PFLEGE & RESTAURIERUNG

Projekt "Lill" - Folge 2

Wasserstandsmeldung 2015 von Detlef Lutz für sein Refitprojekt "Folkeboot Lill":

"Nachdem wir an unserer "Lill" im Winter 2013/14 den Achtersteven erneuert, die Lanungen gedichtet und andere kleine Arbeiten erledigt hatten, mussten wir feststellen, dass vorne auf Höhe des Mastfußes das Wasser durch die Kielplanke floss und erst nach längerer Liegezeit sich beruhigte. Sobald aber wieder gesegelt wurde, kam wieder mehr Wasser. So beschlossen wir, in der 1. Saison mit "Lill" nicht auf die offene Ostsee zu gehen.
Denn es war auch gut so, wie wir im Winter 2014/15 feststellen konnten:

Der Kiel muss ab!

In Gesprächen mit anderen Eignern oder auch mit Bootsbauern wurde das Thema sehr unterschiedlich gesehen. Wir hörten und lasen von den Problemen der Eiche mit ihrer Ausdehnung und schlechten Klebeeigenschaften. Oder, "dass die Bolzen bei anderen Projekten dann doch noch besser waren als gedacht und dass es schon noch einige Jahre halten wird".
Mir war klar, dass nach den Eisenresten im hinteren Bereich des Steven und dem Knie im vorderen Bereich der Steven-Kielplankenschäftung davon auch nicht mehr viel zu sehen sein kann.


Ballast trennt sich von der Kielplanke am Kran


Bodenwrangen 8+9 mit 12mm Bolzen und aus Leisten lammeliert


Neuer Bolzen direkt neben dem altem eingebohrt mit M12 Gewinde

Hoffnung hatten die zwei in der Mitte zu stehenden Kielbolzen aus Edelstahl gemacht. Jedoch stellte sich heraus, dass sie nur mit der Dimension M12 als Gewindestange irgendwie mit einem entsprechendem Gewinde neben die originalen gebohrt wurden. Die dabei wohl zugehörigen, neu gefertigten Wrangen wurden aus einzelnen Leisten laminiert. Durch den Druck von außen und dem Zug nach unten hatte die Laminierung auch schon aufgegeben.

In einer Bierlaune nach unserem gemeinsamen Fitness-Programm in der Vereinskneipe beschlossen mein Freund Arne und ich:
Wir bauen einen Portalkran in den Vorgarten und versuchen das mal.

Ein paar Balken aus den Kleinanzeigen und dem regionalen Holzhandel, 4x 1t Kettenzüge für knapp über 100€ neu von Ebay, dazu noch 2 breite Gurte und ein paar Augmuttern M16 mit Gewindestangen. Der Kran stand an einem Wochenende.

Nun noch Holzkeile aus Esche mit 1/10 Steigung im Netz bestellt. Es waren 20 Stück. Beim nächsten mal würde ich 40-50 Stück bestellen. Die Kosten sind so klein, dass es sich nicht lohnt, die selber zu fertigen. Zwei entsprechende Stahlkeile habe ich auf einem gut sortierten Schrotthandel in Billbrook gefunden. Mit diesen kann es möglich sein, die Kielbolzen in den Kieltaschen nach oben zu drücken, bei gleichzeitigem Trennen der Kielplanke vom Ballast mit Hilfe der Holzkeile. Ist uns nur bei einem gelungen. Aber die anderen Kielbolzen waren schon so durch, dass sie entweder brachen oder nur noch ein kleiner Rest mit einem Bügelsägeblatt gesägt werden brauchte.
Nach ca. 4Std. ruhiger und besonnener Arbeit hing das Boot in den Gurten und der Kiel stand auf dem Trailer. Wichtig ist, dass er vorher vor dem Umfallen gesichert ist!
Der federnde Trailer und das sehr differenzierte Ziehen mit den Kettenzügen hat uns sehr zum Erfolg verholfen. Wir hatten nie das Gefühl, etwas Unsicheres zu veranstalten.

Um so spannender war dann der Blick auf das, was noch übrig blieb. Um das Boot erleichtert konnte nun auch unsere Familienkutsche das Gespann Regelkonform zum Strahler bringen. Nach mehreren Angeboten - von knapp 1000€ bis zur Ablehnung der Arbeit wg. Umweltbelastung der Mitarbeiter durch das Antifouling - fiel die Wahl auf das Unternehmen Hinrich Knief in Wedel. Ein Tipp übrigens der Crew von "Lotte". Björn und Robert gaben mir diesen und weitere tolle Tipps bei einem Besuch im Winter auf ihrer kleinen Werft zum Interessenaustausch in der Nordheide.

