Max Oertz (1871 - 1929)

Max Oertz - der geniale Yachtkonstrukteur und Werftbesitzer am Reiherstieg

Geschrieben wurde dieser Aufsatz von Hanns-Björn Rüppell für den "Elbsegler", Mitgliederzeitschrift der "Seglervereinigung Reiherstieg von 1926 eV", die unweit der damals noch existierenden Oertz-Werft gegründet wurde. Gern stellte Hanns-Bjoern Rüppell seinen Artikel auch für den FKY zur Verfügung, der die Oertz'schen "bootsbaulichen Ideen, Schönheiten und Schnelligkeiten ideell und materiell bewahrt".

Ein Schmiedemeister-Sohn aus Neustadt-Holstein will Boote bauen

Am 20. April 1871 wurde Max Oertz in Neustadt/Holstein als Nachfahre einer alteingesessenen Plöner Schmiedeamtsmeister-Familie geboren, mütterlicherseits entstammte er einer alten Seefahrer- und Reeder-Familie aus Orth/Fehmarn. Seine Eltern starben, als er nur 4 Jahre alt war, so daß er als „Findelkind von der Ostsee" Aufnahme in einer Berliner Beamtenfamilie fand, wo er als aufgeweckter Junge ein Realgymnasium in Stralau an der Oberspree besuchen konnte. Die öffentliche Förderung des Segeln- und Schiffahrts-begeisterten deutschen Kaisers Wilhelm II. nützte auch dem Gymnasiasten Max Oertz, der er bald seine erstes Boot baute, mit dem er auf der Oberspree segelte. Ab 1889 konnte er als Achtzehnjähriger einem Schiffbau-Studium an der Technischen Hochschule in Charlottenburg nachgehen und dem dort gegründeten Akademischen Segel-Verein (A.S.V.) beitreten. Er wurde zum begeisterten Segler und konnte schon 1890 auf dem A.S.V.-Kutter MATADOR an einer ersten Hochseereise von Stettin bis Königsberg und Pillau teilnehmen. Nach Abschluß seines Schiffbaustudiums 1892 begann Max Oertz als Bootsbauer auf der Lürssen-Werft in Aumund-Vegesack, wo bereits im selben Jahr nach seinen Rissen ein 21-Fuß-Kutter entstand. Ausgelöst durch die sensationellen Rumpfformen des amerikanischen Yacht-Konstrukteurs Nathaniel Herreshoff, über die Oertz in Fachartikeln sachkundig berichtete, lernte er den russischen Konstrukteur WA. Stahl kennen, der dem 22-jährigen die Stelle eines technischen Leiters auf der Blekholmens-Varf im finnischen, damals noch russischen Helsingfors verschaffte, des zu jener Zeit kompetentesten Boots- und Yachtbaubetriebes im Finnischen Meerbusen. Schon nach einem Jahr wurde er durch den russischen Segelsport-Mäzen G.W. Esch nach St.Petersburg geholt, wo er eigenverantwortlich Yachten konstruieren und bauen lassen konnte; schon 1894 erhielt er dazu die ersten Aufträge aus Deutschland.

Ein erster Konstruktionsauftrag in Berlin im Alter von 24 Jahren

Als der Berliner Bankier Barthold Arons l894 eine „Ausschreibung zur Gewinnung von Plänen für eine Segelyacht" in der Zeitschrift „Wassersport" veröffentlichte und ein Preisgeld von 500 Mark aussetzte, wurden 8 Entwürfe eingereicht, darunter einer von Max Oertz mit dem Namen EXEMPLA TRAHUNT. Er erhielt den Auftrag, aus seiner Holzbau-Konstruktion eine Aluminium-Yacht zu machen, die auf der Rostocker Neptun-Werft gebaut werden sollte. Aluminium war damals im Yachtbau ein unbekannter Baustoff, der bereits in der Beschaffung aus der Schweiz größere Probleme bereitete, doch die Neptun-Werft bewältigte die ungewöhnliche Herausforderung. Zur Kieler Woche 1895 wurde diese Experimental-Yacht gerade noch fertig, doch Erfolge gewann Barthold Arons erst im nächsten Jahr mit ihr. Inzwischen hatte Max Oertz sich als freier Yacht-Konstrukteur in Berlin niedergelassen und 1896 entstanden durch ihn bereits 5 Yachten. Im Charlottenburger A.S.V. lernte Oertz den aus wohlhabendem Hamburger Hause stammenden Schiffbaustudenten Hans Harder kennen. Beide beschlossen, eine eigene Yachtwerft auf der Insel Neuhof am Reiherstieg zu gründen, wo die preußische Stadt Wilhelmsburg gerade zu einem großen Industriestandort mit betrieblichen Neugründungen ausgebaut wurde. Am Neuhofer Reiherstieg existierte der Schiffbau bereits seit um 1800, darunter bis heute bekannte Namen wie J.C. GODEFFROY & SOHN (1850 - 1857), REIHERSTIEGWERFT (1857 -1927, danach DEUTSCHE WERFT AG), J. OELKERS (1888-1988), G. WOLKAU (1860 - 1975). Insgesamt waren hier von 1758 bis 1993 insgesamt 9 größere Werften gelegen, am Ostufer des Reiherstiegs weitere 6 (Quelle: W. Stammer).

