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Pressespiegel Herrlich von gestern - Verhängnisvolle Affären sind bei Klassiker-Fans ganz normal - Erdmann Braschos über eine Szene, in der Schiffe von ihren Eignern Besitz ergreifen. |
Was für eine Welt. Ein Wald honigfarben bis hellbraun schimmernder Masten. Rund, oval oder tropfenförmig zusammengefügte Douglas-Tanne, kanadische Fichte, Kiefer. Salinge aus heller Esche rühren das stehende Gut zum Rigg. V-förmige Jumpstagspreizen stabilisieren die Takelage. Beigefarbene Baumpersenninge, weiße, mit Segeltuch bezogene Kajütdächer, kantige Deckshäuser aus rotbraunem Mahagoni, mit Metallstäben gesicherte gläserne Skylights. Strakende, schwarz verfugte Teakbohlen zwischen Schandeckel und mittschiffs eingelassenem Fisch. Filigrane, naturlackierte Fußleisten oder Schanzkleider mit raffiniert geformten Klüsen. Geschwungene Süllränder, auf massiven Podesten sitzende Bronzewinschen, über Jahre poliert von der Arbeit der Schoten. Solche Hafenszenen mit Charme und Seele, so herrlich von gestern, waren bis vor einigen Jahren allenfalls in den südnorwegischen Schären in Risör beim hochsommerlichen Holzbootfestival zu erleben oder Anfang Oktober an der Cote d'Azur beim Seglerfest des verfeinerten maritimen Geschmacks: zur Nioulargue-Regatta, den heutigen Voiles de Saint-Tropez. Neuerdings kommen Liebhaber klassischer Jollen und Yachten verstärkt auch überall in der Bundesrepublik zusammen. Kaum zu glauben, dass in der Wegwerfgesellschaft der Wirtschaftswunder-Ära, als das poppig Bunte, Pflegeleichte und um jeden Preis Moderne zählte, hölzerne Jollen und betagte Yachten mit alten Linien geradezu verpönt waren. In den 60ern machte die Conger-Jolle mit der Ergonomie einer Badewanne das Rennen. Die beliebtesten Kielboote jener Zeit waren vor allem vielseitig und beeindruckten durch ihr Platzangebot unter Deck. Bei einem Bruchteil der Länge eines klassischen Achters oder einer 19 Meter messenden 75er Schäre gingen sie mit dem gleichen oder mehr Freibord zu Wasser. Der Vierteltonner Listang, eine Feltz-Konstruktion von 1969, schlug ästhetisch die Bresche für die moderne Konsumyacht", wie der italienische Yachtchronist und Konstrukteur Carlo Sciarelli die Entwicklung bereits 1973 ebenso resigniert wie pointiert beschrieb. Die Vorzüge und der ästhetische Reiz klassischen Segelsports schienen damals vergessen. Jene Unberirrten, die ihre betagten Jollen in mühsamer Handarbeit Jahr für Jahr abschliffen und lackierten, die auf herkömmlichen Bootsbau und ansehnliche, im Hafen weniger praktische Linien schwörenden Salzbuckel wurden eher belächelt als bewundert. Sie lächelten zurück. Seit Ende der 80er jedoch gibt es überall, wo der Segelsport mit gewissem Ernst betrieben wird, eine unübersehbare Renaissance der alten Schiffe. Es laufen wieder neue Achter und Sechser vom Stapel, gezeichnet von der Kieler Konstrukteurin Juliane Hempel. Die J-Klasse wurde sozusagen reanimiert - das New Yorker Konstruktionsbüro Sparkman & Stephens befasst sich derzeit mit einer Ranger"-Replik, Refit-Spezialist Gerard Dijkstra in Amsterdam mit einem Britannia"-Nachbau, die energische Yacht-Restauratorin Elizabeth Meyer mit Tore Holms Entwurf für einen schwedischen America's-Cup-Herausforderer, der nie zustande kam. So wird innerhalb weniger Jahre eine imposante Flotte dieser 40-Meter-Slups entstehen. Erhalten und gegebenenfalls zurück-, aber nicht umbauen lautet die Devise. Soeben hat Martin Meyer aus Bodman am Bodensee die detailgenaue Instandsetzung des als Achter vermessenen Anker & Jensen-Werftbaus von 1906 nach unzähligen Werftstunden in Eigenarbeit abgeschlossen: die Wantenspanner lederbekleidet, schön im Kreuzstich vernäht", die historischen Jesterfield-Polster mit passend bezogenen Knöpfen versehen. Der filmische Dokumentator der Szene: Tom Nitsch, 54, aus Hamburg vermittelt die Faszination der nautischen Antiquitäten in Features und Videos. Er richtete den Seefahrtskreuzer AR" von 1936 wieder her und segelt ihn auf der Ostsee Manu factum, die Güte traditionellen Handwerks, die Noblesse der