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15 JK Malle fit für die nächsten 50 Jahre Dieter Halbig Herbst 2011, ich war von meiner Reise mit dem Schoner „Mistral“ von Nova Scotia nach Flensburg zurück und verbrachte mit meiner Frau ein paar Urlaubstage am Fleesensee (Mecklenburger Seenplatte). Das Wetter war noch schön und ich hatte Sehnsucht nach meiner „Malle“, die mein Sohn während meiner Abwesenheit an den „Goldkanal“, einen Altrheinarm in der Nähe von Baden-Baden, entführt hatte. Das Boot sicher auch nach seinem Heimatliegeplatz. Ich bat um Rücktransport, der auch am folgenden Wochenende erfolgte. Da es am Sonnabend regnete, blieb Malle auf dem Transporthänger stehen. Auch der Sonntag war nicht besser und so machten sich beide Kinder nach dem Frühstück auf den 600 km langen Rückweg. Montag Sonnenschein, doch vorm Wassern noch schnell den Rheinschlamm am Unterwasserschiff mit dem Kärcher entfernen. Der Dreck war ziemlich angetrocknet und so musste der Strahl schärfer eingestellt werden. Dabei löste sich an einigen Stellen der Anstrich mit der Grundierung und ich konnte mich am Anblick der Mahagoniplanken „erfreuen“. Da ich von 2007 bis 2010 mit „Walross 4“ unterwegs war, wurde Malle wenig gesegelt und die jährliche Instandsetzung umfasste nur das Nötigste. Da das Boot noch auf dem Anhänger lag, die Segelsaison eigentlich zu Ende war und ich keine Lust zu einer umfangreichen Instandsetzung des Unterwasserschiffs hatte, klärte ich per Telefon mit meinem Vereinskameraden (Klassische Yachten Flensburg) Mike Pelzer, der sich auf die Instandhaltung und Restauration von klassischen Holzbooten spezialisiert hat, ab, ob er neben der Winterüberholung meines Neptunkryssare „Vinjett“ noch Kapazität für die Malle hätte; Antwort ja. Für meine Faulheit rechtfertigte ich mich vor mir selbst: Holz-Boote sind weibliche Wesen und die brauchen, wenn sie in die Jahre kommen (Malle wurde 50), in Abständen einen Kosmetiker/innenbesuch. Der Letzte lag schon über 5 Jahre zurück. Also den Mast ins Carportwinterlager und dann ab nach Flensburg. Frühjahr 2012, Mike hatte Deck, Außenhaut und Aufbau auf dem Anhänger geschliffen, und nun wurde Malle hochgebockt zum Neuaufbau des Unterwasserschiffs. Bei mir klingelt das Handy, Mike: komm mal vorbei, wir haben ein Problem. In der Halle zeigt er mir kurz hinter dem Steven ein Loch in einer Planke und schiebt 20cm weiter achtern einen Schraubenzieher ins Holz der fast bis zum Griff verschwindet. Die weitere Untersuchung ergab das der untere Steven, die Kielplanke und die jeweils Back- und Steuerbord anschließende Planke bis hinter den Schwertkasten verrottet waren. Zustand des Schwertkastens? Das ließ sich erst nach entfernen der Planken klären, aber die Hoffnung auf Erhalt war nicht groß. Für die von Mike geschätzten Kosten hätte ich locker ein gleichwertiges Boot kaufen und gleich wieder Segeln können. Doch welcher Holzboot-Freund bringt es über das Herz ein Mahagoniboot, gebaut 1962, das sich in Rumpf und Rigg noch im Originalzustand befindet, zu zersägen und zu verheizen. Ich jedenfalls nicht und so schenkte ich meiner Malle ein neues Rückgrat und damit ein 2. Leben. Um ihr weitere 50 Jahre zu ermöglichen, beschlossen Mike und ich, moderne Materialien mit einzusetzen und das Unterwasserschiff einschließlich Schwertkasten (er musste auch erneuert werden, wie sich später herausstellte) mit diaxialem Gewebe zu schützen. Dieser Entschluss