PFLEGE & RESTAURIERUNG

Fünf Jahre voller Überrraschungen

Über die Restaurierung der „FREYA“ berichten Dr. U. S. und B. C.

Etwas manuell herzustellen, hat mich schon immer begeistert, besonders wenn es sich dabei um Holz als Material handelt. Das hat dazu geführt, dass ich in den vergangenen Jahren ein Kanu gebaut habe, darauf folgte ein Dhingy. Ein weiteres Projekt war Mitte der 90er Jahre die Restaurierung des Drachens „Röde Orm“, der heute auf dem Bodensee gesegelt wird. In den letzten Jahren hat es mich dann wieder „gejuckt“ und ich hielt nach einem geeigneten Objekt für eine umfangreiche Restaurierung Ausschau.

Schiffsdaten:
22er Schärenkreuzer
Baujahr 1927
Konstrukteur: H. Heidtmann,
Hamburg
Bauwerft: H. Heidtmann, HH
Länge: 9,66 m
Breite: 1,84 m
Gewicht: 1,3 t
Tiefgang: 1,1 m
Segelfläche: 22 qm
Rumpf: Mahagoni auf Eiche
Deck: Oregon Pine
Mast: Spruce

Wie dann Alles begann
März 2008: Wieder einmal war ich bei A.W. Niemeyer, dem Yachtausrüster in Hamburg - meine Frau bezeichnet diese Besuche immer als „Schäkelstreicheln“, ich wartete auf meinen Speicherchip mit den Karten für meinen nächsten Segeltörn. Es dauert etwas länger, also warf ich einen Blick auf die Anschlagtafel direkt neben der Information. Ein Aushang, der mir ins Auge fiel, beschrieb einen 22er Schärenkreuzer, Baujahr 1927 - ein Schärenkreuzer! Danach suchte ich eigentlich schon lange. Inwischen hatte ich gelernt, dass die gut erhaltenen Schärenkreuzer nicht verkauft, sondern vererbt oder weitergegeben werden. Die wenigen Anbieter, die ich bisher kontaktiert habe, hatten entweder unrealistische Preisvorstellungen oder die angebotenen Schiffe waren in einem mehr oder weniger erbärmlichen Zustand. Die Beschreibung im Aushang klang aber gut, also den Anbieter angerufen, der die Freya unrestauriert weiterverkaufen wollte. Zustand und Preis waren o.k., also warum nicht, meine Frau zog zwar die Augenbrauen hoch, stimmte aber letztlich zu. Nach 24 Stunden Bedenkzeit und kurzer Verhandlung waren wir mit dem Vorbesitzer handelseinig, im Mai stand mein „neues“ Schiff in meiner Halle.

Die Schiffsgeschichte
1927 - Freya (so der heutige Schiffsname) wurde 1927 auf der Werft H. Heidtmann, Hamburg, als Johanna XVI mit der Segelnummer Y19 gebaut. Die Yacht- und Motorbootwerft H. Heidtmann in Hamburg wurde am 15. Juli 1855 von Heinrich Ludwig Heidtmann in Hamburg-Uhlenhorst gegründet, sie baute anfangs kleinere Gebrauchsfahrzeuge und Ruderboote, ab 1876 wurden auch Segel- und Motoryachten entwickelt und gebaut. Während des ersten Weltkriegs wurde der Yachtbau unterbrochen, ab 1925 aber wieder aufgenommen. Berühmt wurde die Heidtmann-Werft durch den Bau der Motoryacht Carin II für den „Reichsfeldmarschall“ Göring.

1928 - Mit Eintragsdatum 1928 wird ein 22er Schärenkreuzer unter dem Namen Lohengrin und der Segelnummer 22 G 19 (früher Y19) mit Bauwerft Heidtmann im Yachtsportregister des Freundeskreises Klassische Yachten (FKY) geführt, der Name des Besitzers wird als unbekannt angegeben. 1952 - Die nächste Eintragung findet sich unter dem Datum 10.11.

