"Stint" folgt "Forelle"
Die Restaurierung einer der letzten 5,5 m Grünhagen Weserjollen.
Die Restaurierung einer der letzten 5,5 m Grünhagen Weserjollen.
Bereits vor 20 Jahren hatte der Segel Verein Weser eine dieser klassischen Weserjollen vor dem Verfall gerettet und zu einem beliebten Schmuckstück des Vereins gemacht. Sie wurde auf den Namen „Forelle“ getauft. Nun wurde wieder eine der wenigen Jollen angeboten, so dass die Vereinsführung sich für den Erwerb entschied und damit ein weiteres Exemplar vor dem endgültigen Verlust retten konnte. Denn der legendäre Konstrukteur dieses Bootes, Ferdinand Grünhagen, war ein frühes Mitglied des SVW und trug mit seinen Entwürfen für die Weserjollen in dieser Zeit wesentlich zu der Entwicklung des Segelsports auf dem Weserrevier bei.
Bereits 1921 entstand aus der Feder des Hobby-Konstrukteurs diese 5,50 m Kielschwertjolle, die ständig weiterentwickelt , sich in den 30er Jahren großer Beliebtheit erfreute und große Flotten davon auf der Weser an den Wochenenden und auf Regatten anzutreffen waren. Viele dieser Jollen sind durch die Kriegseinwirkungen verloren gegangen und nur wenige wurden in den 50er Jahren nach den Plänen von Ferdinand Grünhagen nachgebaut. Das 2017 erworbene Boot soll nach Fertigstellung den traditionellen Namen „Stint“ erhalten. „Stint“ und „Forelle“ sind Traditionsnamen des Vereins und zieren seit vielen Jahrzehnten die Jugendboote des Segelverein Weser.
Gebaut wurde diese Jolle 1952 im Eigenbau von Herrn Schlüsselburg, der früher Mitarbeiter einer Werft in Bremen Hastedt war, und der gab dem Boot den Namen „Fiddel“. Die Jahre vergingen, neue Eigner wie Herr Hugo Lehfeld und Herr Gerd Wolf segelten das Boot weiterhin in Hastedt /Hemelingen im dortigen WVH. Auch folgten dann einige Jahre, in denen das Boot nicht benutzt wurde. Jedoch fand sich im Schwiegersohn des Erbauers, Herr Hans Bach aus Hemelingen, wieder ein neuer Eigner, welcher die mittlerweile stark mitgenommene Weserjolle in der Kreis der ursprünglichen Familie zurückholte.
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Die Jolle hatte unter der langen Landliegezeit stark gelitten und wurde von dem letzten Eigentümer nach Übernahme zweimal überholt, teilweise ausgeleistet und mit Epoxy und Glasseidengewebe abgedichtet. Aber die kritischen Stellen im Unterwasserschiff und am Schwertkasten machten weiterhin sorgen.
Da der SVW ja schon einmal Erfahrung mit der Restaurierung eines solchen Bootes gemacht hatte , traute er sich den Erhalt dieses hölzernen Zeitzeugen zu und wollte möglichst viel in Eigenarbeit dazu beitragen. Nach dem das Boot von den Einbauten und Beschlägen befreit war, ging man teilweise daran, das Unterwasserschiff und die Außenhaut von der Epoxibeschichtung zu befreien. Dabei stellte sich heraus, das doch mehr erneuert werden musste, als ursprünglich zu erkennen war.
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Das Totholz des Kiels war nicht mehr zu retten und der Eisenballastteil so wie das Schwert sind stark verrostet und pockennarbig. Nach Abnahme des Schwertkastenoberteiles und der Entfernung einiger Kielbolzen musste man feststellen, dass der Innenteil dick mit Teer konserviert war. Da auch nach Entfernung der Außenbeschichtung durch die lange Lagerung einige Plankennähte aufgegangen waren und sich Risse in der Außenhaut zeigten, entschloss sich die Vereinsführung zur gründlichen Überholung und Wiederherstellung in einen dauerhaften schwimmfähigen Zustand. Das Boot sollte einer Fachwerft übergeben werden.
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Dieses Anliegen war aber gar nicht so einfach zu realisieren, denn in der Umgebung von Bremen waren in den Jahren nach dem Krieg viele der kleinen Bootswerften geschlossen worden und damit der Umgang im traditionellen Holzbau verloren gegangen. Man orientierte sich in GFK. Die wenigen Betriebe die das klassische Handwerk noch beherrschten, waren für längere Zeit ausgelastet oder zeigten kein Interesse an der Restaurierung einer fast 70jährigen Jolle.
Durch Vermittlung eines Weserjollen-Eigners vom Steinhuder Meer wurden Verhandlung mit der Werft Bopp und Dietrich in Steinhude geführt. Diese Werft ist bekannt nicht nur für formverleimte Neubauten und Winterlager, sondern hat auch langjährige Erfahrung in der Restaurierung und Reparatur von traditionellen, klassischen Holzbooten. Grundsätzlich ist die Werft an dem Erhalt dieses Kulturgutes interessiert. Der Aufwand wurde jedoch als erheblich eingestuft.
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Nun begann das gleiche Spiel wie vor 20 Jahren mit dem Schwesterboot „Forelle“. Woher das Geld nehmen. Mittlerweile war der EURO unser aller Zahlungsmittel und damit hatten sich auch die Stundenlöhne weiter entwickelt. Denn das notwendige Material war kalkulierbar nicht aber die anfallenden Stunden der Bootsbauer. Um die Vereinskasse nicht zu überfordern, wurde wieder eine Spendenaktion ins Leben gerufen und dazu ein Flyer „Mach mit – rettet den Stint“ in den Umlauf gebracht. Werbung für eine Spende durch Vereinsmitglieder fand auch während des traditionellen Heringsessens am 6. Dezember 2019 im Klubhaus am Osterdeich in Bremen statt.
