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![]() Eberhard Voigt: Meine Jollen |
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Nein, mit einem silbernen Löffel im Mund bin ich nicht geboren. Wir lebten in Berlin und meine Mutter war berufstätig, weil mein Vater früh gestorben war. Mit meinem Bruder verlebte ich damals, in den 30er Jahren, unbeschwerte Sommerferien bei den Großeltern in Neuruppin. Die besaßen dort ein Siedlungshaus, nur 200 m vom See entfernt. Großvater war Handelsschiffskapitän gewesen und hatte nun an einem Privatsteg im Schilf ein 12-ft-Dinghy liegen. Im ![]() Ich war wohl 9 oder 10 Jahre alt, als ich zum ersten Mal mit auf den See durfte. Bei Großvater konnten man Segeln lernen, und mit ihm kippte man nicht um. Wie das ging, hatte ich bald spitz: Heraushängen wenn die Bö kommt, Schrick in die Schot und zur Not in den Wind schießen, so dass auf keinen Fall Wasser über die Kante einsteigt - das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Nach einigen Sommern durfte ich dann schon mal alleine los. Wie alle Jungs damals kam ich in die Hitlerjugend, Marine natürlich. Da wurde eine Art vormilitärische Ausbildung betrieben. Unser Leiter, ein Korvettenkapitän, ließ mich aber des öfteren laufen, damit ich auf dem Neuruppiner See die Regatten mitsegeln konnte. Zur Konfirmation bekam ich dann von meiner anderen Großmutter ein eigenes Boot geschenkt, eine Olympia-Jolle: O-G 477. Ich weiß noch genau, wie wir im September 1939 das Boot in einer Werkstatt in Zeuthen abholten. Der Krieg hatte gerade begonnen und der ![]() Im Frühjahr 1945 verlegten wir mit unserem neuen U-Boot von Danzig nach Flensburg und versenkten es dort nach der Kapitulation. Die Besatzung ging an Land und schaute, wo ein Unterkommen war. Ich traf es ganz gut, denn ich habe damals meine Frau gefunden und blieb in Flensburg. Später kam auch meine Mutter mit meinem Bruder nach Norden, mit nichts als dem Koffer in der Hand. Fast 1 Million Flüchtlinge, besonders aus Pommern und Ostpreussen, hatte es damals nach Schleswig-Holstein verschlagen. - Und was nun? Studieren war nicht, da hätte ich erst einmal das Abitur nachholen müssen. Außerdem hätte ich als ehemaliger Marineoffizier nur Lehrer oder Pastor werden können, und das lag mir überhaupt nicht. So begann ich denn eine Augenoptiker-Lehre. Das passte auch irgendwie zum Umgang mit Glas und Periskop in Kriegszeiten zuvor. So ganz füllte mich das Lehrlingsdasein jedoch nicht aus. Die Lust zum Segeln war geblieben. So beschloss ich, mir ein Boot selbst zu bauen. Gegen Ende der 30er hatte Carl Martens 2 Scharpies für den Selbstbau entworfen, das Kükenboot (5 qm) und den Piraten (10 qm). So etwas traute ich mir schon zu. Über die "Yacht" fand ich zu den Plänen für die Piratenjolle, und 25 DM gingen dafür an die Witwe Martens. Geeignetes Holz entdeckte ich in Angeln bei einem Bauern. Einige 6 m lange Eichenbohlen wurden mir nach Flensburg geliefert und vor unserer Mietwohnung auf der Straße abgelegt. Zwei Fahrräder hintereinander und die Bohlen auf die Pedale gelegt, so ging es zum Sägewerk. Einen Bauplatz fand ich unter dem Dach eines Lagerhauses für 5 DM monatlich. Nägel, Schrauben und Kupfernieten gab es jetzt, nach der ![]() ![]() Anfang der 60er mussten wir unseren Wohnsitz aus beruflichen Gründen nach Köln verlegen, und wieder einmal war es vorbei mit der Segelei. Das Boot habe ich meinem Bruder überlassen. Was daraus geworden ist? Das ist ein betrübliches Kapitel - ich will das mal als Missverständnis umschreiben. Jedenfalls fand mein Bruder das Boot eines Tages zu ofenhandlichen Stücken zersägt vor. Das war im Jahre 1967. Ich habe dann 20 Jahre wenig gesegelt, auch als wir in Kiel heimisch wurden. Es gab wirklich Wichtigeres. Gleich nach der Wiedervereinigung aber zog es mich nach Neuruppin, und mit einem Bekannten zusammen legte ich mir einen 15er Jollenkreuzer auf den See. Es hat wieder richtig Spaß gebracht, aber von Kiel mit dem Auto mal eben zum Segeln bis kurz vor Berlin, das macht man nicht alle Tage. Meinen Anteil habe ich schließlich abgegeben. Nun bin ich in Rente gegangen. Im letzten Jahr auf der In-Water-Boot blieb ich an einem neu gebauten 12-ft-Dinghy hängen - wie mein Großvater eines hatte. Das hätte ich wohl gerne gekauft, aber die Vernunft siegte dann doch. Für ein Drittel des Preises habe ich mir jetzt einen älteren 15er zugelegt, 1970 in der DDR für den Westexport aus Mahagoni-Vollholz gebaut. Ein richtig gutes Boot, und für das Mittagsschläfchen ist so eine Kajüte ja auch nicht schlecht. Damit ich einhand besser auf dem Vorschiff zurechtkomme, will ich noch eine Rollfock nachrüsten. Einen Liegeplatz habe ich auch, an der Schlei! Auf eines werde ich dort wohl aber verzichten müssen: Keine Aufschießer mehr ins Schilf! |
![]() ![]() Taufe und erste Ausfahrt |
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