Maßanfertigung, der Wert ausgesuchter Materialien faszinieren allerorten. Und die Aura des Unikats erfährt ungeahnte Wertschätzung. Die klassische Yacht mit Herkunft und Geschichte, mit Charme und Substanz ist der Hingucker und nicht das in großer Serie gefertigte, technisch beliebig reproduzierbare Boot. Immer volle Kraft voraus für den Freundeskreis: Wilfried Horns, 52, aus Kiel ist die Seele des Vereins. Seine "Piraya" von 1949 ist ein Nachbau der legendären Störtebeker", mit der Kapitän Schlimbach 1937 einband nach Amerika segelte Das alles ist Ausdruck einer bestimmten Entwicklung: In nahezu jedem Bundesland werden hölzerne Beiboote, Jollen und Yachten getischlert, klassisches Bootsbauhandwerk ist wieder gefragt. Die Wegener-Werft in Wedel restaurierte den berühmten Achter Germania III", in Arms tischlern Jan -Willem Paulsen und die Matthias-Paulsen-Werft um die Wette, in Schwerin restauriert Franz Köhn Jollen oder Yachten und legt nebenbei Herreshoffsche Kat-Boote auf Kiel. Seit 18 Jahren spezialisiert auf den Handel mit klassischen Yachten und alten Planken: Peter König, 44, aus Hamburg ist mit seiner Hansa-Jolle True Love" bei nahezu allen Events präsent. Er hat sogar an der Nioulargue teilgenommen. Kein Wunder, dass solch positive Emotionen zunehmend im Serienyachtbau genutzt werden. Es wird mehr auf yachtbauliche Integrität geachtet. Schlanke, gut segelnde Renner wie die dänische Luffe oder die englischen Retroschlitten namens Spirit Yachts sind ansehnliche Beispiele. Die amerikanische Hinckley-Werft hat seit Jahrzehnten Erfolg mit Kunststoffseglern, die daherkommen wie dunkelblau, schwarz oder grün lackierte klassische Fahrtenyachten mit weiß gestrichenen Deckshäusern. Entfernte stilistische Anleihen aus dem Yachtbau an der US-Ostküste verraten die deutschen Hanse-Yachten mit ihren niedrigen, gestreckten Aufbauten und amerikanisch inspirierter Detaillierung an und unter Deck. Importierte eine Idee aus Norwegen: Oliver Berking, 39, Unternehmer aus Flensburg, veranstaltet dort das wichtigste deutsche Event. Er segelte den Achter Windsbraut" und wechselte dann auf den etwas handlicheren Sechser Lillevi" Die Begeisterung drückt sich nicht allein in Refits, Nach-und Neubauten aus, sondern auch in bemerkenswerten Szene-Treffs und Regatten. 1994 fuhr Oliver Berking, ein in Flensburg ansässiger Fabrikant erlesenen Tafelsilbers, mit Familie und Freunden im VW-Bulli nach Norwegen und schaute jeden Tag beim nordischen Seglerfest in Risör zu: Klassische Motorboote, uralte Colin Archer und R-Yachten lagen da völlig selbstverständlich nebeneinander." Das müsste doch auch bei uns möglich sein, dachte Berking und initiierte im darauf folgenden Jahr das Flensburger Klassiker Festival. Seitdem verbringt er alljährlich so manche Woche mit der Organisation der Veranstaltung, auf der miteinander geredet, gesegelt und natürlich gefeiert wird. Begleitende Ausstellungen des Fotografen Franco Pace, des Grafikers und Aquarellisten Arndt Georg Nissen oder Einblicke in das Archiv der Abeking & Rasmussen-Werft künden nicht zufällig gerade hier von der Kultur des Segelns. Restaurierte in Eigenarbeit ein Kleinod: Rolf Kohlbach, 46, aus Inning am Ammersee gab vorübergehend seinen Beruf auf, um den 30 qm Schärenkreuzer Tre Sang" instand zu setzen. Mit ihm nimmt er nun an internationalen Regatten teil Ein weiterer Beleg für die Verbreitung der neuen Liebe ist das ständig wachsende Interesse an gedruckten Dokumentationen über die Boote und ihre seglerische Geschichte. Die beeindruckend recherchierte und glänzend geschriebene Monograne der kaiserlichen Yachten namens Meteor" der Kölnerin Kristin Lammerting (DuMont 1999) ist ein hervorragendes Beispiel. Oder die Studien zu Max Oertz und über die Sonderklasse, wie sie der Schwarzwälder Klaus Kramer seit Jahren beharrlich betreibt und im Selbstverlag herausgibt. Und das erste deutsche Literaturverzeichnis zum Thema Segelsport des Wiesbadener Seglers und Sammlers Volker Christmann, die Bildbände des maritimen Hoffotografen |
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