Da staunten die Berufsschiffer auf dem Mittelrhein Anfang Juli 2009 nicht schlecht, als ihnen eine Armada von mehr als einem Dutzend hölzerner „Runabouts“ ordentlichen Schwell bescherte sonst ist es eher umgekehrt.
Aber auch die Skipper der schnellen Flitzer hatten einige Lerneffekte noch vor sich. Sonst eher auf den gemächlichen holländischen und belgischen Gewässern zu Hause, war es anfangs ungewohnt, in so enger Tuchfühlung zwischen den „Großen Brüdern“ zu navigieren.
Grund für das geballte Auftreten von so viel edlem Holz war die Lorelei-Challenge 2009, der diesjährigen Ausfahrt des European Wooden Boat Club.
Wer den Rhein kennt, weiß, dass hier die Übersetzung des Wortes „Challenge“ als „Herausforderung “ den Charakter der 250 km Tour auf dem verkehrreichsten Fluss Europas genau trifft. Kein Schauliegen mit kleinen Parcours um ein paar Tonnen, nicht der obligatorische „Concours d’ elegance“ kurz vor der abendlichen Gala hier wurden Boote und Mannschaften echt gefordert!
Die Pfalz bei Kaub
Der Club
Der EWBC ist aus einer Vereinigung niederländischer RIVA-Fahrer entstanden, die den Kreis auf andere Holzboot-Freaks erweitern wollten, und das europaweit.
Und diese Idee kam an: Heute ist die Anzahl der Clubmitglieder auf fast 100 angewachsen. Noch kommt die Mehrzahl aus den Niederlanden und Belgien, aber der Anteil der Briten, Deutschen und Alpenländler steigt langsam aber stetig und auch die Bandbreite der Boote umfasst inzwischen alle namhaften Werften Europas und der USA.
Zum ersten Treffen 2001 auf der Mosel kamen gerade mal vier Boote. Schon 1 Jahr später in Belgien tuckerte ein Konvoi von 19 Runabouts durch die Grachten von Gent.
Die Boote
Für die Lorelei Challenge 2009 waren 15 fast durchweg mit V8-Motoren von Ford, Chrysler und General Motors bestückte Runabouts, Utilities und Sedans (sorry, diese anglizistischen Bootsbezeichnungen muss man einfach übernehmen, da gibt es keine griffigen deutschen Alternativbegriffe) angereist.
Ein gutes Drittel der teilnehmenden Boote stammte aus dem Hause Riva, von der Riva Junior bis zur zweimotorigen Tritone. Eugenio Molinaris Werft am Comersee war durch eine Super Carezza vertreten. Von Boesch und Chris-Craft gab es jeweils zwei Exemplare. Aus der bei uns weniger bekannten belgischen Werft Poncelet kamen fünf Runabouts und ebenso waren Swiss Craft, Century und Walser dabei.
Auch die Boots- und Schiffbauerinnung zeigte Flagge: Werftchef Rüdiger Hillmann, Innungsmeister der Region, präsentierte seine Boesch im Zustand „1+“ und stand Rede und Antwort zu Restaurierungsfragen.
War schon der Anblick der Boote - durchweg mit „1“ bewertet - eine Augenweide, so gab es auch beim kritischen Blick in die Motorenräume nichts an Pflegezustand und Originalität auszusetzen von der zeitgenössischen Lichtmaschine bis zur korrekten Motorfarbe stimmte alles.
Das „Tourshirt" für die Teilnehmer
Der Startpunkt
Sammelpunkt und Start der Lorelei Challenge 2009 war in Mainz Amöneburg bei der Bootswerft Gersch. Damit hatten die Organisatoren die best mögliche Wahl der ganzen Region getroffen: Rolf Gersch, selbst Eigner mehrerer Holzboote, stellte Bootshaus, Steganlage und Kran zur Verfügung.
Er kennt sich bestens aus mit Bootsrestaurierungen und - das gibt’s selten Rolf und seine Frau Petra haben dazu noch vier goldene Händchen für amerikanische
V-8 Motoren (zu Wasser und zu Lande).
