Klassische Yacht - moderner Antrieb
Angela und Lars Mücke: "Nachdem unser Nationaler 45er 'Momo' im Winter 2016/17 sein Heck zurück bekam (Klassiker 03/18), war klar, ein Außenborder kommt nicht wieder ans Heck."
Angela und Lars Mücke: "Nachdem unser Nationaler 45er 'Momo' im Winter 2016/17 sein Heck zurück bekam (Klassiker 03/18), war klar, ein Außenborder kommt nicht wieder ans Heck."
Für die Flaute versuchten wir, mit dem seitlich montierten 3,5 PS-Dingi- Außenborder klar zu kommen. Bei ruhigem Wasser ging es auch so leidlich, bei absoluter Flaute und Alt-See oder mehr Wind von vorne war es aussichtslos. Nachdem uns in Albuen ein Gewitter mangels Maschine beinahe stranden ließ, musste eine Lösung her. Dabei sind viele Punkte zu bedenken: Diesel-, Benzin- oder Elektromotoren? Konventionelle Wellenanlage, hydraulische Kraftübertragung, Saildrive, Gondel oder POD-Antrieb? Fest-, Falt- oder Verstellpropeller oder Jetantrieb? Gewicht, Verteilung der Komponenten im Schiff, Montage-Aufwand? Das Gesamtgewicht der neuen Antriebsanlage sollte in etwa dem entsprechen, was von Bord geht: Außenborder, Halter, Tank, Reservekanister.
Unter Abwägung aller Vor- und Nachteile fiel die Entscheidung zu Gunsten eines getriebelosen, 4,3 kW (5,8 PS) starken Elektro-Antriebes der Firma Aquamot aus Österreich.
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Der Elektromotor ist in einer strömungs- günstig geformten Gondel untergebracht und treibt direkt den 2-Flügel-Faltpropeller an. Für die Montage sind lediglich zwei Bohrungen für die Haltebolzen und eine Bohrung für die Kabel erforderlich. Weitere Vorteile sind Geräuscharmut, Geruchsfreiheit, Verteilung der einzelnen Baugruppen im Schiff, einfache Montage, kein spürbarer Strömungswiderstand, sofortige Betriebsbereitschaft. Als Nachteile sind zu erwähnen: Vergleichsweise geringe Reichweite und lange Ladezeiten.
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Der grundlegende Aufbau der Antriebsanlage geht aus dem Schema hervor. Hauptbaugruppen sind der Antriebsmotor samt Steuergerät und Fahrhebel, die Akku-Packs und das Ladegerät. Der zum Laden der Akkus benötigte Strom kommt entweder mit 230 Volt aus dem Landanschluss oder von einem Generator. Alternativ kann auch mit Photovoltaik oder Windgenerator geladen werden.
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Bei den Akkus haben wir Lithium- Eisen-Sulfat-(LiFePo4) Akkumulatoren verwendet. Diese haben eine Kapazität von 4,8 kWh wiegen 37 kg, sind relativ unempfindlich gegen Teil-Entladungen und besitzen eine hohe Anzahl von Lade- Entladezyklen. Blei-Akkumulatoren mit vergleichbarer Kapazität bringen etwa 160 kg auf die Waage.
LiFePo4-Akku-Packs verfügen über ein integriertes Batterie-Management-System (BMS). Dies sorgt dafür, dass unter- schiedliche Ladezustände zwischen den einzelnen Zellen ausgeglichen werden und die Akkus vor Über- und Unterspannung geschützt sind. Die Akku-Packs untereinander und auch das Ladegerät kommunizieren über einen sogenannten CAN-Bus. Hierdurch wird der optimale Betrieb der Akkus gewährleistet. Ein Tiefentladen wird genau wie ein Überladen wirksam verhindert. Bei Ansprechen des Tiefentladeschutzes ist schlagartig kein Motorbetrieb mehr möglich.
Aus den Akkus gelangt der Strom in das Steuergerät des E-Motors. Abhängig von der Stellung des Fahrhebels wird der Motor in Drehung versetzt. Das Bordnetz wird aus den LiFePo4-Akkus über einen DC/DC-Wandler mit 12 Volt gespeist. Als Reserve ist ein normaler Pkw-Akku an Bord.
