"Idee" - 25 qm seegehender Jollenkreuzer

Text: Schiffbau-Ingenieur L. L., 1926

Als "Yacht der Woche" diesmal ein Jolli-Entwurf von Ing. Lagedink, den er 1926 zu Papier brachte und damit den damals bereits blühenden Ausrüstungsperfektionismus seiner Mitsegler auf die Schippe nahm. Heute, 75 Jahre später, hat die boomende Ausrüstungsindustrie vieles von dem verwirklicht. Trotzdem ist dem folgenden Artikel immer noch die eine oder andere Anregung zu entnehmen ...
Für einen sehr anspruchsvollen Besteller galt es, ein kleines Kajütboot von etwa 6 m Länge zu entwerfen, das unbedingt seetüchtig sein muß, dabei jedoch auf jedem Binnenrevier zu verwenden und vor allem sehr schnell sein soll. Außerdem muß die Bedienung des Bootes so einfach wie möglich sein, so daß auch ein im Segeln Ungeübter es sicher fahren kann. Ferner mußten solche Vorrichtungen vorgesehen werden, daß der Steuermann auch bei stürmischem Wetter segeln kann, ohne sich einem Bronchialkatarrh auszusetzen. Wie weit diesen Anforderungen genügt ist, zeigen die untenstehenden Pläne.

Es ist zunächst die Rumpfform einer Hamburger Elbjolle mit vollem Deck gewählt worden. Die S-förmigen Spantfüße mit der Schlankheit der Beinchen der Tiller-Girls bedingen ein weiches Arbeiten in der See. Während das Deck aus Pitchpine, Aufbauten und Inneneinrichtung aus Mahagoni bestehen, ist für die Außenhaut eine besondere Aluminiumlegierung gewählt worden, über deren Zusammensetzung vorläufig noch nichts verraten werden darf. Die Außenhaut besteht aus zwei dünnen Schichten, zwischen denen ein Gitterwerk aus dem gleichen Material eingeschoben ist. Dadurch werden die Spanten vollständig überflüssig und es sind nur einige Stringer aus Kiefernholz vorgesehen.

* aus: Die Yacht, Heft 51/1926 (Archiv Klaus Kramer) 52
Einrichtungszeichnung des seegehenden 25-qm-Jollenkreuzers
Länge über alles 6,20 m, größte Breite 2,10 m2, geringster Freibord 0,50 m, Konstruktionstiefe 0,30 m, Tiefgang mit Schwert 1,00 m.
Neuartig ist auch die Schwertflosse. Sie besteht aus einem Sack aus gummiartigem Gewebe, der im Innern durch Federn versteift ist. Vor Anker oder beim Segeln vorm Winde holen die Federn den Sack vollständig hoch, so daß er in einer Aussparung des Kieles verschwindet. Beim Kreuzen jedoch wird die Schwertflosse voll Luft gepumpt und steht dann prall wie ein massiver Flossenkiel unterm Schiff. Zur Aufhebung des Auftriebs erhält die Schwertflosse Bleiballast. Die notwendige Preßluft wird in vier Stahlflaschen mitgeführt.

Die Einrichtung weist äußerlich nichts Besonderes auf. Unter dem Achterdeck ist wie gewöhnlich Stauraum sowie ein Vakuumtank, der noch später erwähnt wird. Die geräumige Plicht ist selbstlenzend, wie es sich für ein Seeschiff gehört. Um dem Eigner jedoch, der Nichtschwimmer ist, die Annehmlichkeit eines Bades zu ermöglichen, auch wenn die Yacht zur Zeit nicht in einem Seebad liegt, kann die Plicht gleichzeitig als Badewanne benutzt werden. Eine elektrische Flügelpumpe fördert zu diesem Zweck das Seewasser direkt in die Plicht. Eine Schwingvorrichtung erzeugt Wellengang.


Das Ruderrad ist an der Achterkante der Plicht angeordnet, und zwar betätigt es ein kleines Flettner-Ruder, welches wieder automatisch das große Ruder, das selbstverständlich zum Aufholen eingerichtet ist, dreht. Die Steuerarbeit wird hiermit auf das geringste Maß beschränkt.

Über eine Niedergangstreppe gelangt man in die Kajüte. Hier befindet sich nun zunächst an Backbord ein Fünfröhren-Radiogerät fest eingebaut. Um Musik oder einen Vortrag, der dem Eigner besonders gefällt, auch zu anderer Zeit wiederholen zu können, ist ein Konservator vorgesehen, der die Radiowellen sammelt, um sie zu einer anderen Zeit wieder abgeben zu können. Für dieses Gerät genügt eine Zimmerantenne, die zwischen den Kajütbalken verlegt ist, um sämtliche europäischen Stationen im Lautsprecher zu haben.