Yachtwerft-Gründung am Hamburger Reiherstieg 1896

Da die Dreyer-Werft auf Neuhof, die seit 1836 hier Schiffbau betrieben hatte, aufgegeben wurde, konnten Oertz und Harder bereits ab ihrer Gründung ausreichend gelernte Schiffbauer für ihre neue Yachtwerft auf der Westseite des Reiherstiegs finden, die bereits nach einem halben Jahr 10 Neubauaufträge erhalten sollte. Hinzu kamen noch kleinere EinheitsJollen für den Hamburger Yacht-Club aus Anlaß seines fünfjährigen Bestehens. Von 1896 bis 1929 sollten auf der Oertz-Werft dann mehr als 450 Boote und Yachten entstehen, das heißt etwa 13 pro Jahr, darunter auch Barkassen, Fischkutter, Lotsenboote sowie Inspektionsund Torpedo-Boote für die Kaiserliche Marine (Quelle: W Stammer). Ein Foto einer Gruppe mit dem Titel „Arbeiter der Yachtwerft von Max Oertz & Harder, Neuhof am Reiherstieg am 2. August 1897" zeigte bereits 33 dort tätige Personen. Die Werft sollte bald weltbekannt werden und für die Qualität schneller Regatta- und Tourenyachten stehen. Neben den formschönen Rümpfen wurden hier auch Beschläge, Klampen, Poller, Klüsen und Nockbeschläge entworfen und gebaut. 1902 wurde der Name in „Max Oertz-Yacht-Werft" geändert. Zu Beginn der 1920er Jahre galt sie als die größte Yachtwerft Europas; die großen Werfthallen trugen zuerst die Firmeninschrift „OERTZWERFT", später „OERTZWERKE". Alten Fotos zufolge verfügte der Betrieb über zwei schienengeführte Slipbahnen zum Reiherstieg, davon eine mit Drehvorrichtung. Einzelne Yachten wurden auch mit Eisenbahnkränen und -wagen ins Binnenland verfrachtet (Quelle: K. Kramer). Eine für unsere 1926 am Reiherstieg gegründete Seglervereinigung naheliegende Frage ist, ob frühere Mitglieder auf der Oertz-Werft zu Bootsbauern ausgebildet wurden und hier bis zur Werftschließung im Jahr 1929 Arbeit fanden. Aus der Segler-Familie Warnecke wird dies erfreulicherweise positiv beantwortet; Zeugnisse, Berichte oder Fotos stehen hierüber jedoch nicht zur Verfügung. Immerhin dürften unsere segelbegeisterten Wilhelmsburger Vereinsgründer diesen berühmten Betrieb seinerzeit gut gekannt haben, weil er ganz in ihrer Nähe etwas nordwärts von ihrem ersten Bojenfeld und späteren Bootshafen am Reiherstieg lag. Das heute an der modernen Reiherstieg-Klappbrücke gelegene frühere Werftgelände ist inzwischen geräumt und dient jetzt einer Abbruchfirma als wasserseitiger Lagerplatz.