Als Nic’s Century Resorter, die 10 Monate in England an Land gelegen und 1000 km Trailerreise hinter sich hatte, immer tiefer sackte und die Bilgenpumpe vergeblich gegen das Rheinwasser ankämpfte, war Rolfs Kommentar nach prüfendem Blick auf die Plankennähte „ ..no problem, tomorrow she will be o.k.“ und ließ sie über Nacht in den Gurten des Krans hängen. Und das war sie dann auch!
Startvorbereitungen bei der Bootswerft Gersch
Der Prolog
Freitagmorgen merkte man förmlich, wie die „horsepowers“ (grob gerechnet waren es insgesamt 4000!) schon beim Warmlaufen merklich mit den Hufen oder besser Propellern scharrten.
Da die meisten Teilnehmer noch nie den Rhein befahren hatten, fiel die Skipperbesprechung etwas ausführlicher und mahnender aus als üblich. Dringende Hinweise, strikt innerhalb der Betonnung zu bleiben, Abstand von Buhnen zu halten, immer mal wieder in die Rheinkarte zu schauen, nicht zu nahe an die Berufsschiffe heranzufahren (toter Winkel bis zu 2 km!) und was man sonst noch ortsunkundigen Sportschiffern mit auf den Weg gibt.
Nach diesen Hinweisen und mit dem neuesten Rheinhandbuch bewaffnet hieß es: „Hebel auf den Tisch“! Und mit 50-70 km/h ging’ s dann auch zur Sache. Nach der Methode „learning by doing“ war nach einigen Kilometern die Lektion des Umgangs mit den Bug- und Heckwellen der Berufsschifffahrt gelernt.
Nach einem kurzen Schwimmstopp im Kiesweiher Eicher See Abkühlung bei mehr als 33 Grad war willkommen endete die „Aufwärmetappe“ in der 100 km stromauf gelegen Xylon-Werft in Mannheim.
Dieser traditionsreiche Holzverarbeitungsbetrieb begann 1955 den Bau hölzerner Boote. Alle Typen, vom kleinen offenen Piranja bis zur 11-m Motoryacht Tümmler waren Knickspanter in Sperrholzbauweise, der Ausbau erfolgte in Massivholz. In den 70-er Jahren wurde die Produktion eingestellt, nachdem einige Hundert Schiffe die Werft verlassen hatten. Aber gerade die Tümmler-Typen werden als Gebrauchtboote noch hoch gehandelt. Heute sind Wartung, Umbauten, Reparaturen und Restaurierungen Schwerpunkt des Werftbetriebs.
Nach Werftbesichtigung und Barbeque ging es wieder zu Tal zum Tagesziel, dem bekannten rheinhessischen Weinort Oppenheim.
Und mit diesem Etappenziel hatten sich die Organisatoren etwas Originelles (und Einmaliges!) einfallen lassen: Nicht die von Amerika bis China übliche „Rüdesheimer Drosselgassen-Sauf-Tour“ stand auf dem Programm, sondern eine Kutschfahrt durch die Weinberge und danach eine Begehung der unterirdischen Weinkeller, die unter der Stadt über ein Labyrinth seit Jahrhunderten verbunden waren und erst vor einigen Jahre wieder durchgängig offen sind. (Alle Achtung: die Kondition der Teilnehmer war bewundernswert. Und dass dem Kutscher der Weinvorrat während der Tour ausgegangen ist, das hatte er auch noch nicht erlebt..)
Tagesziel Marina St. Goar
Die Königsetappe
Samstags, nach dem Tanken (die insgesamt getankten Liter verschweigen wir lieber), stand jetzt „Der Rhein für Fortgeschrittene“ an: Nach eher geruhsamen Gleiten vorbei an den Kulissen von Mainz und Wiesbaden, ging es ab dem Binger Loch in die gefährliche und gefürchtete sogenannte „Gebirgsstrecke“.