fiel uns nicht zu schwer da wir beim Abschleifen des U-Schiffs feststellten, das ein Voreigner bei einer „Teilrestaurierung“ schon mal kräftig mit Epoxy gespachtelt und in den Schwertkasten eine Matte einlaminiert hatte, die aber nicht über die Wasserlinie reichte, so das ständig Wasser zwischen Holz und Matte einsickerte und im Winterlager nicht austrocknen konnte. Das Verrotten der Planken und des Stevens führen wir auf nicht sachgerechte Winterlagerung im Bootshaus zurück. Dort befindet sich eine Hebevorrichtung mit der ich Malle aus dem Wasser nehme. Um die Drahtseile zu entlasten, palle ich den Heberahmen mit dem Boot ab. Dabei hat sie immer leicht zum Bug geneigt gelegen und das wenige nach dem Auswischen mit einem Schwamm verbliebene Wasser und das vom Schwertkasten ist, ohne das ich es bemerkt habe, nach vorn gelaufen und hat sein Werk in den schmalen Räumen zwischen Steven und Planken begonnen und vollendet, weil dieser Teil des Rumpfes schlecht belüftet ist. Malle wurde 1962 in Rathenow/Havel von Heinz Janeke (Mitarbeiter der Werft Grothe, heute Karsten Gottschald) nach Feierabend für die eigene Familie aus Mahagoni gebaut. Das Deck besteht aus Zeder. Der Konstrukteur ist Kessler, sie erhielt den Taufnamen Pinguin und die Segelnummer P357, die sie heute noch führt. Alle ihre Eigner haben ihren Originalzustand erhalten und so segele ich sie heute noch ohne Spinnacker mit hölzernem Vorstag und durchgelattetem Großsegel mit S-förmigem Achterliek. Auch die Reffeinrichtung „Großbaum nach achtern ziehen, Segel mit dem Baum aufrollen und zum Arretieren nach vorn schnappen lassen“ funktioniert noch und wird bei Bedarf genutzt. Da ich inzwischen mehr als 70 Lenze erlebt habe und sie meistens Einhand segel, habe ich unter Deck eine Rollfockmimik einbauen lassen. Zum Regattasegeln gibt es einen telekopierenden Ausbaumer und einen modernen Reitbalken. Da ja sehr viele Klassiker technisch aufgerüstet haben, ist man Chancenlos wenn man da nicht ein bisschen mit macht. Beim normalen Segeln wird immer noch der Balken von 1962 benutzt. Bilder von ihr gibt es im „Klassiker“ 4/2009 (Seite 4/5 und 30 rechts) aufgenommen beim Classic-Cup am Müggelsee. Dort hat uns auch Heinz Janeke mit seiner Tochter besucht. Beide waren glücklich ihre Pinguin noch mal zu sehen. In diesem Heft mit dem Thema Jollenkreuzer wurde sie auf Grund des vorderen Panoramafensters in der Kajüte als beliebtes Binnenmodell eingestuft. So umfangreiche Restaurierungsarbeiten erfordern eine Umplanung der Segeltermine. Anfangs hatte ich die Hoffnung zur Havel-Klassik starten zu können, aber als der Schwertkasten auch erneuert werden musste, war die Saison für Malle gelaufen. Glücklicherweise gehört zur Familienflotte noch „Vinjett“ und so wurde, soweit es das Wetter zu lies, der Neptunkryssare gesegelt. Jetzt begannen spannende Arbeiten. Mike überlegte lange ob er „über Kopf“ arbeiten müsste oder ob er das Boot drehen könne, schließlich musste ja das „Rückgrat“ entfernt werden und damit war für die Zeit der Reparatur die Statik des Rumpfes stark reduziert. Mike entschloss sich zum Umdrehen und sicherte das Deck der Kajüte mit Platten und Pallhölzern so ab, das es sein Körpergewicht samt Werkzeug ohne Schäden aushielt, obwohl die Belastung genau anders herum ausgelegt ist. Der Rumpf wurde so abgestützt, das er sich nicht verwinden konnte, auch wenn er beim Ausführen von einigen Arbeiten das Körpergewicht