1952 im DSV-Register, jetzt unter dem Namen Freya, der Segelnummer „22 G 19“ und als Eigner der Bayerische Yachtclub Überlingen (BYCÜ), der Freya von 1952 bis 1964 (?) als Schulschiff auf den Bodensee einsetzte.

Es ist sicher, dass dieses Schiff die Freya ist, die ich jetzt besitze, denn der heutige Präsident des BYCÜ konnte sich, als ich ihn anrief, an das Schiff sogar noch erinnern, den Zusammenhang belegen auch die noch vorhandenen Schiffspapiere. Dann findet sich dann eine Konstruktionszeichnung mit Datum 30. Januar 1952 eines Herrn A. Pyzsa aus Meersburg am Bodensee (Herr Pyzska war Konstrukteur bei A&R), der zufolge Freya eine neue Segelgarderobe und einen Marconi-Mast erhielt. Leider ist nicht überliefert, welches Rigg sie als Johanna XVI fuhr.


Freya bei einer Regatta auf dem Bodensee in den 60ern

1964 - Die nächsten Besitzer waren die Eignergemeinschaft Leonards, Vögtle, Wössner und Zoller, alle von der Insel Reichenau am Bodensee, die Freya 1964 vom BYCÜ übernahmen und sie gemeinsam bis zum Jahre 2007, mithin insgesamt mehr als 40 Jahre lang segelten. Die Eignergemeinschaft überzog den Rumpf und das Deck von Freya im Jahre 1964 mit einer Polyesterschicht, damals noch eine echte Innovation, die damals nur aufgrund guter Kontakte mit der deutschen chemischen Industrie zustande kam.

1977 - Im Jahre 1977 war Freya 50 Jahre alt. Die Eignergemeinschaft feierte diesen Jahrestag, Freya wurde standesgemäß über die Toppen geflaggt. 2007 - Altersbedingt - alle vier Eigner waren nun schon in den 80ern, aber immer noch aktive Segler - gaben die Eigner das Schiff 2007 an einen Rechtsanwalt aus dem Ruhrgebiet ab, der die eigentlich geplante Restaurierung aber nicht in Angriff nahm. 2008 - Im April 2008 wurde ich Besitzer von Freya, im Mai 2008 war sie in meiner Halle angekommen. Nach mehr als 80 Jahren kehrt Freya damit in die Nähe ihrer Bauwerft (Hamburg liegt etwa 40 km entfernt) zurück.

Die Bestandsaufnahme
Zunächst wurde das Deckslayout von Freya vermessen, dann Bestandsaufnahme gemacht. Andreas Krause von der Werft Krause & Wucherpfennig in Kiel nahm das Boot zusammen mit mir kritisch unter die Lupe. Unter anderem wurde ein Probestreifen des Laminats entfernt, um den Zustand der Planken, des Totholzes und des Bleiballasts beurteilen zu können. Das Ergebnis: die Planken aus Mahagoni sind möglicherweise zu retten, das Totholz aus Eiche und einige Planken unten am Rumpf sind jedoch so verrottet, dass sie wohl ausgetauscht werden müssen. Schlimmer sieht es aber im Innern aus: Die Mehrzahl der Bodenwrangen und auch alle Spanten müssen wohl ausgetauscht werden. Auch das Deck und die Kajüte sind nicht zu retten, vorher muss aber der Kunststoff runter. Andreas erstellte eine erste grobe Kalkulation für eine Restaurierung. Das Ergebnis: Die zu erwartenden Restaurierungskosten und die Restaurierungsdauer werden beide enorm sein, wahrscheinlich kommen Kosten zusammen, die denen eines Neubaus entsprechen oder sogar übertreffen. Eigentlich bleiben nur ein wesentlicher Teil des Rumpfes sowie die meisten alten Beschläge erhalten. Es handelt sich also eher um eine Rekonstruktion in den alten Rumpf hinein als um eine klassische Restaurierung. Andreas war ehrlich: eigentlich lohnt sich die Restaurierung nicht wirklich. Diesmal war die Bedenkzeit etwas länger, aber dann stand fest: Freya soll überleben. Wir nehmen das Restaurierungsprojekt in Angriff, auch wenn es Jahre dauern sollte.

