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Klassiker je oller desto doller Das Leben ist manchmal kompliziert und erschöpfend. Da gilt es, einfache Augenblicke der Erholung zu finden. So kam die Einladung meines Herrn Vaters grad gelegen, mit ihm und der treuen 'Sindbad' ein paar Tage segeln zu gehen. Die Schweriner Einheitsjolle 'Sindbad', in den 20er Jahren konstruiert von Reinhard Drewitz, war schon auf vielen Revieren unterwegs - Boddengewässer, Potsdamer Havel, Hamburger Alster, selbst in Saint-Tropez und auch schon ein paarmal auf der Kieler Förde. Ihr seit Jahrzenten in ein „Leichentuch“ (GFK-Matte) eingewickelter Rumpf macht sie ja auch widerstandsfähiger als ihre ein Jahr jüngere Schwester 'Libelle-Juna'. Und dennoch sollte sie bei der diesjährigen German Classics ein neues Abenteuer erleben - sechs Jahre vor ihrem hundertsten Geburtstag. Bereits am Donnerstag trafen sich unzählige Segel- und Holzbegeisterte in Laboe, Boote wurden gekrant und in’s Päckchen gepackt. Crew und Skipper trafen sich am Hafenpier zum geselligen Beisammensein. Nach Sonnenuntergang forderte die Seebriese warme Klamotten, nach den hochsommerlichen Hitzewellen auf dem Innenland aber doch eine willkommene Abwechslung. Der Skipper kannte „Gott und die Welt“, stellte voller Stolz seinen Sohn vor und vertröstete die Seebären, dass er diesmal seine Tochter zuhause gelassen hatte. So wurde ich denn auch in Windeseile aufgenommen, mit einer Offenheit und Freundlichkeit, wie ich sie nicht auf allzu vielen Segelveranstaltungen kennen gelernt hatte. Spät fielen wir dann auch in die Kojen - ja auf der Jolle kann man prächtig schlafen, nur kalt war es dann in der Morgendämmerung. Also nochmal umdrehen und warten, bis die Sonne höher steht. Steuermannsbesprechung war denn auch erst um halb elf. Gestartet wurde in sechs Gruppen - wir ganz zuletzt, zusammen mit drei anderen Jollen und den Hansajollen. Da blieb viel Zeit, um sich die Großen anzuschauen. Ehemalige America's-Cupper, die 12er, prächtige Zweimaster wie die Peter von Seestermühe (Gewinner des diesjährigen Transatlantik-Klassikerrennen), Nadeldünne Schärenkreuzer, 5.5 mR-Yachten, Drachen, auch Jollenkreuzer, Spitzgatter und Folkeboote. Den ersten Start hatten wir etwas verschlafen, also erst mal rauswenden, freien Wind suchen und die phantastisch glitzernde Sonnenreflektionen auf den Ostseewellen genießen. So schlecht kamen wir an Tonne eins aber gar nicht an. Auf dem Vorwinder schiebt das große Gaffelsegel und wir sind wieder dran an unserem ärgsten Konkurrenten, einer wunderschönen Mahagoni-O-Jolle. Auch auf der nächsten Kreuz müssen wir uns erst mal aus den Folkebooten und Hansajollen rauswühlen, laufen dann mit Schmackes in’s Ziel und gewinnen nach verrechneter Zeit das erste Rennen. Der Wind flaut dann kräftig ab, die großen Kreuzer haben alle Mühe, in der Kabbelwelle ihre drei Runden abzusegeln. Die Wettfahrtleitung hat ein Einsehen und schickt das Feld in den Hafen. Dann kommt aber doch noch Wind auf und wir nutzen den herrlichen Tag, um ein wenig die Förde Richtung Kiel hinauf zu segeln. Abends wieder viel buntes Treiben, schnacken und sich in die Arme fallen bei furchtbar leckerem Feuerlachs und einer absolut edlen wie populären Rum-Bar. Am nächsten Tag geht’s ein wenig früher raus. Der Wettfahrtleiter prognostiziert acht Knoten aus Ost. Wir stellen uns auf einen weiteren Tag Leichtwind ein und schippern langsam durchs Fahrwasser Richtung Schilksee. Dort weht der Wind dann aber doch frischer und baut eine stolze Welle auf. Also kurz am Startschiff angemeldet und dann ab unter Land zum Aufbauen der Spritzkappe und zum Reffen des Gaffelsegels. Vattern ist mit seinen 73 Lenzen noch gut in Schuss, dennoch ist das Arbeiten auf dem wippenden Vordeck mit Vorsicht zu genießen. Später legen wir dann endlich den standesgemäßen Nullstart hin. Die Fock bleibt drinnen, der Wind hat bereits auf 16-18 Knoten aufgefrischt. Die Sindbad fährt aufgrund des veränderten Anschnittwinkels eine vergleichsweise gute Höhe. Gelegentlich müssen wir das Gaffelsegel öffnen, um die halbe Tonne Bootsgewicht sanft ins Wellental abzulegen. Wenn dies nicht ganz gelingt, läuft das Wasser knöcheltief übers Deck. Auf dem Vorwindkurs bin ich heilfroh, als ich merke, dass sie nicht ins Gleiten kommt, sondern ganz brav die Wellen unter sich durchlaufen lässt. Ich hätte meine Zweifel, ob der Originalmast ein Abstoppen in der Leewelle ertragen würde. Zumindest einmal zeigen wir, dass wir auch halsen können, danach gibt’s nur noch Kuhwenden. Wir segeln im Überlebensmodus, sitzen dabei ganz bequem, Ausreiten ist nicht notwendig. Dafür höchste Konzentration beim Steuern. Trotzdem haben wir Zeit, gemeinsam nach den weit auseinanderliegenden Tonnen zu suchen. Dennoch: Unser Hauptkonkurrent, die O-Jolle gewinnt. Macht aber nix, in unseren Augen war 'Sindbad' ein wahrer Held, ähnlich der Sonderklasse Tilly, einem unglaublich schlanken Schiff, das trotz permanentem Schöpfen der Crew im Hafen 1000 Liter Wasser im Kiel hatte. Helden waren auch eine Handvoll Schiffe, welche die Crew eines zerbrochenen und dann gesunkenen Schiffs des THW-Hilfswerks geborgen hatte. S. Huss, Foto: Wolf Hansen www.sailingpix.de |
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