vielfalt dokumentiert sich auch in den unterschiedlichen Unterhaltungsstadien der an den Stegen liegenden Ausstellungsstücke - man sieht mindestens so viele Boote, an denen gearbeitet werden muss oder gearbeitet wird, wie solche, die bereits das Prädikat „restauriert“ verdienen. Die Mischung macht den Reiz aus, nicht die ängstlich-sortenreine Trennung in Ernst und Spaß, die in vielen deutschen Museumshäfen betrieben wird - man trennt ja im skandinavischen Hörfunk auch nicht zwischen E- und U-Musik.

Und so kann man ein wenig die Stimmung erahnen, die früher in den Häfen kleinerer Hafenorte geherrscht haben muss, als es eben noch keine sortenreinen Sportboothäfen gab und die „Yachties“ sich mit den Fischern und Klütenewern verbrüdern mussten und durften, weil sie noch nicht in so erdrückender Überzahl unterwegs waren. Dicht an dicht, Bordwand an Bordwand mit teerigen Marstaljagt-Rümpfen oder kreidigweiß-blätternden Drivkvasen reiben sich die erstaunten Fender an hölzernen Bordwänden wie in alter Zeit.

Per Pfiff wird der Liegeplatz zugewiesen, es wird so lange ablehnend oder zustimmend gepfiffen, bis der Bug ferngesteuert auf den richtigen Gastliegeplatz zeigt und man festmacht. An Land stellt man dann sehr schnell fest, dass es sich um einen durchaus gastfreundlichen, herzlichen Menschenschlag handelt, der hier im am Waldrand gelegenen Klubhaus Gäste empfängt, als hätten sie schon immer dazu gehört. Eine Schlossführung durch die ganz aus Holz gebauten Räumlichkeiten erläutert die sozialen Errungenschaften wie „Køkken“ und „Sanitet“ ebenso, wie sie dem Besucher den Eindruck von Freundlichkeit und maritimem Bezug deutlich macht. Die Decken sämtlicher Räume sind mit dänischen Seekarten tapeziert, und man kann „Kopp in’n Nacken“ herrlich den weiteren Törn planend über Stühle stolpern.

Ein Johann, der tatsächlich ein bisschen wie jener „Johann“ aus dem Film aussieht, kassiert mit großer Freundlichkeit günstiges Havnepenge, und als Gegenleistung kann man sich wirklich zu hause fühlen. Ein Professor für Religionsgeschichte, der mit Rauschefahrt in einer kleinen Gig fröhlich grinsend durch den Hafen wriggt, chauffiert Gäste schon mal aus reiner Freundlichkeit in die 2 km entfernte Innenstadt. Ein chaotisch-liebenswerter Containerjongleur aus dem Hafenmilieu zeigt Gästen das musikalische Nachtleben der Jütländer Metropole - die menschliche Seite des Hafens hinterlässt nachhaltig erfreuliche Eindrücke, man fühlt sich wohl. Dein dritter Liegetag? Kein Problem, „Du kannst ja nicht auslaufen bei dem Wetter – da musst Du auch nicht zahlen, Du kannst ja nichts dafür“. Tusind tak! Unglaublich.

Aber neben all diesem fröhlichen Vereinsleben hat der Verein auch eine Infrastruktur geschaffen, die es ermöglicht, in einer gut ausgestatteten Holz- und Metallwerkstatt die anfallenden Arbeiten an professionellen Maschinen auszuführen. Eine Segelwerkstatt gibt es auch. Und so wird an vielen Projekten gleichzeitig gewerkelt, man hilft sich gegenseitig und ist dabei vernünftig zielorientiert. „Unendliche Geschichten“ sind durch das Reglement aller-dings weitgehend ausgeschlossen, wer glaubt, hier eine zeitlich unbegrenzte Liegemöglichkeit gefunden zu haben, um eines fernen Tages irgendwann einmal mit der Restaurierung seines „Wracks“ vielleicht zu beginnen, irrt sich. Es wird schon aufgepasst, dass sich der Hafen nicht in einen Gnadenhof für Todgeweihte verwandelt. Wer in einem angemessenen Zeitrahmen mit seinem Projekt nicht weiterkommt, muss sich nach anderweitigen Liegemöglichkeiten umsehen. Das ist eine für den Einzelfall schon mal unangenehme, für die Grundidee, einen funktionierenden Hafen für alte Schiffe zu betreiben, aber unumgängliche Auflage.

Das Resultat kann sich sehen lassen. Wer nach Aarhus kommt, was sich im Übrigen auch der Stadt selbst wegen sehr lohnt, sollte sich diesen Hafen nicht entgehen lassen. Wir kommen gern, wir kommen sehr gern wieder.

Im Internet zu finden unter www.tsa.dk



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