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100 Jahre Nationale Kreuzerklassen

Auf dem 20. Deutschen Seglertag 1911 stellte der Potsdamer Yacht Club im Namen der Berliner Vereine folgenden Antrag: „Um einem allseitig gefühlten Bedürfnis abzuhelfen, ist zur Hebung der Rennsegelei auf deutschen Binnengewässern eine rennfähige Kreuzerklasse zu schaffen, deren Größe etwa den 6-7 Segellängen-Kreuzern des alten Meßverfahrens entspricht.“ Dieser Antrag richtete sich in erster Linie gegen die Meter-Klasse. Die Boote der internationalen Formel waren für die Berliner Leichtwindreviere zu schwer gebaut, dadurch zu träge und vielen Seglern zu kostspielig. Nach ihrer meist nur kurzen Rennkarriere ließen sich die schlanken Rennyachten nur schwerlich zu wirklich bewohnbaren Kreuzeryachten umbauen. Für große Rennbesegelung konstruiert, waren die gewichtigen Boote mit einem handigeren Fahrtenrigg temperamentlos.

Der D.S.Vb.-Vorstand befürchtete durch den Berliner Antrag „ein gefährliche Durchlöcherung des internationalen Meßverfahrens“ der IYRU und lehnte zunächst kategorisch ab. Auch der stimmgewaltige und mit dem D.S.Vb. eng verflochtene Kaiserliche Yacht Club stellte sich geschlossen gegen das Berliner Ansinnen. Es kam einer kleinen Revolution gleich, als es den Berliner Binnenvereinen gelang, sich in einem harten und erbitterten Rededuell gegen die Stimmen der mächtigen Küstenvereine durchzusetzen. Schließlich wurde eine siebenköpfige Kommission beauftragt, Bauvorschriften für die neuen Kreuzerklassen auszuarbeiten. Als erste Kreuzerklassen wurden der 45 qm-Nationale-Kreuzer als Binnen- und der 75 qm-Nationale-Kreuzer als Butenklasse geschaffen. Für die Fahrtensegler wird innerhalb des D.S.Vb. eine Kreuzerabteilung gegründet.

Im Gegensatz zu der rein mathematisch aufgebauten Meter-Formel waren die Nationalen Kreuzer Grenzklassen. Ihre Bauvorschriften legten fest: die maximale Segelfläche und den größten Tiefgang, das Verhältnis von Länge über Alles zur Länge in der Wasserlinie, Höchst- und Mindestmaße für den Freibord, ein Mindestgewicht und Mindestabmessungen für die Kajüte sowie detaillierte Wohnlichkeitsvorschriften. Innerhalb dieser Begrenzungen hatten die Konstrukteure genügend Spielraum, um ihre optimale Schiffsform zu konstruieren.

Die rennfähige Kreuzerklasse wurde ein großer Erfolg. Segelten ihnen bei lauen Lüften die Meter-Boote zwar davon, so konnten die Nationalen bei mittleren Windstärken gut mithalten. Wehte es aber heftig, so waren die Nationalen Kreuzer den Meter-Klassen in jeder Beziehung überlegen. Der 45er Nationaler Kreuzer sollte die beliebteste Klasse der 20er Jahre werden. Er vereinte Handlichkeit mit Tempo und bot darüber hinaus ausreichend Bequemlichkeit für drei Personen, selbst über mehrere Tage. Von den Berliner Gewässern aus gingen viele Eigner mit ihren 45 qm-Kreuzern im Sommer auf Wanderfahrt in die Boddengewässer um Rügen.

1916, während des Krieges, kamen die 35 qm- und 125 qm-Kreuzerklassen hinzu. Der erste 35er wurde 1919, der erste 125 qm-Nationale-Kreuzer 1921 gebaut. 1923 wurde als fünfte Bootsgröße die 60 qm-Nationale-Kreuzerklasse geschaffen. Aufgrund der Sport-Isolation setzte nach dem Kriege eine rege Bautätigkeit in den nationalen Kreuzer-Klassen ein, die 1925 ihren Höchststand erreichte. Damals waren beim D.S.Vb neunundsiebzig 35er, einundneunzig 45er, dreizehn 60er, fünfunddreißig 75er, vier 125er und eine nationale 250 qm-Kreuzeryacht registriert.

Die anfänglichen Gaffeltakelagen wurden zu Beginn der zwanziger Jahre durch Hochtakelung mit Peitschenast ersetzt. In den ersten Jahren hatten die Boote eher mäßige Gesamtlängen und kurze Überhänge. Im Laufe der Zeit wurden die Überhänge und die LWL immer größer.

Mit der Gründung der deutschen Seefahrtkreuzer-Klassen ließ das Interesse an den großen Nationalen nach. Die 75er und 60er Nationalen-Kreuzer wurden vielfach in 60 qm- bzw. 50 qm-Seefahrtkreuzer umgetakelt. Die 45 qm- und 35 qm-Nationalen-Kreuzer wurden durch die 30 qm- und 20 qm-Jollenkreuzer abgelöst.

1928 wurde die 125 qm-Klasse und 1933 die übrigen Nationalen-Kreuzerklassen zu Altersklassen ohne Neubauerlaubnis erklärt. Insbesondere auf den Süddeutschen Revieren sind heute noch große Stückzahlen bei bester Gesundheit erhalten.
Klaus Kramer



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