Große Rennyachten für Kaiser, Krupp und Kapital

Schon von Beginn an erhielt Max Oertz aufgrund seiner formschönen und klassetauglichen Konstruktionen bedeutende Yacht-Bauaufträge für seinen Betrieb. Dazu gehörten beispielsweise schon die 1896 gebaute Rennyacht ELLY des Berliner Fabrikanten von Siemens, 1898 folgte die 18,38 Meter lange Rennyacht POLLY, bei der die enge Oertz-sche Nahtspantenbauweise eine Beplankung von nur 16 bis 18 Millimetern erlaubte. Die 1899 von Kaiser Wilhelm II. intiierte Internationale Sonderklasse, für die am Reiherstieg mehr als 50 Yachten gebaut wurden, sollte eine in Deutschland weit verbreitete Konstruktionsklasse mit festen Vermessungsregeln werden. 1899 entstand bei Max Oertz & Harder als erste die KRANICH I, bis 1921 sollten etwa 150 weitere Sonderklasse-Boote deutscher Werften folgen, davon allein 46 von Max Oertz (Quelle: K. Kramer: Max Oertz). Ihre Formel war einfach: Länge des Bootes + größte Breite + größter Tiefgang = nicht mehr als 9,75 Meter (= 32 engl. Fuß); die Segelfläche durfte 51 qm nicht übersteigen und das Mindestgewicht von 1830 kg nicht unterschritten werden (Quelle: Yachtsport-Archiv).
Die für 1906 angenommene seglerische Herausforderung, an der französischen Reviera um den „Pokal von Frankreich" zu segeln, der ein Gegenstück zum „America's-Cup" sein sollte, führte Max Oertz zur Konstruktion und zum Bau der FELCA, die die französische Pokal-Verteidigerin ROSE FRANCE besiegen konnte. So wurde Oertz weithin bekannt, insbesondere durch seine eleganten und erfolgreichen Yachten der 10-Meter-Rennklasse, deren Konstruktionsmerkmale der ab 1908 geltenden „Meter-Klasse" (First Rule) zu entsprechen hatten, in die die Schiffslänge und - breite, Wasserlinienlänge, Tiefgang, Freibord und Segelfläche als Varianten eingingen und die als Segelzeichen bis heute ihre Klassenwerte tragen, z.B. 5,5/6/8/10/12. Die internationale Anzahl der R-Yachten betrug 1910 insgesamt 389, davon in Deutschland mit 112 Stück die meisten, gefolgt von England mit 55, Norwegen mit 53 und Frankreich mit 44 (Quelle: K. Kramer: Segeln für den Kaiser). In den Jahren 1906 bis 1911 galt Max Oertz als der führende Konstrukteur der „Königsklasse" genannten 10-Meter-Rennklasse.

Doch auch große Yachten gutbetuchter Auftraggeber wurden von Max Oertz gezeichnet, so die 1908 gebaute Schoneryacht GERMANIA des Essener Stahlmagnaten Dr. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, entstanden unter Oertz'scher Aufsicht auf der „Germaniawerft" in Kiel, deren beeindruckende Regattaerfolge Kaiser Wilhelm II. veranlaßte, Oertz 1908 und 1913 mit der Konstruktion seiner Rennschoner METEOR IV und V zu beauftragen. Der deutsche Kaiser hatte seine ersten Großyachten in dem von ihm als Seefahrtsnation bewunderten England gekauft (Quelle: Wikipedia): Die 1887 in Partick-on-Clyde mit dem Namen THISTLE, die er 1891 für 90.000 Goldmark kaufte und METEOR nannte. 1896 gab Kaiser Wilhelm II. dem rennomierten schottischen Yachtkonstrukteur George Lennox Watson den neuen Auftrag, eine schnellere Rennyacht zu bauen, die dann auf der Henderson-Werft am Clyde gebaut und bis 1902 vornehmlich für Segelregatten gebraucht wurde. Die Schoneryacht METEOR III kam 1902 aus den USA, entworfen von Cary Smith und auf Shooters-Island bei New York gebaut, die vom Kaiser dann 1910 verkauft unter unter dem Namen NORDSTERN weiter gesegelt wurde.