Die Gründe:
- die Yacht hat eine gut dokumentierte Geschichte
- die Heidtmann-Werft ist eine der namhaften Werften für Klassiker
- die Rumpfform ist wunderschön
- mit Freya bietet sich die Möglichkeit, nacheinander alle wichtigen Schritte eines Restaurierungsprojektes kennenzulernen
- ich bin verrückt (sagt meine Frau)
Also sprach alles dafür, aber trotzdem gut, dass man am Anfang eines solchen Projekts noch nicht weiß, was so alles passieren kann . . .

Die einzelnen Schritte der Restaurierung

In der Werft
Es war aber auch klar geworden, dass ich nicht alle Arbeiten, insbesondere die strukturkritischen Arbeiten (Abschälen des Kunststoffs, Austausch der Kielsektion etc.) mit meinen begrenzten Möglichkeiten selbst durchführen konnte, also wurde die Werft mit diesen Arbeiten beauftragt. Wir einigten uns also darauf, dass K&W die Kajüte ausbaut, alle Beschläge entfernt, das Deck abbaut, das Laminat abschält, den Kiel-, den Bug- und den Heckbalken ersetzt, die Bodenwrangen und die Spanten austauscht und die verrotteten Planken unten und oben am Rumpf ersetzt. Danach wollte ich dann in Brokstedt allein weitermachen. Im März 2009 wurde das Schiff nach Kiel in die Werft transportiert, es erfolgte die Demontage von Deck und Kajüte. Dann wurden mit einer extra dafür beschafften Fräse ca. 200 kg Laminat vom Rumpf abgeschält, einige der Bodenwrangen wurden ersetzt, der Heck- und der Bugbalken ausgetauscht. Im Herbst 2009 stellte die Werft ihren Betrieb in Kiel ein, Andreas wechselte von seiner bisherigen Rolle als Werftchef in die eines Projektmanagers für Restaurierungsprojekte. Was tun? Also kam „Freya“ vorzeitig nach Brokstedt zurück. Ich meldete daraufhin kurzentschlossen das Gewerbe für meine „Miniwerft“ Red Snake Boats in Brokstedt an, Andreas übernahm die Rolle als Projektberater. Der bisherige Projektleiter für die Restaurierung von „Freya“, Paul Großkurth, entschloss sich, zu meiner kleinen Restaurierungswerft als Angestellter zu wechseln, zusätzlich stellten wir einen gelernten Tischler, Rollo Burzlaff, ein. Andreas half dann leihweise noch mit einigen Großmaschinen aus. Alle weiteren Arbeiten wurden also ab Anfang 2010 in Brokstedt ausgeführt.

Die Kajüte
Glücklicherweise waren alle abgebauten Teile von Freya in der Werft gesammelt worden. Damit hatten wir die notwendigen Muster für die wichtigsten Restaurierungsschritte zur Verfügung. Da sich die Arbeiten zur Restaurierung des Rumpfes von Freya noch etwas hinziehen würden, baute ich eigenhändig die Kajüte im Maßstab 1:1 nach. Mit einem Lattengerüst wurde das arg weiche und verzogene Kajütwrack zunächst in Form gebracht. Gleichzeitig dienten die Latten als Markierungen für die Vermessung. Auf einer stabilen Plattform aus Mehrschichtholz wurde dann die Kajüte Bauteil für Bauteil nachgebaut, das Original immer im Blick, um die Maße des Originals abzunehmen.