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Im Ladegerät, einem sogenannten Inverter, werden aus der 230 Volt Wechselspannung 48 Volt Gleichspannung zum Laden der Akkumulatoren. Bei einem Speichervermögen der Akkus von 4,8 kWh und einer Ladeleistung von 1 kW beträgt die Ladedauer somit theoretisch 4,8 Stunden. Da der Ladestrom jedoch ab ca. 85 % Füllstand reduziert wird, beträgt die reale Ladedauer ca. 8 Stunden. Über Nacht werden die Akkus somit in jedem Fall wieder auf 100% geladen. Der Inverter kann auch „rückwärts“, also aus den 48 V wieder 230 V, produzieren. Dadurch kann man zum Beispiel vor Anker toasten.
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Der Einbau war relativ einfach. Nach Festlegung der zu bestellenden Komponenten haben wir Papp-Modelle gebaut und die Einbaulagen im Schiff festgelegt. Der Schwerpunkt ist dadurch wesentlich dichter als bisher an den Schiffmittelpunkt gerückt. Danach konnten die benötigten Kabellängen festgelegt und vorkonfektioniert bestellt werden. Die Antriebsgondel wurde hinter dem Ruderblatt angeordnet. Für die waagerechte Montage hat der Hersteller einen maßgefertigten Ausgleichskeil mitgeliefert. Der Fahrhebel wurde in der rechten Cockpitwanne, die Steuereinheit unterhalb montiert. Die Akkus wurden anstelle einer Schublade im rechten Schrank, das Ladegerät im linken Schrank untergebracht. Die 48-Volt-Kabel mussten lediglich gesteckt werden. Bis auf den Fahrhebel und die Ladekontrollanzeige sind alle Komponenten verdeckt und spritz- und tropfwassergeschützt verbaut.
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Die Betriebserfahrungen entsprechen den Erwartungen. Lautloses dahingleiten, leichtes Grummeln bei AK (6 Knoten bei ruhiger See) und Marschfahrt (5 Knoten), Anlegemanöver, bei denen nicht der lärmende Außenborder überbrüllt werden muss. Unter Segeln ist keine Leistungseinbuße durch die Motorgondel spürbar. Gefühlt ist der Wendekreis etwas größer geworden. Reichweite bei ruhiger See bei AK 6 Seemeilen, bei Marschfahrt 10 Seemeilen, bei 3,5 Knoten 16 Seemeilen. Man kommt also bei Gegenwind von Schleimünde bis Kappeln oder von Schilksee in die Wik. Im Sommer waren wir 2 Wochen ohne Probleme im Ijsselmeer und um die Westfriesischen Inseln unterwegs. Bei längeren Strecken stellen wir einen schallgedämpften 1-kW-Generator auf das Vordeck und speisen über das Ladegerät zusätzlich Strom ein. Nur mit Generator kann eine Geschwindigkeit von 2,5 Knoten gefahren werden. Wird schneller gefahren, wird entsprechend zusätzlich Strom aus dem Akku-Pack gezogen. Grundsätzlich kann die Reichweite durch mehr Akku-Kapazität und/oder einen größeren Generator gesteigert werden. Beides bedingt jedoch ein entsprechend größeres Ladegerät und somit mehr Raum und Gewicht.
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Nicht bewährt hat sich der zweiflüglige Faltpropeller. Durch die Lage im Strömungsschatten von Kiel und Ruder neigt er beim Bremsen aus Vorwärtsfahrt zum Klappern; eine Bremswirkung ist kaum vorhanden. Besser wäre vermutlich ein dreiflügeliger Drehpropeller.
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Was abzuwarten bleibt, ist die Korrosionsbeständigkeit der elektrischen und elektronischen Komponenten. Es ist ja doch vergleichsweise feucht an Bord. Dies wird die Zeit zeigen müssen.
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Werbeaussagen wie 4,3 kW (5,8 PS) elektrisch entsprächen 10 PS konventionell sind schlichtweg übertrieben. Im Vergleich zu unserem alten 8 PS Außenborder sind die Fahrleistungen mit E-Antrieb wie mit 6 PS Außenborder. Zumindest vor zwei Jahren gab es für die Konzeption elektrischer Antriebs- anlagen noch relativ wenig kompetente Anbieter. Es werden gerne Komponenten und Leistungen mitverkauft, die dann entweder bereits in anderen Komponenten vorhanden sind oder einfach nicht benötigt werden. Bei den Motoren sind die Preise gut vergleichbar. Bei den Akkus gibt es gewaltige System- und Qualitätsunterschiede. Die hier installierte Anlage hat ca. 8.000 € incl. Mehrwertsteuer ohne Montage gekostet.
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Insgesamt sind wir mit dem elektrischen Antrieb sehr zufrieden.