Der Kiel wurde gestrahlt und mit Interzinc 52 und 3x Interzone 954 von International beschichtet. Beim Abholen wurde mir noch ausreichend Farbe mit Härter mitgegeben, damit ich den Ballast im Frühjahr nach dem Spachteln und schleifen noch mind. 2x beschichten kann. Das ganze zu einem Preis, wo ich vermutlich nicht einmal die Beschichtung als Privatperson bekommen hätte. Super!!!

Der Kiel wurde vorbereitet und lagerte dann auf dem Gartengrundstück von Arne und wartete auf den Frühling, um bei wärmeren Temperaturen weiter bearbeitet werden zu können.


Gestrahlt und mit 3x Teerepoxid beschichtet.

Nun mussten noch die Reste der Kielbolzen aus den Wrangen. Ich wollte gerne so viel Substanz wie möglich erhalten. Am Ende war es aber nur eine Kielbolzenwrange, welche mit kleinen Reparaturen, erhalten werden konnte. Ein paar vordere im Stevenbereich blieben auch original.

Die Wrangen-Planken-Verbindung durch Messingschrauben wurden mit Hilfe der im ersten Refit-Bericht beschriebenen US patentierten Ausdrehtechnik erfolgreich entfernt. Die alten 5mm Messingschrauben wurden durch neue 6mm V4A Schrauben ersetzt.


12t. Heber mit dem Hebelarm. Die Schäkel waren nicht mehr zu gebrauchen.


Auch hier im Bereich der Kielplanke nix mehr vorhanden an Stahl.

Der Anblick der neuen Wrangen auf den entlackten und mit D1 geölten Planken im UW Bereich hatte schon für manch Mühe entschädigt und Mut für weitere Arbeit gemacht. Denn der hauptsächliche Grund der ganzen Arbeit lag ja vorne im Bereich der 1m langen Schäftung zw. Steven und Kielplanke.

Mit Hilfe der Zeichnung habe ich mir die mögliche Reparatur aufgezeichnet und mit meinem Bootsbaumeister Jan Vogt besprochen. "So könnte man es machen", war das Ergebnis.

Mit einer gegenläufigen Kreissäge in Form einer Flex und Stechbeitel wurde erst einmal grob, dann mit der Oberfräse und Handhobeln fein, der hintere innere Stevenbereich entfernt. Eine neue Fläche für die Verklebung eines neuen Stücks Steven musste erzeugt werden.


An 2 Leisten geführte Oberfräse ergab eine plane Fläche.


2 auf die Schablone geschraubte Leisten führten wieder die Oberfräse


Das Ergebnis war erstaunlich passgenau.

Das neue Stück musste nach einer gefertigten Schablone möglichst passgenau gefertigt und mit Hilfe von Kreide eingepasst werden. Nun konnten auch die letzten Längen der neuen Kielbolzen ermittelt werden. Diese wurden aus 20mm V4A Stangen an der Drehbank im Betrieb am Wochenende mit M20 Gewinde an den Enden gefertigt. Pro Gewinde ca. eine 1/2 Stunde an der manuellen Drehbank.


Alt & Neu. Der spitze Teil lag immer in der Kielplanke.

Die vorderen Ausläufe der Planken wurden durch neue Lärchenholzkeile unterstützt, damit die Verschraubung fest sitzt. Die Spalten an der Kielplanke zu den Planken habe ich erst mit Venezianer Terpentin mit Hilfe eines Heißluftföhn ausgegossen. Riecht gesund und ist es hoffentlich auch für das Holz. Darüber noch etwas dickeres Ettan - auch mit dem Föhn gegossen.

Die Risse in der Kielplanke und dem hinteren Knie innen wurden aufgefräßt. Neue Eiche, mit P-Bond eingeklebt, hat den Spalt verschlossen.

Außen war die Arbeit an der 80mm starken Kielplanke etwas aufwendiger zu erledigen. Mit einer etwas modifizierten alten Handkreissäge habe ich 28mm tiefe Schlitze quer über die gesamte Kielplanke gesägt. Dann mit dem Stechbeitel die Klötze entfernt. Anschließend erst mit dem E-Hobel, dann mit der Raubank von Hand geschlichtet. Die Arbeit wurde mit Hilfe einer 3m langen Alu Winkelschiene oft überprüft.
Ein vorher gefertigtes 30mm x 250mm x 4000mm langes Eichenbrett, welches sich drei Monate in der Nähe des Bootes akklimatisiert hatte, wurde mit Epoxidharz von Kurolon angeklebt.
Auch hier waren die vielen Eschenholzkeile sehr hilfreich. Mit einer verstellbaren Reibahle konnte ich anschließend die Kielbolzenbohrungen sehr passgenau fertigen.