Über die nächste, von Max Oertz konstruierte METEOR IV erschien in der Segel-Fachzeitschrift DIE YACHT am 25. Juni 1909 eine elfseitige, enthusiastisch verfaßte Reportage (Quelle: Yacht-Archiv), die zustimmend ausrief: „...zum erstenmal (wurde), der Entwurf einer Yacht für die größte Rennklasse einem heimischen Konstrukteur, ihre Bauausführung einer deutschen Werft übertragen", was verbeugend als „nationale Tat" und „unbestreitbares Verdienst des Eigners der Schoneryacht 'Germania' um den deutschen Segelsport" bezeichnet wurde und als „das letzte noch fehlende Glied in der Entwicklung unserer Schiffbau-Industrie eingefügt und unsere völlige Unabhängigkeit vom Auslande auch auf dem Gebiet des Gross-Yachtbaues festgestellt" wurde. Der technisch außerordentlich sachkundige Bericht zeigt in Fotos die aufwändige Inneneinrichtung der METEOR IV: den großen Salon, darunter die „Kabine Seiner Majestät" mit „Toilettezimmer, welches ausser Waschtisch und Wasserspülklosett eine unter dem Fußboden versenkte Badewanne aufweist", dazu den „Damensalon im Hinterschiff' sowie die „Küche", die an die „Pantry" genannte Vorratskammer angrenzt und einen „Sparherd" sowie „Eisschrank" und „Heiswasserbereiter" zeigt. Weiter heißt es: „Vor dem Mast liegt das geräumige Logis, welches Segeltuchklappkojen für 20 Mann der Besatzung und Hängematten für eine weiteres Dutzend Leute hat", und: „die Frischwassertanks fassen zusammen 12 Kubikmeter". Als Beiboote werden beschrieben: „Querab vom Schonersegel....können an St.B. ein elegantes Motorbeiboot mit 10 PS-Daimler-Motor, an B.B. eine schlanke vierriemige Gig - beide auf der Yachtwerft von Max Oertz gebaut in Davits gefahren werden." Als Hauptabmessungen werden genannt: „Länge ü.A. 47,20 m, Grösste Breite 8,27' m, Tiefgang 5,49 m, niedrigster Freibord 1,32 m, Deplacement 266 cbm", dazu die Segel mit „wirkliches Areal": „Grosssegel 518 qm, Schonersegel 206 qm, Stagfock 1117 qm, Klüver 1122 qm, Flieger 52 qm, Grosstopsegel 171 qm, Vortopsegel 69 qm, Spinnaker 656 qm, Stengestagsegel 140 qm". Abschließend heißt es zuversichtlich: „In segelfertigem Zustande wurde S.M. Y. > Meteor < am vertragsmässigen Tage, dem 1. Mai d.J., in Dienst gestellt und in häufigen Fahrten bei den verschiedensten Wetter- und Windverhältnissen von Kapitän Peters und seiner tüchtigen Mannschaft erprobt. Eines haben diese Fahrten schon gezeigt: die neue Kaiseryacht hat vortreffliche Segeleigenschaften. Die Kämpfe in der grossen Schonerklasse werden werden daher ausserordentlich interessant werden, denn auch > Germania < und > Hamburg < stehen wohlgerüstet dazu da...." Von einer „Internationalen Wettfahrt auf der Unterelbe am Dienstag, den 22. Juni 1909" mit 25 sm für die Klasse A 1 wird ebenfalls in DIE YACHT gemeldet, daß die METEOR (mit 2.45.10 Std. geseg. Zeit) Zweiter wurde hinter der nur 2 Min. früher einkommenden HAMBURG des „Vereins Seefahrt", doch deutlich vor der 8 Min. langsamer gesegelten GERMANIA. Der Deutsche Kaiser und sein neuer Konstrukteur Max Oertz dürften zufrieden gewesen sein. Schon fünf Jahre danach, 1914, lief die letzte, ebenfalls von Max Oertz konstruierte Yacht METEOR V in Kiel vom Stapel und konnte kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges von Prinz Heinrich, der mit einem Zerstörer 1914 nach Cowes in England gefahren war, zurückgeholt werden, wogegen die GERMANIA, die ebenfalls zur Cowes Week dort war, vom englischen Zoll als Prise beschlagnahmt wurde.

METEOR IV, Baujahr 1909
L.ü.A. 47,14 m, Breite 8,29 m, Tiefgang 5,49 m, Verdrängung 266 m3
Segelfläche 1.371 m2

Max Oertz als Konstrukteuer und Erfinder für Schiffahrt und Flugzeugbau

Zur gleichen Zeit begann Max Oertz, sich konstruktiv auch mit der Luftfahrt zu beschäftigen, vermutlich angeregt durch den deutschen Flugpionier Otto Lilienthal (1848 - 1896), und startete in der Lüneburger Heide auf gepachtetem Heideland bei Schneverdingen im August 1909 mit seinem „Doppeldecker Nr. 1" (Quelle: K. Kramer: Max Oertz). Zuvor hatte er schon in Hamburg zahlreiche geheim gehaltene Modellflugzeug-Versuche gemacht und baute 1910 den ersten Doppeldecker. Er kooperierte mit der amerikanischen Wright-Flugmaschinen-Gesellschaft, indem er für sie Flugmaschinen baute und sie für ihn seine Oertz-Doppeldecker verkaufte. 1911 kam es unter finanzieller Beteiligung von Prinz Heinrich von Preußen zur Gründung der „Oertz-Flug-zeug A.G.", deren Flugzeuge 1912 jedoch von den im Aufbau befindlichen deutschen Fliegertruppen als zu schnell abgelehnt wurden. Max Oertz wandte sich danach der Konstruktion von Wasserflugzeugen zu; 1913 entstand mit der „FB. 1" mit 100 PS sein erstes Flugboot, das infolge seiner Bauweise als Motorboot mit Doppelflügeln noch Schwierigkeiten hatte, vom Wasser abzuheben. Das nächste Oertz-Flugboot „F.B. 2" mit 160 PS Mercedes-Motor hob dagegen zuverlässig ab und bot gute Flugeigenschaften, es wurde 1914 von der Kaiserlichen Marinebehörde mehrfach geordert und schon in den ersten Tagen des Weltkrieges für Erkundungsflüge bis nach Dover erfolgreich benutzt. Die Oertz-Werft sollte dann 5 größere „W 5 - Flugboote" mit noch stärkeren Motoren liefern, die mit 240 PS-Maybach-Sechzylinder-Mo-toren bis zu 120 km/h schnell waren. Es folgte ein origineller „Flugschoner" mit zwei Flügelpaaren und einem Mittelmotor, der die etwa 5 to schwere Konstruktion auf 118 km/h Fluggeschwindigkeit beschleunigen konnte. Die Oertz-Werft am Reiherstieg mußte dann während des Ersten Weltkrieges schnelle U-Boot-Zerstörer von 26 - 31 Metern Länge mit je zwei 250-PS-Benzinmotoren bauen, dazu Barkassen, Inspektionsboote, Torpedo-Motorboote und Minenräum-Boote, die zum Kriegsende jedoch von den Siegermächten beschlagnahmt wurden.

