REGATTA

Schwerin: Holzbootregatta 2010

Eine Woche Schweriner See “all inclusive”
oder: Aus dem Tagebuch eines Plättenseglers vom Chiemsee
Sonntag, 29.08.
Da hat doch neulich in Hamburg bei der Regatta auf der Außenalster der Typ mit der Schweriner Jolle - dem ich bei der letzten Wettfahrt so frech und nicht ganz fair vor den Bug gesegelt bin - gesagt, ich könnte mich ruhig mal in Schwerin mit meiner Chiemseeplätte blicken lassen. Ja mei, warum eigentlich ned?

Montag, 30.08.
Ich kenn mich doch! Warum erst so ungefähr am Donnerstag losfahren? Zeit habe ich, die Gegend da oben kenne ich noch nicht, habe aber nur Gutes gehört, also: Plätte reisefertig machen, Schlafsack, Zahnbürste etc. packen und los geht‘s. Starte um 8.30 am Chiemsee und bin ohne Stress um ca. 19.00 in Schwerin. Rufe kurz vor Schwerin Detlef Huss, den oben genannten Typen, an und lass mir den Weg zum Club-Gelände erklären. Es weht ein frischer Winderl, die Sonne scheint, ich finde ein schönes Plätzchen (um ehrlich zu sein - das schönste Plätzchen), richte mir das Abendessen, 2-3 Bierchen nach der langen Fahrt, genieße die tip-top sauberen Sanitäranlagen und falle in meinen Schlafsack.

Dienstag, 31.08.
Dieser Sommer ist kein Sommer, die Nacht (und die nächsten 5 Nächte) war hübsch frisch. Aber ich alter verkappter Tramper wollte es ja so haben. Gaskocher raus, Kaffee machen, zum Auto rausschauen und in der Morgensonne auf Marstall und Schloss blicken!
So, jetzt aber erst mal die Stadt anschauen, vorbei am Marstall, Richtung Schloss, nein - reingehen tu ich nicht, aber gegenüber in die Ausstellung „Holländische Genre-Malerei“, da geh ich rein!, und es hat sich gelohnt. Derweil ist es schon gegen Mittag und ich will ja langsam mal den See kennenlernen. Also zurück ans Wasser, die Plätte vom Trailer geschoben, Klamotten gewechselt und gesegelt. Also einen Wind habt‘s an besseren als wir daheim, das muss man Euch schon lassen!

Mittwoch, 01.09.
Vormittags: Stadt kennenlernen, eine Pflichtrunde Fußgängerzone/Einkaufsmeile (wie alle Städte), aber dann: Altstadt, aha - jetzt spüre ich langsam etwas von dieser Stadt, schmale Straßen, Fachwerkhäuser, renoviert, verfallen, stille Ecken, eine Weinhandlung mit wunderschönen Fensterscheiben, das buckelige Kopfsteinpflaster (gibt‘s bei uns so schön buckelig gar nicht mehr) und dann: DER Tabakladen, gelbe Hausfront, max 4m breit, blaue Mohrenköpfe auf dem Verputz, da muss man rein! Und einen Kaffee kann man da auch noch trinken, ja besser geht‘s ja gar nicht. Ich mach‘s kurz: die nächsten drei Tage habe ich hier meinen Kaffee getrunken und mich mit dem Ladenbesitzer wunderbar über Schwerin „davor und danach“ unterhalten, habe viel über die Stadt und die Leute gehört und gelernt.
Na ja, da war ja noch der Nachmittag. Raus auf den See, strammer 4er Wind, Detlef Huss ließ seine Schweriner Jolle flitzen und ich keuchte hinterher. Nur platt vorm Wind, da hat er mir „den Schneid“ nicht abgekauft.

Donnerstag, 02.09.
Vormittags wieder in der Altstadt. Wenn ich vor Geld nicht wüsste wohin, dann würde ich mir ein ganz bestimmtes Eckhaus kaufen und herrichten. Es liegt (meine Güte, es gibt Schlimmeres) direkt neben schon erwähnter Weinhandlung. Beim Kaffee im Tabakladen träume ich noch ein bisschen von diesem Haus, danach habe ich das Glück, mir die Synagoge ansehen zu dürfen, und dann ist‘s auch schon wieder Zeit zu segeln. Nachmittags probiert Detlef meine Chiemseeplätte aus, da merkt man schon, dass er ein alter Fuchs ist. Am Abend darf ich in seiner Schweriner Jolle die Do-Abend-Regatta mitfahren. Von wegen: Gemütlich Feierabend-Relaxing-Vereins-Segeln. Kaum fällt der Startschuss, werden die Küchenmesser gewetzt, genau wie bei uns dahoam. Es ist also doch, zumindest bei den Seglern, „zusammengewachsen, was zusammen gehört.“ Tja, Helmut, als Du das sagtest, hast du bestimmt nicht an die Schweriner & Chiemseer Segler gedacht.