eines Mannes tragen musste. Nach dem Entfernen sämtlicher Farbreste am U-Schiff wurde erst das defekte Steventeil ausgebaut, der verbliebene gesunde Teil zum Schäften vorbereitet und das fehlende Stück angefertigt und angepasst. Dann wurde die Kielplanke Stück für Stück entfernt bis wir achtern vom Schwertkasten wieder auf gesundes Holz stießen, das wir zum Schäften vorbereiteten. Den gesunden Teil der Planke wollten wir unbedingt erhalten weil sie ein Verwinden des Rumpfes verhinderte. Die neue Kielplanke wurde passend gesägt, gehobelt und zur Aufnahme des Schwertkastens innen ausgefräst. Nachdem sie, unter Dampf gebogen, ihren Sprung erhalten hatte, wurde sie mit Epoxy mit Steven und der alten Restplanke verklebt und verschraubt. Nach der gleichen Methode wurden die Back- und Steuerbord anschließenden Planken erneuert. Jetzt war wieder so viel Statik im Rumpf das wir an die Sanierung des Schwertkastens gehen konnten. Das verzinkte Eisenschwert war schon zu Beginn der Arbeiten ausgebaut worden, so konnte Mike die Backbordseite des Kastens entfernen und dann sahen wir den Schaden. Durch die zu kurz einlamilierten Matten waren beide Seiten verrottet, sie wurden praktisch nur noch durch die Matten in Position gehalten und mussten erneuert werden. Nur die obere Abdeckung und die Beschläge konnten wir weiter verwenden. Da das Schwert ohne Druckbelastung immer klapperte ließ ich den Messingbolzen, der schon einige Riefen aufwies, abdrehen und aus Kunststoff Abstandsscheiben fräsen, die auf den Bolzen geschoben wurden. So erfolgte eine bessere Führung des Schwerts. Durch die Steuerbordseite des Kastens lief ein Längsstringer vom Bug zum Heck der auch in Mitleidenschaft gezogen war und in diesem Bereich durch Schäftung ersetzt wurde. Dieser Stringer wurde etwas verstärkt und so mussten auch die jeweils 3 seitlichen Stützwangen des Kastens neu gefertigt werden. Als Muster dienten die ausgebauten defekten Teile und zum Einbau des neuen Kastens wurde aus Pappe eine Schablone des Schwerts angefertigt, damit kontrolliert werden konnte, das das Schwert ohne Anzuecken gesenkt und gehoben werden kann. Als alles passte wurde der neue Kasten vor dem Zusammenbau mit je zwei diaxialen Gewebematten auf beiden Innenflächen ausgekleidet, verklebt und mit Antifouling gestrichen. Ein Überstand im Kielbereich wurde nach Einbau später mit dem Gewebe des U-Schiffs überlappend verklebt. Das Unterwasserschiff, glatt wie ein „Kinderpopo“ geschliffen, erhielt nun sein diaxiales Gewebe, das in 3 Bahnen aufgeklebt, blau gestrichen und mit dem weißen Wasserpass zur Mahagoniaußenhaut abgesetzt wurde. Nachdem die Kojenrahmen und die neue Lenzpumpe eingebaut und einige Spanten und Wrangen ergänzt bzw. erneuert waren, konnte die Elektrik überprüft werden. Dann leuchteten die vor 1 ½ Jahren geschliffenen Flächen von Aufbau, Deck und Außenhaut im Glanz des frischen Lacks. Eine umfangreiche Restauration ist abgeschlossen, Malle ist fit für ihr 2. Leben, ich wünsche ihr allzeit gute Fahrt und die obligatorische „Handbreit Wasser“ unter dem Schwert. Wir bedanken uns bei Mike Pelzer für seine hervorragende handwerkliche Arbeit, dafür das er für jedes Problem eine Lösung hatte und sich von mir nie hetzen ließ. Ich freue mich, das ich die Geduld aufgebracht habe, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Fotos: Mike Pelzer, www.yacht-restauration.de |
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