PFLEGE & RESTAURIERUNG

Restaurierung des 50qm Seefahrtkreuzers Pinta II

Die Vorgeschichte der Restaurierung:
Fred Bouters langer Weg zum eigenen „50er“

Wenn eine Brunhilde wirklich nicht will...

Windfall-Yachten haben eine gemeinsame Geschichte, was ihre Entstehung und die ersten Jahrzehnte vieler dieser ehemaligen Marine- und Luftwaffen-Trainingsyachten angeht. Gebaut, um Soldaten zu Mannschaftsgeist und Unterordnung zu erziehen, dienten viele von ihnen zunächst den deutschen, nach dem 2. Weltkrieg verschiedenen alliierten Streitkräften dem gleichen Zweck.
Ob in England, den Niederlanden oder Polen – sicher nicht immer zum Vergnügen der auszubildenden Besatzungsmitglieder wurden diese Schiffe wöchentlich um 500 Meilen durch's Wasser geprügelt, was ihre vorzügliche Konstruktion zwar zuließ, aber natürlich auch strapazierte.

So wurde auch die 1937 Brunhilde getaufte Windfall als Brynhild um 1970 von den Briten ausgemustert und an Privateigner verkauft. Bis 1988 wechselte sie die Namen und Eigner und segelte als Brynmere und schließlich Pinta II wieder unter deutscher Flagge, ehe sie von Fred Bouter gefunden wurde, um in den Niederlanden eine neue Heimat zu finden.

Bouter fand seine neue seglerische Herausforderung durch einen Geheimtipp in Wendtorf bei Kiel, wo sie als Pinta II an Land stand. Mehrere Reisen von Gouda nach Kiel, ein Probesegeln und erfolgreiche Verhandlungen später wurde sie übernommen, um schon auf ihrer Überführung klar zu machen, dass der ursprüngliche Name Brunhilde irgendwie doch charakterprägend gewesen war: Sie hatte offensichtlich ihren eigenen Willen. Und wie die Namensgeberin Brunhilde der Sage nach ihren frisch angetrauten Gatten kurzerhand im Schlafgemach an einen Nagel hängte, weil er „etwas wollte“, so gestaltete die ex-Brunhilde die Überführung auch sehr nach eigenen Vorstellungen.
Nach dem kurzen Weg von Wendtorf nach Kiel-Holtenau steckte sie über Nacht ihren Kiel so tief in den Grund der Ostsee, dass sie am nächsten Morgen nur unter Schwierigkeiten zu befreien war.
Der Motor offenbarte seine Altersschwäche sehr deutlich, so dass nur Rendsburg erreicht werden konnte, wo der Kocher das nächste Attentat wagte, indem er das Schiff kurzerhand in Brand zu setzen versuchte, was er mit seinem Ableben büßte. Fortan gab es nur noch kalte Kost.

Die Besatzung aus fünf äußerst unterschiedlich qualifizierten Mehr- und Wenigerseglern wurde dann nach Erreichen der Nordsee auf die nächste Probe gestellt, die nicht jeder unbeschadet überstehen sollte. Ein Tiefdruckgebiet sandte erst brauchbare, dann aber auf Sturmstärke zunehmende Winde, die Tide musste mit Ankerpausen ausmanövriert werden, und als schließlich nur noch Sturmfock und tief gerefftes Großsegel standen, verabschiedete sich letzteres mit einem lauten Knall auf der Höhe der Ostfriesischen Inseln. In dieser Phase der Reise zeigte schließlich einer der Mitreisenden beängstigende Symptome von Überforderung, Seekrankheit, Apathie und Autoagression, was zu der Entscheidung zwang, den ohnehin sehr knapp terminierten Überführungstörn zu unterbrechen. Beim Einlaufen in Wilhelmshaven drohte die Maschine ihr restliches Leben auszuhauchen, und glücklich erreichte man einen Liegeplatz.

Eine Woche später sollte mit teilweise neuer Mannschaft ein neuer Versuch gewagt werden, Brunhilde zu überzeugen, dass die Ostsee nicht das allein selig machende Revier sei, was sie kaltlächelnd mit einem kapitalen Maschinenschaden quittierte. Auch die Elektrik hatte sich entschlossen, die Seite zu wechseln und zu streiken. Ein findiger Mechaniker überredete die Maschine zwar, sich wieder drehen zu lassen, dafür ließ Brunhilde den Kraftstoff ungehindert in die Bilge rinnen, was angesichts von mehreren Rauchern an Bord kein schlechter Trick war – sie wollte eben einfach nicht auswandern.

Der Zeitplan war nicht das einzige, was durcheinander geriet, ein Auslaufen bei Nacht verbot sich bei auflaufendem Wasser von selbst. In einem Industriebetrieb im Hafen findet man zufällig - es ist Freitagabend – auf einer gerade abgehaltenen Betriebsfeier einen sehr hilfsbereiten, leicht alkoholisierten Firmenchef, der verspricht, gleich am nächsten Morgen jemanden zu organisieren, der eine neue Düse drehen kann, um den Motor wieder zum Leben zu erwecken. Und das kleine Wunder geschieht, gegen Bares – unbürokratisch privat eingetauscht gegen Euroschecks - klärt sich die Situation erfreulich schnell.

Brunhilde musste sich etwas Neues einfallen lassen, es gelang ihr, eine Flaute zu organisieren, die das Schiff 12 Stunden vor dem Einlaufen in niederländische Gewässer hinderte, nachdem sie die Bordbatterie überredet hatte, sich zu entladen und damit ein Starten der Maschine zu verhindern.
Die Yacht war inzwischen überfällig gemeldet, und mit der nicht zugelassenen UKW-Anlage musste Den Helder in Kenntnis davon gesetzt werden, dass man ohne Maschine einlaufen müsse. Die Manöver gelangen perfekt, und Pinta II hatte endlich ihre neuen Heimatgewässer erreicht.

Über die anschließende zweimalige Restaurierung der nunmehr Pinta geheißenen Brunhilde in Holland berichten wir in weiteren Folgen.

Jens Burmester


Restaurierung Teil 1
Restaurierung Teil 2


Fred Bouter im Kreise von Klassiker-Seglern aus den Niederlanden während der Classic Week 2010


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