1918 Besitzwechsel am Reiherstieg und Ende der Oertz-Werft 1929

Nach Kriegsende war ab 1919 als privatwirtschaftliche Folge war nicht mehr an den Yachtbau zu denken, zumal auch die Zeit der „Herren-Segler" mit den großen Prestige-Rennyachten zuende gegangen war. Max Oertz mußte seinen Betrieb am Reiherstieg verkaufen; neuer Besitzer wurde 1918 der Wiener Finanzmakler und Bankier Kommerzi-enrat Camillo Castiglioni. Dieser galt als „windiger Glücksritter der Inflation" (Quelle: K. Kramer), er führte den Betrieb unter dem Namen „Oertzwerke, Nordseewerft der Hans- und Brandenburgischen Flugzeugwerke A.G.". Max Oertz wurde als Vorstandsmitglied Technischer Leiter. Schon 1921 wurde der Werftbetrieb als selbständiges Unternehmen von den Flugzeugwerken getrennt und in „Oertz-Werke" umbenannt. Neue Auftraggeber kamen jetzt aus der deutschen Fischereiwirtschaft, für die Max Oertz zwei elegant geformte Spitzgatttypen von 18,27 und 24,36 Metern mit Segelausrüstung und Hilfsmotoren konstruierte, die ihnen „ausgezeichnete Stabilität, gepaart mit gutem Seeverhalten" gaben. Für die Lübecker Reederei Cordes & Peters wurden 8 dieser Oertz-Kutter gebaut, von denen später der Kutter HOLSTENTHOR H.H. 177 als Segelyacht HAMBURG mit Kapitän Karl Kircheiß berühmt werden sollte (siehe hierzu: Kapitän Karl Kircheiß: Meine Weltumsegelung mit dem Fischkutter Hamburg, Leipzig 1928).

Max Oertz hatte 1921 im Auftrag des Reichskommissars für Fischversorgung auch gaffelgetakelte Strandsegelboote mit Motor für die Fischer an der Pommerschen Küste entworfen, „von denen größere Stückzahlen zum Einsatz kamen" (K. Kramer). Max Oertz verbesserte auch die Fischerei-Fangtechnik durch Erfindung des gewölbten Scherbrettes, das die Netzspreizung verdoppelte, 1921 zum Patent angemeldet und zum internationalen Standard wurde. Ein weiteres Patent erwarb die Oertz'sehe Erfindung eines Patentruders für große maschinengetriebene Wasserfahrzeuge, das 1927 auf dem Dreimast-Vollschiff SCHULSCHIFF DEUTSCHLAND eingebaut wurde. Deren gute Erfahrungen mit dem neuen, stromlinienförmigen Oertz-Ruder trug dazu bei, die schnellen Vierschrauben-Turbinendampfer BREMEN und EUROPA mit dem Oertz-Ruder auszustatten. Danach wandte sich Oertz der Verbesserung der bis dahin zylindrischen Dampfschiff-Schornsteine zu, deren „Entwirbelung" er mit Versuchen im Windkanal des „Göttinger Instituts" erreichen konnte.

1921 konnte auf der Oertz-Werft noch die 38-Meter-Schoneryacht AELLO für einen ägyptischen Auftraggeber gebaut werden, deren Qualität jedoch erhebliche Mängel aufwies; Oertz stellte „entsetzt" fest, daß die Werft „nicht nur seine Konstruktionszeichnungen manipuliert, sondern auch in seinem Namen stümperhafte, miserable Schiffbauqualität geliefert hatte" (Zitat: K. Kramer). Demzufolge brach Max Oertz am 1. September 1922 jeden Kontakt zur „Oertz-Werft A.G." ab und wandte sich persönlich erteilten Konstruktionsaufträgen zu.