Mittlerweile hatte man sich mit der Werft Bopp & Dietrich in Steinhude über die Modalitäten geeinigt, so dass sich wieder eine ereignisreiche Zeit für den SVW und die Initiatoren abzeichnete. Ereignisreich = Überraschungsreich!
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Dann war es so weit, die Werft holte am 7. März 2020 die Weserjolle im SVW ab und die Reparaturen konnten beginnen. Der folgende Bericht ist eine Zusammenfassung der verschiedenen Arbeitsgänge, wobei die unterschiedlichen Ausführungen durch Meister, Geselle und Auszubildende erbracht wurden.
Nach gründlicher Bestandsaufnahme erfolgte als Erstes die totale aufwendige Entfernung der alten Versiegelung und Lackierung der Außenhaut und des Unterwasserschiffes mit Exenter-Schleifmaschinen. Da ja auch Kiel und Schwertkastenunterteil marode waren, wurden hier die Bolzen gezogen und die Teile als Muster zur Seite gestellt. Die Kielbolzen können weiter verwendet werden, das Holz allerdings war nicht mehr zu gebrauchen. Als sich der Eisenballast löste, quoll dicker Teer aus den Hohlräumen. Es stellte sich dabei heraus, dass dieses Teil nicht wie üblich aus Gusseisen gefertigt, sondern geschweißt war. Das Oberteil des Schwertkastens schien wiederverwendbar und dieses wollte die Werft am Ende wieder aufsetzen. Um den jetzt frei liegenden Schwertschlitz an der Kielplanke zu stabilisieren, wurden innen Klaspen quer zwischen den Bodenwrangen befestigt. Der Schlitz wurde dann sauber ausgefräst und durch eingeleimte Leisten aus Eiche auf Sollbreite gebracht.
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Das Schwert und der Eisenballast wurden bei einer Zulieferfirma gereinigt, gesandstrahlt und konserviert. Dabei musste der Ballastteil noch wegen der Teerkonterminierung einer besonderen Behandlung unterzogen werden. Im hinteren Bereich des Unterwasserschiffs war eine größere Delle, diese entstand wohl durch früher unsachgemäße Lagerung des Bootes. Diese Stelle wurde durch ein aufgeleimtes Furnierholz etwas ausgeglichen. Auch an einigen Stellen der Außenhautbeplankung mussten diese ausgearbeitet und Passstücke aus Mahagoni eingesetzt werden. Wie schon mehrfach wurde auch jetzt wieder geschliffen und geschliffen.
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Inzwischen waren Schwert und Ballastteil zurück, und so konnte nun nach altem Muster mit dem Verleimen des Totholzes begonnen werden. Im Ballastteil wurden innen die Leerräume mit Hartholz gefüllt und mit Epoxy ausgegossen, außenherum mehrfach gespachtelt. Die vorbereiteten Planken für den unteren Schwerkasten und vom Totholz wurden von innen mit Graphit angedicktem Epoxy versiegelt. Also alles Materialien die früheren Bootsbauern nicht zur Verfügung standen!
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Bevor der Außenrumpf jetzt lackiert werden sollte, wurden die Plankennähte noch einmal genau unter die Lupe genommen, die kritischen Stellen ausgefräst und etliche Meter Mahagonileisten eingeleimt. Wieder hieß es schleifen, schleifen und wieder schleifen. Drei Mal wurde anschließend der Bootsrumpf von außen mit Epoxy versiegelt und 2 x mit 2K Lack gespritzt.
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Um später Probleme zu vermeiden, wurden Kiel, Totholz und der untere Teil des Schwertkastens zusammengesetzt und entsprechend der Löcher im Ballastteil gebohrt. So brauchte man später die Teile nur noch einbauen und verschrauben. Jetzt wurde noch das Totholzteil auf der Kielplanke befestigt und das Boot konnte umgedreht und so für die Innensanierung und Einbauten leichter bearbeitet werden. Die Bodenwrangen wurden dann noch abgeputzt, teilweise verstärkt und ausgeglichen, so dass die Bodenbretter plan aufliegen können. Zuletzt musste noch die neue Abdeckbohle zusammen mit dem Schwertkasten-Oberteil aufgesetzt werden.
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Für die Sanierung und Restaurierung war eine Höchstgrenze der Kosten vereinbart. Daher konnte nur der mittlere Innenbereich rund um den Schwertkasten noch bearbeitet werden, so dass noch Restarbeiten durch Mitglieder des Vereins erbracht werden müssen. Dazu zählt u.a. Lackierungen an Deck und anbringen der Beschläge. Die Rundhölzer und Bodenbretter stehen schon bearbeitet und lackiert in der Halle.
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Kurz vor der Ablieferung des Bootes gab es noch einen letzten Lackanstrich der Außenhaut und diese glänzt jetzt mit der Goldkehle um die Wette. Wasserpass und Unterwasseranstrich haben die Arbeiten in der Werft zum Abschluss gebracht. Auch wenn die Restaurierung nicht in allen Teilen dem klassischen Bootsbau entspricht, hat man hier doch ein historisches Erbe wieder zum Leben erweckt und die Grundlage geschaffen für viele schöne sportliche Erlebnisse unter Segeln.
Die Rückführung der Grünhagen Weserjolle in die Hände des Segel Verein Weser erfolgte am 18. Mai 2020
Die Geschäftsführung des SVW dankt ganz besonders den Spendern und der Werft Bopp und Dietrich, Steinhude für das Engagement und die erbrachten Leistungen.
Bernd Metz