An Steuerbord ist die übliche Anrichte vorgesehen. Die Kochvorrichtung ist elektrisch, ebenso ein Grill und die Aufwaschvorrichtung.
Zu beiden Seiten der Kajüte befindet sich je ein bequemes Schlafsofa. Ferner ist hier noch ein zweites Steuerrad angeordnet, um bei schlechtem Wetter von hier aus steuern zu können. Zur besseren Beobachtung des Wassers vor dem Schiff ist ein Sehrohr eingebaut, das über das Kajütdach hinausragt. Statt des störenden Schwertkastens ist nur ein niedriger Kasten für die Preßluftflaschen nötig, über dem ein Klapptisch aufgestellt werden kann. Auf die vordere Querbank wird ein Waschbecken geklappt, das bei Nichtbenutzung in einem Wandschrank verschwindet. Das Waschwasser wird direkt aus der See gepumpt und läuft dann durch einen Filter.
Um dem Fahrzeug keinen hohen Kajütaufbau zu geben, der nur allzuleicht plump wirkt, ist der Fußboden versenkbar konstruiert, damit wenigstens vor Anker Stehhöhe in der Kajüte ist. Die Seitenwände des Senkkastens sind aus dem gleichen gummiartigen Gewebe wie die Schwertflosse. Der durch Herablassen des Senkkastens entstehende größere Auftrieb des Fahrzeuges wird durch Füllen der Außenhautzellen mit Seewasser ausgeglichen.
Durch eine Luke gelangt man vom Vordeck aus in den Toilettenraum. Das hier aufgestellte Eimerklosett hat sich seit Jahrhunderten bewährt und es ist auch aus diesem Grunde nichts daran geändert worden, nur führt das Abfallrohr direkt nach außenbords. Ein Seeventil verhindert das Einströmen von Seewasser. Schränke und Borde sind selbstverständlich in ausreichender Anzahl vorgesehen.

Ganz im Vorschiff befindet sich der Maschinenraum. Dieser enthält zunächst den Hilfsmotor, auf den noch später zurückgegriffen wird, sowie die Ankermaschine. Dieses ist eine Art Geschützrohr, das in den Steven mündet. Wie eine Harpune steckt in ihm der Anker mit der Trosse. Beim Ankern wird dieser nun herausgeschossen, und zwar bis zu 50 m weit. Am Anker selbst ist ein Aufschlagzünder angebracht, der beim Aufschlagen des Ankers auf den Grund detoniert. Die Schallwellen werden nun in einem Lötrohr aufgefangen und die Zeit vom Eintauchen des Ankers ins Wasser bis zum Eintreffen der Schallwellen im Lötrohr automatisch auf einer Uhr angezeigt und selbsttätig die Wassertiefe daraus errechnet. Nachdem der Steuermann vorher einen Hebel auf die Zahl 3,4 oder 5 gestellt hat, stellt sich die Ankertrosse automatisch auf eine Trossenlänge der drei-, vier- oder fünffachen Wassertiefe ein.

Um auch das zeitraubende Reinschiff so angenehm wie möglich zu gestalten, ist ein Staubsauger vorgesehen, der fest unter dem Achterdeck eingebaut ist. Der Staub wird durch einen Unterwasserauspuff nach außenbords abgeführt.
Die Besegelung entspricht den neuesten Grundsätzen der Aerodynamik. Sie ist nach dem System “Kurfred" ( gemeint ist Manfred Curry) dem Vogelflügel nachgebildet. Statt des Segeltuches sind künstliche Federn genommen, die der Haltbarkeit wegen mit einem hauchdünnen Emailieüberzug versehen sind. Die vorzügliche Wirkung des Spaltflügels ist ja hinreichend bekannt. Deshalb ist hier auch eine weit nach achtern reichende Fock gewählt worden. Da man bei dieser kaum noch von Vorsegel sprechen kann und sie auch beim Wenden nicht am Mäste vorbeikommt, sondern außen um das Fockstag gedreht werden muß, hat sie den Namen “Drehfritz" erhalten. Die Schoten werden von kleinen elektrischen Winden geholt und gefiert. Eine Reffvorrichtung wird nicht benötigt. In der Naturwissenschaft ist es bisher nicht bekannt geworden, daß Möwen oder Adler beim Sturm ihre Flügel verkleinern oder gar einige Schwungfedern im Neste lassen. Lediglich durch eine veränderte Flügelstellung suchen sie sich den erhöhten Luftströmungen anzupassen, oder sie bleiben ganz zu Haus. Diese Tatsache ist von allen Segelaerodynamikern von Curry bis Freistadt noch unbeachtet gelassen worden.

Bei Nichtgebrauch wird der Mast, der über dem Baumbeschlag ein Kugelgelenk hat, wie ein Flügel nach hinten geklappt.
Im Top ist eine Windfahne angeordnet, die über ein Gestänge die jeweilige Windrichtung an einem Schaubild in der Kajüte anzeigt und ebenfalls die Schotführung automatisch reguliert.

Die Nationalflagge wird, wie es kürzlich in dieser Zeitschrift angeregt worden ist, am Heck gefahren.
Um auch bei Flaute noch segeln zu können, ist auf der Back ein großer Lüfterkopf aufgestellt. Eine Windturbine saugt die Luft an und preßt sie dann unter Druck in eine Rohrleitung, die vom Steven über die Saling bis zum Masttop führt. In kurzen Abständen sind Düsen vorgesehen, deren Stellung zum Segel verändert werden kann. Je nach dem Druck der aus der Düse tretenden Luft kann die Geschwindigkeit der Yacht reguliert werden.
Als Sicherheitsmaßnahme gegen Ertrinken ist anstatt der veralteten S-11 Ringe ein ganz neuartiger Schwimmring der Continental Gummiwerke gewählt, der an der Saling gefahren wird, wo er nicht stört und das Leben der gesamten Besatzung vor dem Ertrinken bewahrt.

Als Kraftquelle für die elektrische Energie ist ein Elektrokiel vorgesehen. Dieser besteht aus Plattenschichten von Siemens-Martin-Stahl und Bronze, die aufeinandergebolzt sind. Da Eisen und Kupfer in der Spannungsreihe bekanntlich weit auseinanderliegen, ist mit Hilfe des Seewassers ein galvanisches Element entstanden. Der sich bildende Strom wird aufgefangen und in einer Batterie aufgespeichert. Im Transformator umgeformt, liefert er Licht- und Kraftstrom.

Blaupausen dieses interessanten Fahrzeuges sind zur Zeit leider vergriffen.

Seite schließen