1923 entstand die Tourenkreuzer-Ketsch REGINA von der Germania-Werft, weitere Bauten auf den Deutschen Werken in Kiel und bei Abeking & Rasmussen an der Weser folgten. „Die Oertz-Werft gerät ohne ihren Gründer in schweres Fahrwasser" (K Kramer) und wurde am 8. Februar 1930 beim Amtsgericht Hamburg als erloschen gemeldet. Geschäftspapiere und Zeichnungen wurden bei den Bayerischen Motoren-Werken in München eingelagert, die zuletzt alleiniger Aktionär des Werftbetriebes waren.

1929 entstand für den Hagener Industriellen und Kunstmäzen Eberhard Osthaus auf der Travemünder Schlichting-Werft mit der 18,05 Meter langen Fahrtenketsch INGORATA die letzte der Max Oertz-Yachten zu dessen Lebzeiten, allerdings gegen seinen ausdrücklichen Wunsch mit Inneneinrichtungen des Architekten Henry van de Velde und ohne seine Beteiligung am Stapellauf. Der von der Technischen Hochschule in Darmstadt 1918 für seine „hervorragenden Leistungen im Yachtbau und im Flugwesen" ehrenhalber promovierte Dr.-Ing. h.c. Max Oertz starb am 24. Novemer 1929 nach schwerem Leiden in Hamburg.

SY HETI: Die Schöne vom Reiherstieg seit 1912

Eine ungewöhnliche, fast 100-jährige Yacht-Geschichte bietet eine der zahlreichen von Max Oertz gezeichneten und gebauten Sportsegelboote mit der 12-Meter-R-Yacht HETI, die 1912 am Reiherstieg vom Stapel lief, in der Blüte des klassischen deutschen Yachtbaues in der ausgehenden deutschen Kaiserzeit. Ihr Auftraggeber war der Lübecker Holzkaufmann Hermann Eschenburg (1872 - 1954) aus einer Familie, der von Thomas Mann im Lübecker Kaufmannsroman „Buddenbrooks" als „Huneus Hagenström" sogar ein literarisches Denkmal gesetzt wurde (Quelle: Freunde der Segelyacht HETI e.V.). Er benannte den 18,60 m langen Gaffelkutter mit Stengemast und Klüverbaum „aus bestem Tabasko-Mahagoni" über Stahlspanten nach seiner jüngsten Tochter Hedwig (1906 - 2002). HETI ist eine 12-Meter-R-Yacht, deren Zugehörigkeit zur Bootsklasse „12-er" ein Ergebnis aus sieben mathematischen Faktoren gemäß einer Formel von 1906 ist, die sie zum beachteten Mitglied einer Gruppe von Segelyachten von um 18 bis 22 Metern Länge machte, die 1908, 1919 und 1933 von der International Yacht Racing Union (IYRC) überarbeitet wurde und bis heute gilt. Allein zwischen 1907 und 1914 entstanden danach innerhalb der internationalen 8 Klassen von R-Yachten bereits 36 „12-er". Insgesamt verzeichnete das Lloyds Register 1912 weltweit 632 R-Yachten, in Europa wurden insgesamt an die 800 Meteryachten gebaut. Die Beliebtheit dieser vornehmlich für kurze Inshore-Regatten benutzten formschönen und schnellen Yachten sollte über die Jahrzehnte bis heute anhalten.


