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segeln - lieben - bewahren

Frau Dörte Meyer erhielt für den Erhalt ihres Autoboots „KUHSIEL“ auf der Hanseboot in Hamburg den Preis „segeln, lieben, bewahren“ des Freundeskreises. Torsten Conradi, Präsident des Deutschen Boots- und Schiffbauerbandes, hielt die Laudatio.


von links: T. Conradi, Dörte Meyer, Bernd Meyer


Fotos: Ariane Schulz

Aus der Laudatio:

"Mit dem Thema „Autoboot“ begeht der Freundeskreis klassische Yachten auf der Hanseboot Neuland, standen doch bisher stets besegelte Exponate auf seinem Messestand. Zu Unrecht, wie die hier ausgestellten Exemplare beweisen.

Das Interesse an Motorbooten für Vergnügungsfahrten in geschützten oder küstennahen Gewässern entstand Ende des 19. Jahrhunderts im Zeichen wachsenden industriellen Wohlstands. Ihre Formgebung und Bauweise waren stets mit der technischen Entwicklung und Verbesserung der Antriebsmotoren verbunden. Der zunächst verfügbare Dampfmaschinenantrieb wies jedoch eine Reihe von Nachteilen auf, insbesondere hohes Gewicht, geringe Drehzahl, eingeschränkte Verfügbarkeit – vor Fahrtantritt mußte ja zunächst eingeheizt und forciert Dampf aufgemacht werden - und das Erfordernis ausgebildeter Spezialisten. Erst nachdem kleine und leichte Ottomotoren zur Verfügung standen, begannen die Konstrukteure, sich von den Rümpfen der Dampfbarkassen zu verabschieden und neue Formen zu entwickeln: Schlanke Rümpfe mit geradem Steven, der das Wasser scharf zerteilte, ohne sich herauszuheben. Um dem gefürchteten Absacken des Achterschiffs entgegenzuwirken, wurde mit dem senkrechten Spiegel das Heck gekappt.

Um 1900 tauchte vereinzelt das Wort „Autoboot“ auf. Es unterschied sich von anderen motorisierten Wasserfahrzeugen durch eigene charakteristische Merkmale, vor allem die Aufstellung des Motors unter dem langen Vordeck oft mitsamt eines V-förmigen Wasserabweisers, den geraden Steven, das hohe, teilweise um die Sitzbänke herummodellierte Süll und gerne große Lufthutzen. Lenksäule statt hölzernem Steuerrad und Windschutzscheibe sind in Form und Funktion identisch zu denen zeitgenössischer Automobile. Meist stammte zudem die Maschine aus einem Automobil. Der Gashebel ersetzt den Maschinentelegrafen.

Autoboote sind für eintägige Wander- und Ausflugsfahrten konzipiert. Eine Übernachtung wäre allenfalls auf den Sitzbänken möglich. Wer längere Reisen beabsichtigte, legte sich andere Boote zu oder übernachtete standesgemäß im Hotel. Ein schönes Beispiel für ein solches Boot ist die hier stehende „AJAX“, deren erst kürzlich abgeschlossene Restaurierung eine eigene Geschichte wäre. Das Boot ist zu Recht in diesem Jahr mit dem Restaurierungspreis des Freundeskreises ausgezeichnet worden.

Das hier ebenfalls ausgestellte Autoboot „KUHSIEL“ entstand in den 20er Jahren auf der in Bremen-Walle ansässig gewesenen Bootsbauerei Driebe. Leider ist sowohl über den kleinen Betrieb nur wenig in Erfahrung zu bringen als auch über den Konstrukteur des Bootes. Die Frage nach Bauplänen oder Einzelheiten wurde von Frau Driebe mit den überlieferten Worten beantwortet: „Hören Sie zu, junger Mann - wir sind 2 x ausgebombt worden und haben nichts mehr". Nach ihrer Aussage sind damals die Leute mit einem Motor unter dem Arm angekommen, häufig einem DIXI oder Opel Laubfrosch, mit dem Kommentar: „baut mir mal ein Boot darum". Nach dem Krieg hat man bis ca. 1950 noch Boote gebaut, danach ist der Betrieb verschwunden.

Wir wissen von einem ebenfalls aus den 20er Jahren stammenden Schwesterschiff, dessen Restaurierung durch andere Eigner bereits vor langer Zeit aufgegeben und das dann nach Berlin verkauft wurde.

Im Sommer 1961 haben sich die Eltern der heutigen Eignerin in der kleinen Ansiedlung „Kuhsiel“ an der Einmündung des Kuhgrabens in die Wümme ein Wochenendhäuschen zugelegt. In dem zu diesem Häuschen gehörenden Bootsschuppen (Wassergarage) lag das 5,6 m lange Autoboot, das den Namen dieser Freizeitstätte erhalten hat. Wir wissen nicht, welche Beweggründe den Ausschlag für die seinerzeitige Motorenwahl für dieses Boot gegeben hatten. Ursprünglich mit einem 10 PS starken Dixi-Motor der Fahrzeugfabrik Eisenach ausgerüstet, ist das Boot zeitweilig mit einem aus einem Opel-Rekord ausgebauten Motor angetrieben worden. Weder der Original-, noch der Opel-Motor konnten erhalten werden, so daß inzwischen ein moderner 20 PS Bootsmotor als Antrieb dient. Hier stand der Wunsch nach leistungsfähiger Zuverlässigkeit im Vordergrund und hat mögliche Gedanken zur Historie verdrängt.

Das Boot befindet sich seither im Familienbesitz und ist in die Hände der nächsten Generation weitergegangen. Es dient nicht nur für den Sonntagsausflug auf Wümme und Weser, sondern hat zahlreiche umfangreiche Ausfahrten erlebt, so z.B. im Hadelner Kanal, auf der Müritz und anhängenden Gewässern, der gesamten Weser, Westfriesland und holländische Kanäle, Berliner Gewässer, die Oder, das Haff und die Peene. Es ist trotz seines hohen Alters von über 90 Jahren kein Schmuckstück für die Vitrine, sondern erfüllt noch immer seine ursprüngliche Bestimmung zur Freude der Eigner und zeigt sich in guter Kondition.

Mit der vom Hamburger Künstler Hinnerk Bodendieck gestalteten Plakette „Segeln, Lieben, Bewahren“ soll der Erhalt auch historisch wichtiger Exemplare des maritimen Erbes gewürdigt werden."



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