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Eine Einladung aus Moskau Schon weit vor Jahresfrist wurde von Moskauer Klassiker-Seglern eine Einladung für einen Besuch vor Ort ausgesprochen, Visa- und andere Fragen mussten dann angesichts aktueller Entwicklungen noch geklärt werden, aber nun soll es sein: Ende Mai 2015 fährt eine kleine Gruppe aus dem Freundeskreis nach Moskau und verleiht damit unseren Kontakten, die ja bereits nach Schottland, Norwegen, Schweden, Dänemark und in die USA bestehen, einen neuen Akzent. Zugegeben, Moskau ist nicht unbedingt als Mekka des Segelsports, geschweige denn als Hochburg von klassischen Yachten, bekannt. Dennoch hat sich über viele Jahrzehnte eine kleine Flotte klassischer Yachten erhalten, die heute von einigen russischen Enthusiasten gesegelt, geliebt und bewahrt werden, teilweise in den Originalzustand zurückversetzt worden sind und noch werden sollen. Die Yachten stammen aus der Zeit vor 1945 - aus deutschen (privaten oder militärischen) Beständen. Nicht gerade sehr präzise. Und genau hierin lag auch das Problem unserer russischen Kollegen. Sie wollten mehr wissen über die Geschichte, Vorbesitzer und Bauwerften ihrer Boote und möglichst auch Risse und Fotos bekommen, nach denen originale Rekonstruktionsmaßnahmen eingeleitet werden könnten. Da die russischen Segelfreunde der deutschen Sprache nicht mächtig sind, kam Frau Anuchina als Dolmetscherin ins Spiel, die, seit 16 Jahren aus familiären Gründen in Dresden lebend, beide Sprachen spricht und in der maritime Szene Russlands keine Unbekannte ist. Ihr gehörte 2007 und 2008 der Schoner "Nadeshda", der 60 Jahre lang als russisches Segelschulschiff gedient hatte. Der 1912 gebaute Schoner war nicht irgendeine Yacht, sondern gehörte in den 30er Jahren Graf von Luckner, der mit ihm unter dem Namen "Seeteufel" eine Weltreise bis nach Neuseeland unternahm, und anschließend dem Meeresforscher Hans Hass, bis er 1946 als Kriegsbeute in sowjetische Hände fiel. Ähnlich schicksalhaft erging es auch den Booten, die inzwischen eine Heimat auf einem Stausee nordwestlich von Moskau gefunden haben. Bekannt ist, dass 1947 eine sowjetische Delegation unter der Leitung des Yachtclub-"Spartakus"-Vorsitzenden Kudryawzev an die Elbe reiste, um u.a. deutsche Yachten als Reparationsleistungen zu requirieren. 20 Yachten wurden für würdig befunden, auf einen Güterzug geladen und gen Moskau geschickt. Als sie dort ankamen, waren sie unterwegs bereits reichlich demontiert worden. Schließlich entnahm man ihnen auch noch die Bauschilder und Logbücher und verschaffte ihnen eine neue sowjetische Identität. Einige dieser Boote wurden im heutigen "St. Petersburg" stationiert, die sieben o.g. in Moskau. Der Rest ist verschollen oder segelt an unbekannten Orten. Nur von einem Boot, der "Ina", ist eine "Bescheinigung für Sportboote", ausgestellt 1947 vom Germanischen Lloyd Berlin, erhalten. Danach handelt es sich um einen 35-qm-Kielschwertkreuzer (Bauwerft Beelitz, Potsdam, 1935) mit 9,06 m Länge und 2,60 m Breite. Über Wilfried Horns und eine Anfrage bzgl. einer anderen Yacht kam ich in Kontakt mit Frau Anuchina und versuchte, Licht in das Dunkel dieses interessanten Kapitels deutscher Yachtbaugeschichte zu bringen. Da es sich aber überwiegend um Kleinfahrzeuge handelt, und die Geschichte der deutschen Bootswerften, geschweige denn deren Baulisten, weitestgehend nicht überliefert bzw. bisher unbearbeitet geblieben sind, mußten konkrete Aussagen auf einem unbefriedigenden Stand bleiben. Die russischen Segelfreunde hatten deshalb die Idee, dass eine Delegation von Freundeskreislern in Moskau nach einer Besichtigung vor Ort die Identifizierung der Boote weiter vorantreiben könnte und sprachen eine Einladung für Ende Mai 2015 aus, die eine kleine Gruppe aus dem Freundeskreis wahrnehmen wird. Vorgesehen sind vier Tage in Moskau und zwei Tage in St. Petersburg. Wenn wir schon vom Mekka des Yachtsegelsports in Russland sprechen wollen, dann gilt das mit aller Berechtigung für St. Petersburg. Bereits 1846 gründete sich im zaristischen Russland der "Kaiserliche See-Yachtclub St. Petersburg", russische Segler bestellten sich große Yachten auf deutschen Werften und nahmen an den Regatten der Kieler Woche teil. Max Oertz leitete zeitweilig die St. Petersburger Esch-Werft. In Reval (dem heutigen Tallin) etablierte sich die Bootswerft von Otto Eggers. Die Aktivitäten russischer Segler ziehen sich bis in die Gegenwart, 2013 fanden Klassiker-Regatten auf dem Finnischen Meerbusen statt. Wir treffen in Russland also auf eine tiefwurzelnde Tradition im Umgang mit klassischen Yachten, die durch gesellschaftspolitische Entwicklungen, Kriege und Spannungen immer wieder unterbrochen, und somit unsererseits - nicht einmal ansatzweise aufgearbeitet wurden oder gepflegt werden konnten. Vielleicht kann unsere Reise ein bescheidener Ansatz für neue Reiseziele, Regattaereignisse und klassische Seglerkontakte werden - allerdings wird viel Optimismus angesichts der aktuellen politischen Lage abverlangt, um an eine solche Entwicklung zu glauben. Wir werden berichten.... |
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