Auf der Montageplatte wurden die abgenommenen Maße aufgerissen, zunächst wurden die Seitenplanken gesetzt. Dann wurden alle Decksbalken, die später das Kajütdach tragen sollten, einzeln vermessen und mit einem steifen Draht wurden Biegung und Länge der noch vorhandenen Decksbalken vom Original abgenommen, auf ein Messblatt übertragen, manuell mit einem Kurvenlineal begradigt und von dort auf die neuen Decksbalken übertragen. Die Decksbalken wurden auf die Seitenplanken montiert, das neue Dach wurde mithilfe von Leisten aufgebaut. Paul war grundsätzlich zufrieden mit meinem Werk einverstanden, er hat dann aber doch den Hobel in die Hand genommen und Dellen und Beulen beigehobelt. Es wurde beschlossen, das Dach zur Verbesserung der Stabilität mit einer Schicht weiß lackierter Glasfaser zu beziehen, anstatt wie im Original mit lackiertem Leinen.

Der Bleiballast
Der vorhandene Bleiballast (0,7 Tonnen) wehrte sich mit aller Macht, bevor er sich endlich ziehen ließ. Nach Reinigen und grobem Schleifen zeigten sich massive Probleme, im Bereich fast aller Bohrungen für die Kielbolzen waren Risse im Blei, Spitze und Hinterkante des Ballasts waren zudem abgebrochen. Eine Reparatur der Risse des Ballasts war nicht möglich, ihn ohne Reparatur einfach so neu zu montieren, war mir aber zu gefährlich. Schließlich fand ich eine Gießerei im Ruhrgebiet - der Werkstattleiter, dem ich mein Problem schilderte, war nur wenig beeindruckt: „Bring ihn vorbei, ich drück ihn dann in den Sand“ war sein knapper Kommentar. Großes Rätselraten: Was meint der nur? Die Langfassung dieser knappen Mitteilung bedeutete: Wir sollten die abgefallenen Teile provisorisch zusammenkleben, den Ballast grob schleifen, er würde ihn dann kurzerhand maßstabsgetreu nachgießen. Gesagt getan, nach kurzer Zeit war der exakt formgleiche Ballast zurück, auf der Rechnung der Gießerei wurde sogar das Rohmaterial des alten Ballasts korrekt verrechnet. Der neue Ballast enthielt auch schon die Löcher für die bronzenen Kielbolzen, die schon bereitlagen. Alles fertig zu Neumontage, bis auf die hölzerne Kielsektion.

Der Kielbalken
Für die Kielsektion besorgten wir gut abgelagerte Eiche, möglichst nahe an der geplanten zukünftigen Form. Dann wurde die alte Kielsektion „herausoperiert“ (es geht nichts über eine solide Tigersäge, die sich notfalls auch durch Schrauben und Nägel beisst). Paul machte sich dann ans Werk. Bandsäge, Stecheisen und Feinschliff ergaben eine neue Kielsektion. Auch einige der Bodenwrangen waren nicht mehr zu gebrauchen. Die Form der alten Wrangen wurden einzeln mit Pappschablonen abgenommen. Endloses Sägen und Hobeln, dann sah die Wrangenfraktion wieder wie neu aus.

Der Rumpf und die Spanten
Die meisten Spanten waren gebrochen oder schlicht weggerottet, die Vorbesitzer hatten schon zahlreiche Spanten gedoppelt. Das alles sah nicht schön aus, daher die fatale aber sachkundige Entscheidung: Alle Spanten werden ersetzt und traditionell vernietet. Eiche war das Material der Wahl, zwei Stärken an Leisten wurden gesägt und gehobelt. Die meisten schmal, an den Stellen, an denen später das Rigg angreift, etwas breiter. Da die Planken im Laufe der Jahre doch schon ziemlich geschrumpft waren, wurden zunächst die Plankenstöße ausgeleistet. Mit der Fräse wurde ein 5 mm breiter Spalt gefräst und danach eine ebenfalls 5 mm dicke Leiste eingeklebt. Dann wurden die Nieten freigelegt, von innen nach außen herausgeschlagen und die alten Spanten eine nach der anderen entfernt. Um die Form zu sichern, wurde dabei sektorenweise gearbeitet, zunächst wurde jedes dritte Spant stehen gelassen, die beiden dazwischen wurden ersetzt, im zweiten Durchgang dann die restlichen Spanten. Vor der Montage mussten die Leisten gekocht werden, damit sie sich formen lassen. Ein Kocher wurde kunstvoll unter einem Bierfass montiert, das Wasser im Fass wurde zum Kochen gebracht, der Dampf über eine Schlauchverbindung in ein Kunststoffrohr geleitet, in denen die Leisten jeweils für etwa eine Stunde „weichgekocht“ wurden. Dann musste alles schnell gehen, man hat etwa 5 Minuten nach Entnahme aus dem Kochrohr bis zur endgültigen Montage, danach sind die Leisten wieder steif.