Freitag, 03.09.
Heute Sonne, Sonne, Sonne und angenehme Temperaturen. Natürlich erst mal wieder Altstadt und Kaffee im Tabakladen. Aber dann rauf auf‘s Wasser. Gemütlicher Wind, nur zwei Pullover, tatsächlich, wir haben Spätsommer, und dann habe ich mal ganz gemütlich den südlichen Schweriner See abgeklappert - vom Vereinsgelände raumschots nach Zippendorf, da hab ich bei dem Vormittags-Sonnenlicht gedacht, ich bin in der Südsee, Sandstrand, Beachball-Gelände, schöne Villen, dann weiter in die Muesser Bucht, still, ruhig, verträumt, eine riesengroße Villa, die gerade aufwendig renoviert wird, danach in die südlichste Bucht zum Campingplatz mit dem schönen Namen „Süduferperle“. Dort in einer göttlich gemütlich-schrulligen Kaffeebude (die Pächterin möge mir verzeihen) einen wunderbaren, extra für mich frisch aufgebrühten Kaffee geschlabbert. Ja mei, dann bin ich gemütlich heimgesegelt, auf dem Vereinsgelände war jetzt schon richtig was los. Boote, Trailer, Wohnwagen, Segler, die ich in Hamburg kennenlernte, richtige „Fahrerlager-Stimmung“. Aufgefallen ist mir besonders der wohlbeleibte Herr, der freundlich, umsichtig und bestimmt unermüdlich ein Boot nach dem anderen gekrant hat, und dasselbe am Sonntag-Nachmittag noch mal, immer nett, freundlich, Boot für Boot, mei Liaba, da können wir Bayern uns eine Scheibe abschneiden!

Samstag, 04.09.
Erster Regattatag - und was prasselt um 6.00 morgens auf mein Autodach??? Ein Platzregen, der es in sich hat, dabei hat der Wetterbericht sonnig (na ja, mit ein paar klitzekleinen Wölkchen) gemeldet. Und er hatte recht! Kurz und gut: Sonne, Wolken, ein frischer Wind, drei Wettfahrten (und wieder einmal: Wir sehen das nicht so verbissen, es ist ja nur eine „Genuss-Regatta“). Ja von wegen, Eure Kommentare an den diversen Tonnen sind genauso „sakrisch grob“ wie bei uns dahoam. Aber schön war‘s, eine Gaudi war‘s und erst der Abend. Zuerst einmal ein Pfunds-Essen, war auch gut so, wir alle hatten einen grimmigen Kohldampf, und dann der gemütliche Abend, wie stand das so schön in Eurem Programm?: „Für Kurzweile wird gesorgt.“ Ja, da legst di nieder, der Tanzabend war doch richtig heiß, oder? Mit so groß gewachsenen Frauen, wie es sie bei Euch daheim gibt, hab ich selten getanzt. Was man auf seine alten Tage nicht alles erlebt...

Sonntag, 05.09.
Sonne, angenehmer Wind, wunderschöner Regattakurs, Seglerherz, was willst du mehr?
Das war der Kurs und der Wind für mein „Schifferl“. Und dieses Licht, dieses Hinsegeln auf Zippendorf (ich liebe diese Ecke) und dann Richtung Kaninchenwerder, anschließend raumschots Richtung Schweriner Schloss, da hat meine Chiemseeplätte eine Mord‘s Gaudi gehabt, da is mei Schifferl gelaufen, wie es schöner nicht mehr geht! Entschuldigt‘s bitt schön, aber da geht mir einfach das Herz auf!
Am Nachmittag gab‘s dann eine (was man selten hat) angenehm moderierte Siegerehrung und einen aufrichtigen Nachruf auf ein Vereinsmitglied, der wegen seiner bescheidenen, emotionalen Ehrlichkeit an mir als „Außenstehenden“ nicht spurlos vorüberging.

Summa summarum: Es war eine schöne Woche! Ich habe eine Gegend meines Vaterlandes kennengelernt, die ich noch nicht kannte. Wenn‘s genehm ist, dann komme ich wieder. Und vergesst nicht: wo eine Chiemseeplätte ist, da sind auch ein paar gute Fläschchen bayrischen Bieres für alle fleißigen Regattahelfer.
Manfred Götz



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