Einige der verwendeten Spezialwerkzeuge. Sehr nützlich ist eine verstellbare Reibahle

Bevor die neuen unteren 30mm der Kielplanke angeklebt werden konnten, musste ja noch die Äußere vordere Stevenreparatur gemacht werden.


Mit neuem in beide Richtungen arbeitenden Sägeblatt genau der Linie nach.

Nun konnte auch das untere Stück Kielplanke verklebt werden. Versuche mit P-Bond und dem Epoxidharz von Kurolon mit unterschiedlich nasser und alter mit neuer Eiche haben mich überzeugt, die Klebung mit Epoxidharz von Kurolon zu machen.


Kieloberfläche nach dem Anpassen mit einer Lage Frischhaltefolie

Nach dem Kleben der 30mm Sohle musste ich feststellen das der Guss-Kiel in der Oberfläche um ca. 25mm nach unten ballig ist. Um Spannungen in der Kielplanke zu vermeiden, haben wir nun Frischhaltefolie unter die Kielplanke gespannt. Dann stark angedicktes Epoxid mit einem Zahnspachtel auf den Guß Kiel getragen. Nun mit Hilfe von zwei Pilotbolzen das Boot auf dem Guss-Kiel abgesenkt. Jetzt passt der Kiel zum Boot wie angegossen. Die nicht gefüllten Hohlräme wurden anschließend aufgefüllt und das ganze mit dem Schleifbrett übergeschliffen. Zwischen Kiel und Kielplanke ist abschließend eine 3mm starke Teerfilz-Lage eingelegt.

Nun war der Kiel wieder mit dem Boot verheiratet. Anschließend konnte der Steven verputzt werden. Die kleinen Kielbolzen im Stevenbereich wurden einpasst und montiert. Der Kiel wurde zudem noch einmal mit dem Zahnpachtel beschichtet, um anschließend mit dem Schleifbrett egalisiert zu werden.

Nachdem auch die Kieltaschen wieder mit Beton verschlossen waren, konnten noch drei Schichten von dem mitgegebenen Teerepoxid von International aufgetragen werden.

Nun noch schnell den Mast reparieren. Eine neue und nach unten verlängerte Unterlage für die Mastschiene musste her und angeklebt werden. Nach Gesprächen mit anderen Folkeboot-Eignern habe ich mich zugunsten der besseren Einhandtauglichkeit wieder zur Mastschiene mit Rutschern entschieden. Nur konnte man in der alten Version den Baum beim Bergen des Groß nicht ablegen und musste mit Dirk arbeiten. Diese war mir aber zu wackelig beim Bergen und schnellem Sichern des Groß mit 2-3 Strapsen am Baum.


So konnte man auch dem Nachbarn mal seine Schraubzwingen Sammlung zeigen

Dann noch schnell das neue Loch für den vorderen Heißgurt im Kajütdach sägen und mit dem für 3€ auf dem BoatFit-Flohmarkt in Bremen erstandenen Verschluss versehen.

Rechtzeitig am Wochenende vor dem Rendezvous der Klassiker hing "Lill" bei Steckmest in Kappeln am Haken und es braucht keine neue Wasserstandsmeldung mehr rausgegeben werden ;-)) . Denn von nun an ist überwiegend Staubwischen angesagt. In der Bb Seite unter der Küche macht ein Plankenstoß etwas Wasser. Wird im Winter 2015/16 erledigt ;) . Der Portalkran ist zum Carport für "Lill" umgebaut und im Winter 2015/16 bekommt sie ihre wohl verdienten Schönheitsarbeiten an Lack und Holz, was dann auch von Außen zu sehen sein wird ;)"

Fortsetzung folgt...

PS: Sollten Fragen entstanden sein, kann gerne Kontakt mit mir aufgenommen werden unter: lutz.detlef@t-online.de

(Die Wasserstandsmeldung für das Jahr 2016 - die Folge 3 - lesen Sie HIER)


Die Restaurierung des Folkeboots Lill
Die Restaurierung des Folkeboots Lill-Teil2
Die Restaurierung des Folkeboots Lill-Teil3



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