Da in dieser kurzen Zeit die Spanten nicht genietet werden konnten, wurden sie zunächst durch die alten Nietlöcher hindurch mit Schrauben fixiert. Und das alles etwa 100mal, so viele Spanten braucht eine 22er halt. Bei Topplicht aus Hamburg wurden die passenden Kupfernieten beschafft, so begann dann das fröhliche Nieten, das Ganze in einem Arbeitsgang mit sechs Schritten. Man mag es kaum glauben: circa 4.500 Nieten halten nun Rumpf und Spanten zusammen. Da war dann das Ersetzen der verfaulten Planken schon eine vergleichsweise eine Erholung. Danach wurde das gesamte Schiff kunstvoll in die Waagerechte gebracht, ein Laser-Nivellierer sorgte für die gewünschte Ebene für das Schiffsdeck. Eine Tigersäge näherte dann schrittweise Wunsch und Wirklichkeit einander an. Freya hatte schon immer einen weiß gestrichen Rumpf. Das war von Vorteil, denn der Rumpf sollte nicht wieder unter einem Totenkleid aus GfK verschwinden, andererseits sah der Rumpf leider nicht mehr so gut aus, dass er einfach mit Klarlack hätte gestrichen werden können. Also wurde der Rumpf gespachtelt, geschliffen, gespachtelt, geschliffen … Das Grobe wurde nach jedem Spachtelgang mit einem langen Hobel, das Feine mit einem Schleifbrett von mehr als einem Meter Länge bearbeitet, damit alles sauber strakte. Schließlich wurden auf den Rumpf mehrere Schichten Grundierung (Expoxidharz mit Spachtelfüller) aufgetragen, dann wurde wieder geschliffen und schließlich wurden mehrere Schichten Epoxidfarbe aufgetragen. Fertig zum Endanstrich, allerdings fehlte für den Wasserpass noch die Wasserlinie.

Das Deck
Die Balkweger und die Decksbalken wurden montiert, dann wurde das neue Deck verlegt, Oregon-Leisten mit eingefrästen Nuten, Fisch und Butt nach alter Tradition am Mittelholm aus Mahagoni. Jede Leiste wurde vorab an der Unterseite mehrfach lackiert, die Nuten wurden vergossen und geschliffen, fertig war der Rohbau des Decks. Das Deck erhielt dann noch mehrere Schichten Epifanes, darüber 4 Schichten Einkomponenten-Bootslack.