Foto: © Stiftung Hamburg Maritim

SY HETI ging durch viele Besitzerhände: Von Hermann Eschenburg, Lübeck, 1921 an Dr. Max Hamers, Berlin-Lichterfelde, sie wurde in TRAUM umbenannt und in den 1930-er Jahren zur Yawl umgebaut; 1953 hieß sie dann NATHURN und gehörte dem Bremer Segler Heinz Harmssen, der sie noch im selben Jahr an die Hanseatische Yachtschule Glücksburg verkaufte; an der Flensburger Förde wurde sie in SEESCHWALBE umgetauft und vermutlich kaum gesegelt; 1966 wurde sie dann von Karsten Schaper gekauft, der sie nun MOBY DICK nannte und in Flensburg liegen ließ; 1967 übernahm sie der Hamburger Peter Himstedt und wurde in SATURN umgetauft, ihren sechsten Namen. Angesichts des nun schon hohen Alters der Yacht ließ Himstedt sie Ende der 1960-er Jahre bei der Werft von Jürgen Heuer in Finkenwerder glasfaserbeschichten, einen weicher einsetzenden V-förmigen Vorfuß ausschäumen und überziehen; der Mast wurde auf 22 m verkürzt und auf Toptaklung umgestellt. Mit diesen fachlich gut ausgeführten Verbesserungen wurde die SATURN bald zu einer „konstanten Größe bei den großen klassischen Elbwettfahrten"; 1976 gewann sie vor 150 weiteren Yachten mit einem neuen Bahnrekord das „Blaue Band der Niederelbe". 1978 wurde die SATURN von der Frankfurter „Seglervereinigung Rhein-Main" übernommen, als ROMEO in das Seeschiffsregister eingetragen und bis 1981 von ihr als Ausbildungsschiff benutzt. Ihr Finanzier Friedrich Goebel nutzte sie dann privat in Ostsee, Nordsee und im Mittelmeer, wo sie bis 1998 in verschiedenen Häfen beheimatet war. Durch die Vermittlung des Hamburger Traditionsschiff-Liebhabers Joachim Kaiser schenkte Goebel seine klassische Yacht nach 22 Jahren und 33.000 sm an den Verein „Jugend in Arbeit", der sie restaurieren und zurückbauen sollte auf den vormaligen 12-er. Von Hedwig Howaldt geb. Eschenburg erhielt sie in Hamburg wieder ihren ursprünglichen Namen HETI.

Auf der Beschäftigungswerft des 1983 gegründeten „Jugend in Arbeit e.V." im Harburger Binnenhafen, der die Berufsqualifizierung Jugendlicher vornehmlich mit historischen Schiffen vornimmt, wurde die HETI nun mit Hilfe des Nutzervereins „Freunde der Segelyacht Heti e.V." in mehrjähriger Arbeit restauriert, worüber u.a. eine in der Werft ausgestellte eindrucksvolle Fotoreportage bildhaft berichtet. Als neuer Eigentümer trat die 2001 von der HSH Nordbank auf Initiative der Handelskammer Hamburg gegründete „Stiftung Hamburg Maritim" ein, die bereits mehrere traditionelle Hamburger Schiffe übernommen hat, um sie wieder in Fahrt zu setzen (z.B. Staatsdampfer SCHAAR-HÖRN, Hochseekutter HJ. 231 LANDRATH KÜSTER, Elbfischer-Ewer CATARINA, Besan-Ewer JOHANNA und Schlepper FAIRPLAY VIII). Die 12-Meter-Rennyacht HETI wurde nach umfassender Restaurierung von 2002 bis 2005 wieder in Fahrt gebracht, behielt aus wirtschaftlich-technischen Gründen aber ihr äußere GFK-Beschich-tung und die modifizierten Linien. Neben völlig überholter Innenseite mitsamt durch Kambalaholz ersetzte Stahlspanten, neuen Bodenwrangen, klassischen Einbauten und speziell angefertigten Beschlägen erhielt die HETI auch einen 100 PS-Motor von Volkswagen Marine, damit sie mit eigener Kraft von ihrem neuen Liegeplatz im Hamburger Sandtorhafen auf die Elbe und durch den Nordostseekanal laufen kann. Das gesamte Rigg wurde erneuert und die alte Gaffeltakelung samt Stenge und Klüverbaum wiederhergestellt. Seitdem wird die HETI als einzig erhaltener First-Rule-Zwölfer auf Elbe und Ostsee in den traditionellen Regatten auch gegen die restaurierten internationalen 12-er gesegelt, von denen einmal 130 Exemplare gebaut worden waren. Vornehmlich den Segelenthusiasten des kompetenten Nutzervereins „Freunde der Segelyacht Heti e.V." unter Leitung ihres Vorsitzenden Philipp Schilling und der weitblickenden „Stiftung Hamburg Maritim" sowie den Bootsbaufachleuten der Harburger Werft „Jugend in Arbeit e.V." ist es zu verdanken, daß diese schöne und schnelle klassische 12-er-Yacht HETI wieder segeln kann und ihrem Konstrukteur Max Oertz und dem klassischen deutschen Yachtbau heute alle Ehre macht.
(Die Abmessungen der HETI sind: L.Ü.A. 18,60 m / Länge WL 13,24 m / Gesamtlänge 23,00 m / Tiefgang 2,30 m / Breite 3,50 m / Verdrängung 27 to / Segelfläche a.Wmax. 230 qm.)

