Samstag, 19. Februar 2011 in Kiel-Strande: Eisiger Ostwind pfeift über die Kieler Förde.
In der Werft des Kieler Yacht Clubs bollert schon die Heizung, als sich dort gegen 10 Uhr siebzehn Holzbootliebhaber erwartungsvoll zum diesjährigen Restaurierungsseminar von Uwe Baykowski und Georg Wawerla einfinden.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ist klar: Hier sitzen allesamt Leute, die in ihrer Freizeit alte Boote liebevoll pflegen und restaurieren (wollen) und sich von den Profis Hilfe zur Selbsthilfe erhoffen. Einer der Teilnehmer hat sogar seine frisch erworbene BM-Jolle sozusagen als Anschauungsobjekt mitgebracht.
Zum Auftakt gibt es einen Überblick über die Längs- und Querverbände im Schiffsrumpf, dem Kiel, den Bodenwrangen und Spanten, Balkwegern, Stringern und Planken. Damit wird klar, wie wichtig intakte Verbindungen für die Stabilität des gesamten Rumpfes sind.
Gleich im Anschluss der Praxisbezug: Wie ersetze ich eigentlich einen gebrochenen Spant? Kurzerhand werden die vom Schiffsrumpf vorgegebenen Formen mittels einer selbstgebauten Harfe gestrakt und mehrere Mahagonileisten zu einem neuen Spant lamelliert.
Gegen Mittag stärken wir uns mit einer zünftigen norddeutschen Mahlzeit im Clubhaus des Kieler Yacht Clubs, bevor es anschließend wieder in die Werkstatt geht.
Es folgt ein Gastvortrag von Björn Heitmann über Epoxidharz und seine Möglichkeiten. Wir erfahren, dass wir damit druckfrei kleben können - da hat man das Zeug schon so oft benutzt und noch nie über diese Eigenschaft nachgedacht! Wir lernen den Unterschied von Matten, Gelegen, Geweben und Abreißgewebe kennen und fertigen auch gleich ein paar Verklebungen als Probestücke an.
Danach geht es in die Winterlagerhalle des Kieler Yacht Clubs, wo wir einige wunderschöne Kreuzeryachten bestaunen und aufmerksam lauschen, als Uwe seine Klopfanalyse an verschiedenen Rümpfen vorführt. Und tatsächlich: Auch wir Amateure hören dank seiner fachkundigen Anleitung am Klang der Schiffsbäuche Unregelmäßigkeiten heraus, denen es nachzugehen gilt.
Zurück in der Werkstatt demonstriert Georg eindrucksvoll, wie man mit Hilfe von Forstner Bohrer und Stemmeisen präzise Spunde herstellt. Es folgen Ausflüge in die Werkzeugkunde, die Verwendung von verschiedenen Schleifmitteln und das Abziehen von Lackflächen mit Heißluft und Ziehklinge.
Am Abend geht die Veranstaltung im gediegenen Restaurant des unweit gelegenen Strandhotels nahtlos in den gemütlichen Teil über. Bei gutem Essen und geistigen Getränken begutachten wir am Kaminfeuer viele Fotos von den Booten der Teilnehmer und diskutieren bis tief in die Nacht unsere „Einzelschicksale“, wie Uwe sie nennt. Natürlich werden auch Törntipps für die kommende Saison ausgetauscht.
Nach einer kurzen Nacht sind am Sonntag morgen alle wieder um 10 Uhr in der Werkstatt, schließlich steht noch so einiges auf dem Programm.
Zunächst gibt Georg einen Literatur-Überblick rund um klassische Yachten und hat dazu eine große Kiste Anschauungsmaterial mitgebracht, die offenbar nur einen kleinen Teil seiner Fachbibliothek ausmacht.
Während dessen bereitet Uwe seine Holzkochkiste vor, um uns später eindrucksvoll zu demonstrieren, wie ein Spant auf traditionelle Weise gedämpft und gebogen wird.
Zwischendurch gibt es einen Überblick über die riesige Palette verschiedener Produkte zum Lackieren von Überwasserschiff und Aufbauten.
Anschließend zeigt Georg, wie undichte Plankengänge mit Schattenfugensäge und konisch geschnittenen Leisten fachmännisch ausgeleistet werden. Noch mal mit dem Hobel drüber und begeistert stellen wir fest: Mit genügend Muße und Sorgfalt schaffen wir das jetzt auch!
Zu guter Letzt vernieten wir zusammen mit Uwe das Modell einer Klinkerbeplankung mit Niethammer, Nietflöte, Gegenhalter und Klopfzeichen (!). Auch hier kommt die Erkenntnis: Gewusst wie das alles ist kein Hexenwerk!
Viel zu schnell naht das Ende des Seminars. Wir könnten Georg und Uwe noch stundenlang zuhören und zusehen. Die offene und unkomplizierte Art, mit der sie ihr scheinbar unerschöpfliches Wissen bereitwillig weitergeben, macht aus diesem Restaurierungsseminar einen echten Mitmach-Workshop, den jeder Holzbootbesitzer einmal im Leben besuchen sollte.
Als wir an diesem Sonntag nachmittag die Kult(werk)stätte des Kieler Yacht Clubs verlassen, steht die Sonne schon tief und der eisige Ostwind pfeift immer noch über die Kieler Förde. Hinter uns liegt ein unvergessliches Wochenende, das jetzt so richtig Lust auf die noch anstehenden Winterarbeiten gemacht hat!
Wolfgang und Susanne Pietrzak