Der Mast - vom Viereck zum runden Peitschenmast
Der vorhandene Marconi-Mast von Freya hätte zwar sicherlich noch einige Jahre überstanden. Er hatte aber keine Peitschenform und wurde erst 1952 gebaut, war also nicht original. Was also tun, um die „richtige“ Mastform zu erhalten? Es fand sich ein Foto von der Kieler Woche 1925, das Bild zeigt ein Feld von 22er Schärenkreuzern in der Seitenansicht, die Mastformen der fünf Schären auf diesem Bild stimmten überein. Also wurde beschlossen, ein Rigg zu bauen, dessen Peitschenform der dieser Schiffe entspricht, das aber auch den heutigen Vorschriften der Schärenkreuzerklasse genügen sollte. So lernte ich dann Juliane Hempel, die Yachtdesignerin aus Radolfzell, kennen, die sich dieses Problems annahm. Entworfen wurde ein Hohlmast, bei dem die Fallen innen laufen, das Vorliek des Großsegels wird am Mast in einer Schiene mit Rutschern geführt, das Unterliek am Baum in einer eingefrästen Nut. Das Material der Wahl war Alaska-Spruce, Bezugsquelle war ein Lieferant aus den Niederlanden, der auch ein Sägewerk in Alaska betreibt. Der Rohbau des Masts besteht aus vier Leisten, von denen drei die volle Rohbaulänge von 12 Metern aufwiesen, um nicht unnötig oft schäften zu müssen. Für den Mastbau wurde eine Mastbank gebaut, absolut eben, mit einem Ausleger für die Peitschenform. Die Form laut Zeichnung wurde auf der Mastbank aufgerissen, in regelmäßigen Abständen wurden Stützen montiert, die die Mastkontur vorgaben. Vier Leisten wurden so zusammengeklebt, dass sich die spätere Form ergab. Im Hohlraum wurden Kunststoff-Rohre verlegt, um später die Fallen zu führen. Die Kontur ist fertig, aber das Ding ist erstmal viereckig. Was nun folgt, ist echte Bootsbaukunst: Das Profil wird erst achteckig, dann sechzehneckig und schließlich rund. Der Mast erhält dann noch zahlreiche Schichten Lack und ist schließlich fertig für die Montage der Beschläge, wie Salinge, Diamant, etc..

„Freya“ geht zu Wasser
Dann kam der große Tag des Projekts, Freya sollte nach mehr als 5 Jahren zurück in ihr Element. Uwe Baykowski, der Werftleiter des Kieler Yacht-Clubs, bot seine Hilfe an und hatte den dazu notwendigen Kran. Also wurde Freya auf den Hänger verladen und die 40 km nach Strande gefahren.
Der Hafenmeister in Strande hob Freya ganz vorsichtig vom Hänger und setzte ihn genauso vorsichtig im Hafenbecken ab.
Die erste Erkenntnis: Freya schwimmt gerade,
zweite Erkenntnis: Das Schiff zieht Wasser. Die Ursachenforschung ergab, dass das Wasser durch die undichte Wasserablass-Schraube eindringt, also kein wirkliches Problem. Mit dem Mastenkran in Strande wurde dann der Mast erstmals eingesetzt, der Segelmacher sorgte zunächst für eine provisorische Mastfixierung. Dann wurden die Terminals an den Wanten, am Vor- und Achterstag montiert und der Mast endgültig festgesetzt.
Dritte Erkenntnis: der Mast steht senkrecht. Alle Beteiligten waren sehr erleichtert, denn der Bleikiel war nicht ganz symmetrisch und wir hatten befürchtet, dass Freya nicht gerade im Wasser liegt. Paul ließ es sich nicht nehmen, trotz sehr niedriger Wassertemperaturen den Wasserpass exakt anzuzeichnen, indem er kurzerhand ins Hafenbecken sprang und die Schwimmlage markierte.

Was nun noch zu tun ist:
- Endanstrich des Rumpfes
- Malen des Wasserpasses
- Montage der Schotführung für die Vorsegel (Barberhauler, Klemmen)
- Großschotführung
- Montage diverser Kleinteile

In der Segelmacherei wird parallel dazu das Großsegel, die Fock, eine Genua und ein Spinnaker genäht. Anlässlich des Schärenkreuzertreffens „Schlank und Rank“ im Lemkenhafen auf Fehmarn im Juli soll Freya dann zum zweiten Mal getauft werden.

Ein Resümee
Die gesetzten Ziele haben wir alle erreicht, auch wenn es eine ganze Reihe von Stolpersteinen gegeben hat. Freya hat ihre alte Schönheit wiedergewonnen, das war mein Hauptziel. Auch der Wunsch, alle Phasen einer umfangreichen Restaurierung kennnenzulernen, ist voll in Erfüllung gegangen. Das Unerwartete: Wir gingen davon aus, dass die Arbeiten einige Jahre dauern würden, aber dass es dann fünf Jahre sein würden . . . Und nun sind wir alle darauf gespannt, wie sich das Segeln mit „Freya auf der Ostsee so anfühlt.


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