Doch zuvor noch eine Überraschung für die Teilnehmer. Die Wassersportfreunde Budenheim, Heimatclub der Organisatoren, hatten sich einen Gag einfallen lassen. Im Nebenfahrwasser Große Gieß, das von der Berufsschifffahrt kaum noch benutzt wird, wartete ein Versorgungsfloß mit Essen und Getränken auf den Pulk. Treiben lassen, Schwimmen, Picknicken und Wasserskifahren standen auf dem Programm. Ruhe vor dem Sturm, denn jetzt ging’s zur Sache: Die navigatorischen „Highlights“ Binger Loch, Mühlsteine, Großer Wacken , Wildes Gefähr, Hammerleyen, Jungferngrund, Geißenrücken und Loreleyfelsen standen noch bevor Begriffe, die auch gestandenen Berufsschiffern Schweißperlen auf die Stirn treiben - und deshalb bei ihnen Lotsenpflicht erfordert.
Doch für die EWBC-Armada ging alles glatt. Mit mäßiger Gleitfahrt, dem Führungsboot folgend und stetem Blick auf die Betonnung, ging es vorbei am Mäuseturm, der Pfalz bei Kaub und dazu rechts und links Burgen im Überfluss.
Zum Abschluss der Höhepunkt: Der Loreleyfelsen im abendlichen Sonnenlicht.
Die Stimmung am Tagesziel, der Marina St. Goar, lässt sich kaum beschreiben: Für alle Teilnehmer ohne Wenn und Aber das Erlebnis der gesamten Tour.
Und jetzt war auch das Aufatmen der Organisatoren spürbar. Michael Andreas, federführender Organisator der Tour: „Zugegeben, ein wenig habe wir bei dieser anspruchsvollen Etappe schon die Luft angehalten. Die hohe Verkehrsdichte, die starke Strömung, das enge Fahrwasser mit seinen Felsen wenige Meter neben den Tonnen, jede Menge Strudel und Kehrwasser und der permanente Wechsel der Berufsschiffe von einer Uferseite zur anderen waren für die meisten Teilnehmer Neuland. Dazu mussten wir stets mit möglichen Pannen rechnen, teilweise sind Boote und Motoren über 60 Jahre alt. Einfach mal rechts ran fahren geht hier nicht. Deshalb sind wir glücklich, dass auf der gesamten Tour weder Havarien noch technische Probleme auftraten. Klar, die Vorbereitungen waren sehr zeitintensiv und haben uns im Vorfeld einige schlaflose Nächte bereitet. Auch weiß ich aus meiner beruflichen Erfahrung, dass es innerhalb einer Gruppe bei einer solch breit gefächerten Veranstaltung auch mal zu Unstimmigkeiten kommen kann. Doch davon keine Spur: Wenn von den 50 Teilnehmern der Lorelei Challenge 2009 alle begeistert nach Hause gehen und dies als beste Veranstaltung beurteilen, dann hat sich für meine Helfer und mich der Aufwand gelohnt.“
Treibenlassen in der Großen Gieß
Ausklang
Und was erwarteten die Teilnehmer noch vom Begriff „Der Rhein“? Ein Abschlussdinner auf einer Burg: das gab es auf Burg Klopp. Und ein Feuerwerk: „Der Rhein in Flammen“, ein Feuerwerk-Musik-Spektakel, das zwischen Bingen und Köln jährlich 100-Tausende von Besuchern anzieht, das gab es nach dem Dinner - und war bei wolkenlosem Himmel wie ein Logenplatz von der Terrasse der Burg zu genießen….
Sonntags kam auf der letzten Etappe zur Marina Winningen in der Mosel schon langsam der „Abschiedskater“ und der übliche „Schleusenfrust“ mit einigen Stunden Wartezeit vor der Schleuse Koblenz (eine der beiden Kammern war ausgefallen, für die Schleusenmeister der meist befahrenen Moselschleuse der „Super-Gau“!).
Beim Abschied in Winningen fragten sich manche Teilnehmer: Wie lässt sich so eine Tour noch steigern? Für 2010 steht das Ziel Belgien schon fest, aber dann sollte man vielleicht mal über die Mecklenburgische Seenplatte nachdenken..
Wolfgang Banzhaf
PS
Eine Bildergalerie zu der Tour gibt es auf
www.e-w-b-c.eu.