Klassische Max-Oertz-Yachten segeln wieder Regatten

Die stark belebte klassische Yachtszene Deutschlands hat sich unter der Federführung des rund 1.600 Eigner umfassenden „Freundeskreis Klassischer Yachten" (FKY) entwickelt, der sich als „bundesweiter Zusammenschluss von Liebhabern traditioneller Schwert-, Kiel und Motoryachten" versteht. Er will „das steigende Interesse an alten Schiffen aufgreifen und fördern", das aus „Lebensfreude, Segel-Leidenschaft, Sinn für Ästhetik und manchmal auch ein wenig Weltanschauung um den Erhalt traditoneller Yachten und unseres maritimen Erbes" entstanden ist (Quelle: Freundeskreis Klassischer Yachten). Seine bekannteste Veranstaltungen sind die „Max-Oertz-Regatta Neustadt", die zum 10. Male an Pfingsten 2010 mit 76 Yachten in 6 Gruppen stattfand, und die jährlichen „German Classics - Klassiker Regatten Laboe" mit Dreiecks- und Langstrecken-Wettfahrten und rund 200 Teilnehmern. Der „Akademische Segel-Verein e.V. Berlin" schrieb den „Max-Oertz-Preis 2010" aus, der seit seinem 100-jährigen Bestehen im Jahre 1986 von Kielbooten und Jollenkreuzern auf der Havel ausgesegelt wurde. Im Juni 2010 fand auf der Ostsee die von Flensburg ausgehende „Classic Week" statt, die mit rund 150 klassischen Yachten, darunter die vielbewunderte restaurierte HETI, nach Sonderburg, Kappeln und Kiel führte. Und von der Schlei werden immer wieder Regatta-Erfolge der 1907 bei Schlichting in Travemünde gebauten Max Oertz-Yacht PHÖNIX (vorm. FRISIA als 30-er Nationaler Kreuzer von 8,04 m Länge) gemeldet, die neben zahlreichen Platzierungen in den Flensburger und Laboer Klassiker-Wettfahrten auch in den bei Arnis stattfindenden „Mittwoch-Feierabend-Regatten" der dortigen wettfahrtstarken Segelszene seit 2007 dank der Fertigkeit ihres Eigners Hauke Prohn sowie einer Yardstick-Festlegung von 113 fast regelmäßig vorne liegt und 2009 beim „Blauen Band der Schlei 2009" unter 38 Teilnehmern Zweiter nach berechneter Zeit wurde. Max-Oertz-Yachten zeichnen sich bekanntlich bis heute durch ihre bootsbauliche Schönheit und seglerischen Fähigkeiten aus.

Hanns-Björn Rüppell

Quellen:
Klaus Kramer: MAX OERTZ - Genie, Yachtkonstrukteur und Erfinder, Schramberg 2001 Klaus Kramer: Segeln für den Kaiser - Die Internationale Sonderklasse, Bielefeld 2003 Wilhelm Chr. K. Stammer: Hamburgs Werften 1635 -1993, Hamburg 1994 DIE YACHT VI. Jg. No. 16, 25. Juni 1909: S.M. Yacht >Meteor<
Freunde der Segelyacht Heti e.V. (Text: Erdmann Braschos, Fotos: Ulf Sommerwerck, FHP-design: Gestaltung): 12 MR Segelyacht HETI, Hamburg 2009 (bisher unveröffentlichter Andruck)
Erdmann Braschos: Wie Benjamin aufs Kaiserbänkchen gelangte - Die Max-Oertz-Regatta nächstes Wochenende in Neustadt erinnert an die erstaunliche Karriere einer schillernden Figur, in: FAZ-Sonntagszeitung v. 16.05.2010
Stiftung Hamburg Maritim: Website www.stiftung-hamburg-maritim.de, 18.11.2010 Freundeskreis Klassischer Yachten: Website www.fky.org„18./20.06.2010 / www.german-clas-sics.info 20.06.2010 / www.max-oertz-regatta.de, 27.05.2010, Yachtsport-Archiv 16.05.2010, Prospekt Vorschau 2011
Akademischer Segler-Verein e.V. Berlin: Website www.asv-berlin.de, 27.05.2010 Hauke Prohn: Website www.phoenix-1907.de, 20.06.2010
NV-Veröffentlichungen 2/2003: Hauke, Phönix und der Turbo - Eine Episode der Arnisser Feierabendregatta 2003
http://de.wikipedia.org: Max Oertz (08.11.2010), Meteor (Yacht) 16.11.2010, Sonderklasse (Bootsklasse) 29.05.2010, Werften in Hamburg 16.05.2010, Reiherstieg 28.05.2010
www.yachtsportarchiv.de: Oertz & Harder / Max Oertz-Yachtwerft 16.05.2010, Max Oertz 27.05.2010
www.alt-wilhelmsburg.de: Max Oertz-Werft 27.05.2010


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